Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Mitheilung der Erregung; Beharrungsvermögen.
s. w. sich in sogenannter reflektorischer Disposition finden. Aus die-
sem Grunde bleibt es in der That zweifelhaft, ob im reinen Gebiete des
n. sympathicus Reflexe eintreten; dieser Zweifel wird sehr gestützt
durch die anderweitige Betrachtung, dass alle Thatsachen aus
denen man den Reflex ableitet auch noch andere Deutungen erfahren
können. Zu den Beispielen, welche man gewöhnlich als Beweisse
der Gegenwart reflektorischer Leistungen im Kreise des n. sym-
pathicus vorführt, zählen: dass nach einer lokalen Einwirkung von
Erregern auf das peritonäum oder auf die Darmschleimhaut verbreitete
Bewegungen in den Darmmuskeln u. s. w. eintreten. Diese That-
sachen würden hier einen dem Reflex analogen Vorgang aber
nur dann wahrscheinlich machen, wenn eine Sicherung vorläge,
dass die eben erwähnten Erreger ausschliesslich nur solche Ner-
venröhren getroffen hätten, welche nicht geradezu mit Muskeln
in Verbindung stehen; dazu kommt, dass herausgeschnittene Stücke
eines Darmes, dessen Nerven untereinander nur noch mittelst
der Stämme in Berührung sein können, unter günstigen Umständen
ebenfalls auf ganz lokale Einwirkung in eine successiv fortschreitende
und sich wieder lösende Zusammenziehung verfallen, in eine Bewe-
gung die alle äusserlichen Charaktere der reflektorischen darbietet.

Mitempfindung, Mitbewegung. Die Thatsachen, welche
man unter dieser Aufschrift aus dem Bereich der Wirkungen des n.
sympathicus vorführt, sind sehr vager Natur. Nach Leiden der Leber
und des Colons, Blähungen u. s. w. treten Schmerzen in der Schulter,
bei Gegenwart von Eingeweidewürmern Jucken in der Nase auf u. s. w.
Was soll, vorausgesetzt selbst dass ein constanter Zusammenhang
zwischen jenen Affektionen und diesen Schmerzen besteht, den Be-
weiss liefern, dass er durch eine unmittelbare Uebertragung der Erre-
gung von diesem zu jenem Nervenrohr geschehe?

5. Verhältniss der Zeiten zwischen der Andauer der
Erregerwirkung und der durch sie im sympathischen Sy-
stem veranlassten Bewegung
. Da sich sämmtliche sympathische
Nerven in glatte Muskeln begeben, so wird ein momentan wirkender
Erreger immer eine allmählig steigende und sich allmählig lösende Mus-
kelverkürzung veranlassen; ausser dieser von der Muskeleigenthüm-
lichkeit herrührenden Erscheinung, welche hier, wo es sich um Ner-
venwirkungen handelt, nicht besonders erörtert werden soll *), ist aber
die andere hervorzuheben, dass nach einer tetanischen sowohl als einer
momentanen Erregerwirkung eine rhythmische Bewegung in den nor-
malen sympathischen Nerven auftritt, mit andern Worten der einmal in
Verkürzung gebrachte Muskelort erschlafft, verkürzt sich dann von
Neuem, erschlafft wiederum u. s. w. -- Der einzige Unterschied der

*) Siehe hierüber in der allgemeinen Muskellehre die glatte Muskelfaser.

Mitheilung der Erregung; Beharrungsvermögen.
s. w. sich in sogenannter reflektorischer Disposition finden. Aus die-
sem Grunde bleibt es in der That zweifelhaft, ob im reinen Gebiete des
n. sympathicus Reflexe eintreten; dieser Zweifel wird sehr gestützt
durch die anderweitige Betrachtung, dass alle Thatsachen aus
denen man den Reflex ableitet auch noch andere Deutungen erfahren
können. Zu den Beispielen, welche man gewöhnlich als Beweisse
der Gegenwart reflektorischer Leistungen im Kreise des n. sym-
pathicus vorführt, zählen: dass nach einer lokalen Einwirkung von
Erregern auf das peritonäum oder auf die Darmschleimhaut verbreitete
Bewegungen in den Darmmuskeln u. s. w. eintreten. Diese That-
sachen würden hier einen dem Reflex analogen Vorgang aber
nur dann wahrscheinlich machen, wenn eine Sicherung vorläge,
dass die eben erwähnten Erreger ausschliesslich nur solche Ner-
venröhren getroffen hätten, welche nicht geradezu mit Muskeln
in Verbindung stehen; dazu kommt, dass herausgeschnittene Stücke
eines Darmes, dessen Nerven untereinander nur noch mittelst
der Stämme in Berührung sein können, unter günstigen Umständen
ebenfalls auf ganz lokale Einwirkung in eine successiv fortschreitende
und sich wieder lösende Zusammenziehung verfallen, in eine Bewe-
gung die alle äusserlichen Charaktere der reflektorischen darbietet.

Mitempfindung, Mitbewegung. Die Thatsachen, welche
man unter dieser Aufschrift aus dem Bereich der Wirkungen des n.
sympathicus vorführt, sind sehr vager Natur. Nach Leiden der Leber
und des Colons, Blähungen u. s. w. treten Schmerzen in der Schulter,
bei Gegenwart von Eingeweidewürmern Jucken in der Nase auf u. s. w.
Was soll, vorausgesetzt selbst dass ein constanter Zusammenhang
zwischen jenen Affektionen und diesen Schmerzen besteht, den Be-
weiss liefern, dass er durch eine unmittelbare Uebertragung der Erre-
gung von diesem zu jenem Nervenrohr geschehe?

5. Verhältniss der Zeiten zwischen der Andauer der
Erregerwirkung und der durch sie im sympathischen Sy-
stem veranlassten Bewegung
. Da sich sämmtliche sympathische
Nerven in glatte Muskeln begeben, so wird ein momentan wirkender
Erreger immer eine allmählig steigende und sich allmählig lösende Mus-
kelverkürzung veranlassen; ausser dieser von der Muskeleigenthüm-
lichkeit herrührenden Erscheinung, welche hier, wo es sich um Ner-
venwirkungen handelt, nicht besonders erörtert werden soll *), ist aber
die andere hervorzuheben, dass nach einer tetanischen sowohl als einer
momentanen Erregerwirkung eine rhythmische Bewegung in den nor-
malen sympathischen Nerven auftritt, mit andern Worten der einmal in
Verkürzung gebrachte Muskelort erschlafft, verkürzt sich dann von
Neuem, erschlafft wiederum u. s. w. — Der einzige Unterschied der

*) Siehe hierüber in der allgemeinen Muskellehre die glatte Muskelfaser.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0195" n="181"/><fw place="top" type="header">Mitheilung der Erregung; Beharrungsvermögen.</fw><lb/>
s. w. sich in sogenannter reflektorischer Disposition finden. Aus die-<lb/>
sem Grunde bleibt es in der That zweifelhaft, ob im reinen Gebiete des<lb/>
n. sympathicus Reflexe eintreten; dieser Zweifel wird sehr gestützt<lb/>
durch die anderweitige Betrachtung, dass alle Thatsachen aus<lb/>
denen man den Reflex ableitet auch noch andere Deutungen erfahren<lb/>
können. Zu den Beispielen, welche man gewöhnlich als Beweisse<lb/>
der Gegenwart reflektorischer Leistungen im Kreise des n. sym-<lb/>
pathicus vorführt, zählen: dass nach einer lokalen Einwirkung von<lb/>
Erregern auf das peritonäum oder auf die Darmschleimhaut verbreitete<lb/>
Bewegungen in den Darmmuskeln u. s. w. eintreten. Diese That-<lb/>
sachen würden hier einen dem Reflex analogen Vorgang aber<lb/>
nur dann wahrscheinlich machen, wenn eine Sicherung vorläge,<lb/>
dass die eben erwähnten Erreger ausschliesslich nur solche Ner-<lb/>
venröhren getroffen hätten, welche nicht geradezu mit Muskeln<lb/>
in Verbindung stehen; dazu kommt, dass herausgeschnittene Stücke<lb/>
eines Darmes, dessen Nerven untereinander nur noch mittelst<lb/>
der Stämme in Berührung sein können, unter günstigen Umständen<lb/>
ebenfalls auf ganz lokale Einwirkung in eine successiv fortschreitende<lb/>
und sich wieder lösende Zusammenziehung verfallen, in eine Bewe-<lb/>
gung die alle äusserlichen Charaktere der reflektorischen darbietet.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Mitempfindung, Mitbewegung</hi>. Die Thatsachen, welche<lb/>
man unter dieser Aufschrift aus dem Bereich der Wirkungen des n.<lb/>
sympathicus vorführt, sind sehr vager Natur. Nach Leiden der Leber<lb/>
und des Colons, Blähungen u. s. w. treten Schmerzen in der Schulter,<lb/>
bei Gegenwart von Eingeweidewürmern Jucken in der Nase auf u. s. w.<lb/>
Was soll, vorausgesetzt selbst dass ein constanter Zusammenhang<lb/>
zwischen jenen Affektionen und diesen Schmerzen besteht, den Be-<lb/>
weiss liefern, dass er durch eine unmittelbare Uebertragung der Erre-<lb/>
gung von diesem zu jenem Nervenrohr geschehe?</p><lb/>
            <p>5. <hi rendition="#g">Verhältniss der Zeiten zwischen der Andauer der<lb/>
Erregerwirkung und der durch sie im sympathischen Sy-<lb/>
stem veranlassten Bewegung</hi>. Da sich sämmtliche sympathische<lb/>
Nerven in glatte Muskeln begeben, so wird ein momentan wirkender<lb/>
Erreger immer eine allmählig steigende und sich allmählig lösende Mus-<lb/>
kelverkürzung veranlassen; ausser dieser von der Muskeleigenthüm-<lb/>
lichkeit herrührenden Erscheinung, welche hier, wo es sich um Ner-<lb/>
venwirkungen handelt, nicht besonders erörtert werden soll <note place="foot" n="*)">Siehe hierüber in der allgemeinen Muskellehre die glatte Muskelfaser.</note>, ist aber<lb/>
die andere hervorzuheben, dass nach einer tetanischen sowohl als einer<lb/>
momentanen Erregerwirkung eine rhythmische Bewegung in den nor-<lb/>
malen sympathischen Nerven auftritt, mit andern Worten der einmal in<lb/>
Verkürzung gebrachte Muskelort erschlafft, verkürzt sich dann von<lb/>
Neuem, erschlafft wiederum u. s. w. &#x2014; Der einzige Unterschied der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0195] Mitheilung der Erregung; Beharrungsvermögen. s. w. sich in sogenannter reflektorischer Disposition finden. Aus die- sem Grunde bleibt es in der That zweifelhaft, ob im reinen Gebiete des n. sympathicus Reflexe eintreten; dieser Zweifel wird sehr gestützt durch die anderweitige Betrachtung, dass alle Thatsachen aus denen man den Reflex ableitet auch noch andere Deutungen erfahren können. Zu den Beispielen, welche man gewöhnlich als Beweisse der Gegenwart reflektorischer Leistungen im Kreise des n. sym- pathicus vorführt, zählen: dass nach einer lokalen Einwirkung von Erregern auf das peritonäum oder auf die Darmschleimhaut verbreitete Bewegungen in den Darmmuskeln u. s. w. eintreten. Diese That- sachen würden hier einen dem Reflex analogen Vorgang aber nur dann wahrscheinlich machen, wenn eine Sicherung vorläge, dass die eben erwähnten Erreger ausschliesslich nur solche Ner- venröhren getroffen hätten, welche nicht geradezu mit Muskeln in Verbindung stehen; dazu kommt, dass herausgeschnittene Stücke eines Darmes, dessen Nerven untereinander nur noch mittelst der Stämme in Berührung sein können, unter günstigen Umständen ebenfalls auf ganz lokale Einwirkung in eine successiv fortschreitende und sich wieder lösende Zusammenziehung verfallen, in eine Bewe- gung die alle äusserlichen Charaktere der reflektorischen darbietet. Mitempfindung, Mitbewegung. Die Thatsachen, welche man unter dieser Aufschrift aus dem Bereich der Wirkungen des n. sympathicus vorführt, sind sehr vager Natur. Nach Leiden der Leber und des Colons, Blähungen u. s. w. treten Schmerzen in der Schulter, bei Gegenwart von Eingeweidewürmern Jucken in der Nase auf u. s. w. Was soll, vorausgesetzt selbst dass ein constanter Zusammenhang zwischen jenen Affektionen und diesen Schmerzen besteht, den Be- weiss liefern, dass er durch eine unmittelbare Uebertragung der Erre- gung von diesem zu jenem Nervenrohr geschehe? 5. Verhältniss der Zeiten zwischen der Andauer der Erregerwirkung und der durch sie im sympathischen Sy- stem veranlassten Bewegung. Da sich sämmtliche sympathische Nerven in glatte Muskeln begeben, so wird ein momentan wirkender Erreger immer eine allmählig steigende und sich allmählig lösende Mus- kelverkürzung veranlassen; ausser dieser von der Muskeleigenthüm- lichkeit herrührenden Erscheinung, welche hier, wo es sich um Ner- venwirkungen handelt, nicht besonders erörtert werden soll *), ist aber die andere hervorzuheben, dass nach einer tetanischen sowohl als einer momentanen Erregerwirkung eine rhythmische Bewegung in den nor- malen sympathischen Nerven auftritt, mit andern Worten der einmal in Verkürzung gebrachte Muskelort erschlafft, verkürzt sich dann von Neuem, erschlafft wiederum u. s. w. — Der einzige Unterschied der *) Siehe hierüber in der allgemeinen Muskellehre die glatte Muskelfaser.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/195
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/195>, abgerufen am 30.04.2024.