Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

N. opticus.
verfolgen lassen. -- Innerhalb der Nase verbreiten sich seine Fasern,
so weit bekannt, nur auf die convexe Fläche der beiden obern Nasen-
muscheln und den obern Theil der Scheidewand.

Nach seiner Verletzung beim Menschen ist der Geruch vollkom-
men zerstört, man darf ihn demnach für den einzigen Geruchsnerven
ansprechen. Zudem scheint er auch ausschliesslich Geruchsnerv
zu sein, da seine Verletzung bei Thieren keine Schmerzensäusserun-
gen hervorruft.

Nervus opticus *).

Der Tractus und N. opticus bis zur Retina setzen sich aus fei-
nen Nervenröhren zusammen; in seiner Ausbreitung als Retina fin-
den sich Nuclearmassen und verzweigte Nervenzellen an die Nerven-
röhren abgelagert. Der Ursprung des Tractus kann bis in die Vier-
hügel, das corpus geniculatum externum und den Sehhügel verfolgt wer-
den, auf seinem weiteren Verlauf legt er sich innigst an den Gross-
hirnstamm, das tuber cinereum und die lamina terminalis an; ob er
von diesen Gebilden Röhren aufnimmt, ist zweifelhaft. Im sogenannten
chiasma findet eine theilweise Kreuzung der Nervenröhren statt, der
Art, dass die nach aussen gelegenen jedes Tractus zum gleich-
seitigen, die inneren eines jeden dagegen in den entgegengesetzt lie-
genden Nervenstamm treten. Ausserdem laufen an der vordern und
hintern Kante des Chiasma Commissurenfasern. Jeder N. opticus
trägt demgemäss in beiden Augen zur Bildung der Retina bei.

Die Verletzung des Sehnerven bedingt vollkommene Blindheit; die
Durchschneidung des Stammes oder eine mechanische Verletzung der
Ausbreitung erzeugt beim Menschen keine Schmerzempfindungen.

Die Einsenkung und Kreuzung des Sehstreifens bis in die bezeichneten Stellen
wird ausser der anatomischen Präparation durch pathologische Fälle constatirt, in
welchen ein Schwinden des N. opticus in Folge einer Zerstörung der Retina eingetre-
ten war; in ihnen findet sich, wenn die Verkümmerung über das Chiasma hinaus bis in
den Sehstreifen sich erstreckt, entweder der gleich- oder der gegenseitige oder auch
die beiden Streifen verändert. Diese wechselnd vorkommenden Resultate lassen sich
nur aus obiger Hypothese erläutern, wenn sie noch den Zusatz erfährt, dass ein alle
Röhren des Nerven vor dem Chiasma treffender pathologischer Zustand sich nicht
gleichmässig durch das Chiasma hindurchzuerstrecken braucht. In einzelnen Fällen
auffallenden Schwindens kann man die eingesunkenen Massen bis in die bezeichne-
ten Hirnstellen verfolgen. -- Die relative Menge der gekreutzten und nicht ge-
kreutzten Röhren fällt bei verschiedenen Thieren (wahrscheinlich je nach der Au-
genstellung) sehr verschieden aus, weshalb die vergleichend anatomischen Thatsa-
chen zu keinem Schluss für die menschliche Anatomie berechtigen. Ob die am hin-
tern Rand gelegene Commissur des Chiasma in Beziehung zum Sehnerven steht, kann
aus vergleichend anatomischen Gründen bezweifelt werden. S. Todd und Bow-
mann
loc. citat.

*) Longet, Anatomie et Physiologie du Systeme etc. II. 50. -- Todd and Bowmann l. c. 39.
Foville, Anatomie du systeme cerebrospinal I. p. 510. -- Brücke, das Auge. Berlin 1817. --
Kölliker, mikroskop. Anatomie II. 1. 480 u. 517. -- Hannover, im Jahresbericht über spe-
cielle Anatomie für das Jahr 1851 v. Henle p. 61.

N. opticus.
verfolgen lassen. — Innerhalb der Nase verbreiten sich seine Fasern,
so weit bekannt, nur auf die convexe Fläche der beiden obern Nasen-
muscheln und den obern Theil der Scheidewand.

Nach seiner Verletzung beim Menschen ist der Geruch vollkom-
men zerstört, man darf ihn demnach für den einzigen Geruchsnerven
ansprechen. Zudem scheint er auch ausschliesslich Geruchsnerv
zu sein, da seine Verletzung bei Thieren keine Schmerzensäusserun-
gen hervorruft.

Nervus opticus *).

Der Tractus und N. opticus bis zur Retina setzen sich aus fei-
nen Nervenröhren zusammen; in seiner Ausbreitung als Retina fin-
den sich Nuclearmassen und verzweigte Nervenzellen an die Nerven-
röhren abgelagert. Der Ursprung des Tractus kann bis in die Vier-
hügel, das corpus geniculatum externum und den Sehhügel verfolgt wer-
den, auf seinem weiteren Verlauf legt er sich innigst an den Gross-
hirnstamm, das tuber cinereum und die lamina terminalis an; ob er
von diesen Gebilden Röhren aufnimmt, ist zweifelhaft. Im sogenannten
chiasma findet eine theilweise Kreuzung der Nervenröhren statt, der
Art, dass die nach aussen gelegenen jedes Tractus zum gleich-
seitigen, die inneren eines jeden dagegen in den entgegengesetzt lie-
genden Nervenstamm treten. Ausserdem laufen an der vordern und
hintern Kante des Chiasma Commissurenfasern. Jeder N. opticus
trägt demgemäss in beiden Augen zur Bildung der Retina bei.

Die Verletzung des Sehnerven bedingt vollkommene Blindheit; die
Durchschneidung des Stammes oder eine mechanische Verletzung der
Ausbreitung erzeugt beim Menschen keine Schmerzempfindungen.

Die Einsenkung und Kreuzung des Sehstreifens bis in die bezeichneten Stellen
wird ausser der anatomischen Präparation durch pathologische Fälle constatirt, in
welchen ein Schwinden des N. opticus in Folge einer Zerstörung der Retina eingetre-
ten war; in ihnen findet sich, wenn die Verkümmerung über das Chiasma hinaus bis in
den Sehstreifen sich erstreckt, entweder der gleich- oder der gegenseitige oder auch
die beiden Streifen verändert. Diese wechselnd vorkommenden Resultate lassen sich
nur aus obiger Hypothese erläutern, wenn sie noch den Zusatz erfährt, dass ein alle
Röhren des Nerven vor dem Chiasma treffender pathologischer Zustand sich nicht
gleichmässig durch das Chiasma hindurchzuerstrecken braucht. In einzelnen Fällen
auffallenden Schwindens kann man die eingesunkenen Massen bis in die bezeichne-
ten Hirnstellen verfolgen. — Die relative Menge der gekreutzten und nicht ge-
kreutzten Röhren fällt bei verschiedenen Thieren (wahrscheinlich je nach der Au-
genstellung) sehr verschieden aus, weshalb die vergleichend anatomischen Thatsa-
chen zu keinem Schluss für die menschliche Anatomie berechtigen. Ob die am hin-
tern Rand gelegene Commissur des Chiasma in Beziehung zum Sehnerven steht, kann
aus vergleichend anatomischen Gründen bezweifelt werden. S. Todd und Bow-
mann
loc. citat.

*) Longet, Anatomie et Physiologie du Système etc. II. 50. — Todd and Bowmann l. c. 39.
Foville, Anatomie du système cerebrospinal I. p. 510. — Brücke, das Auge. Berlin 1817. —
Kölliker, mikroskop. Anatomie II. 1. 480 u. 517. — Hannover, im Jahresbericht über spe-
cielle Anatomie für das Jahr 1851 v. Henle p. 61.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0169" n="155"/><fw place="top" type="header">N. opticus.</fw><lb/>
verfolgen lassen. &#x2014; Innerhalb der Nase verbreiten sich seine Fasern,<lb/>
so weit bekannt, nur auf die convexe Fläche der beiden obern Nasen-<lb/>
muscheln und den obern Theil der Scheidewand.</p><lb/>
            <p>Nach seiner Verletzung beim Menschen ist der Geruch vollkom-<lb/>
men zerstört, man darf ihn demnach für den einzigen Geruchsnerven<lb/>
ansprechen. Zudem scheint er auch ausschliesslich Geruchsnerv<lb/>
zu sein, da seine Verletzung bei Thieren keine Schmerzensäusserun-<lb/>
gen hervorruft.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Nervus opticus</hi><note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Longet</hi>, Anatomie et Physiologie du Système etc. II. 50. &#x2014; <hi rendition="#g">Todd</hi> and <hi rendition="#g">Bowmann</hi> l. c. 39.<lb/><hi rendition="#g">Foville</hi>, Anatomie du système cerebrospinal I. p. 510. &#x2014; <hi rendition="#g">Brücke</hi>, das Auge. Berlin 1817. &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">Kölliker</hi>, mikroskop. Anatomie II. 1. 480 u. 517. &#x2014; <hi rendition="#g">Hannover</hi>, im Jahresbericht über spe-<lb/>
cielle Anatomie für das Jahr 1851 v. <hi rendition="#g">Henle</hi> p. 61.</note>.</p><lb/>
            <p>Der Tractus und N. opticus bis zur Retina setzen sich aus fei-<lb/>
nen Nervenröhren zusammen; in seiner Ausbreitung als Retina fin-<lb/>
den sich Nuclearmassen und verzweigte Nervenzellen an die Nerven-<lb/>
röhren abgelagert. Der Ursprung des Tractus kann bis in die Vier-<lb/>
hügel, das corpus geniculatum externum und den Sehhügel verfolgt wer-<lb/>
den, auf seinem weiteren Verlauf legt er sich innigst an den Gross-<lb/>
hirnstamm, das tuber cinereum und die lamina terminalis an; ob er<lb/>
von diesen Gebilden Röhren aufnimmt, ist zweifelhaft. Im sogenannten<lb/>
chiasma findet eine theilweise Kreuzung der Nervenröhren statt, der<lb/>
Art, dass die nach aussen gelegenen jedes Tractus zum gleich-<lb/>
seitigen, die inneren eines jeden dagegen in den entgegengesetzt lie-<lb/>
genden Nervenstamm treten. Ausserdem laufen an der vordern und<lb/>
hintern Kante des Chiasma Commissurenfasern. Jeder N. opticus<lb/>
trägt demgemäss in beiden Augen zur Bildung der Retina bei.</p><lb/>
            <p>Die Verletzung des Sehnerven bedingt vollkommene Blindheit; die<lb/>
Durchschneidung des Stammes oder eine mechanische Verletzung der<lb/>
Ausbreitung erzeugt beim Menschen keine Schmerzempfindungen.</p><lb/>
            <p>Die Einsenkung und Kreuzung des Sehstreifens bis in die bezeichneten Stellen<lb/>
wird ausser der anatomischen Präparation durch pathologische Fälle constatirt, in<lb/>
welchen ein Schwinden des N. opticus in Folge einer Zerstörung der Retina eingetre-<lb/>
ten war; in ihnen findet sich, wenn die Verkümmerung über das Chiasma hinaus bis in<lb/>
den Sehstreifen sich erstreckt, entweder der gleich- oder der gegenseitige oder auch<lb/>
die beiden Streifen verändert. Diese wechselnd vorkommenden Resultate lassen sich<lb/>
nur aus obiger Hypothese erläutern, wenn sie noch den Zusatz erfährt, dass ein alle<lb/>
Röhren des Nerven vor dem Chiasma treffender pathologischer Zustand sich nicht<lb/>
gleichmässig durch das Chiasma hindurchzuerstrecken braucht. In einzelnen Fällen<lb/>
auffallenden Schwindens kann man die eingesunkenen Massen bis in die bezeichne-<lb/>
ten Hirnstellen verfolgen. &#x2014; Die relative Menge der gekreutzten und nicht ge-<lb/>
kreutzten Röhren fällt bei verschiedenen Thieren (wahrscheinlich je nach der Au-<lb/>
genstellung) sehr verschieden aus, weshalb die vergleichend anatomischen Thatsa-<lb/>
chen zu keinem Schluss für die menschliche Anatomie berechtigen. Ob die am hin-<lb/>
tern Rand gelegene Commissur des Chiasma in Beziehung zum Sehnerven steht, kann<lb/>
aus vergleichend anatomischen Gründen bezweifelt werden. S. <hi rendition="#g">Todd</hi> und <hi rendition="#g">Bow-<lb/>
mann</hi> loc. citat.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0169] N. opticus. verfolgen lassen. — Innerhalb der Nase verbreiten sich seine Fasern, so weit bekannt, nur auf die convexe Fläche der beiden obern Nasen- muscheln und den obern Theil der Scheidewand. Nach seiner Verletzung beim Menschen ist der Geruch vollkom- men zerstört, man darf ihn demnach für den einzigen Geruchsnerven ansprechen. Zudem scheint er auch ausschliesslich Geruchsnerv zu sein, da seine Verletzung bei Thieren keine Schmerzensäusserun- gen hervorruft. Nervus opticus *). Der Tractus und N. opticus bis zur Retina setzen sich aus fei- nen Nervenröhren zusammen; in seiner Ausbreitung als Retina fin- den sich Nuclearmassen und verzweigte Nervenzellen an die Nerven- röhren abgelagert. Der Ursprung des Tractus kann bis in die Vier- hügel, das corpus geniculatum externum und den Sehhügel verfolgt wer- den, auf seinem weiteren Verlauf legt er sich innigst an den Gross- hirnstamm, das tuber cinereum und die lamina terminalis an; ob er von diesen Gebilden Röhren aufnimmt, ist zweifelhaft. Im sogenannten chiasma findet eine theilweise Kreuzung der Nervenröhren statt, der Art, dass die nach aussen gelegenen jedes Tractus zum gleich- seitigen, die inneren eines jeden dagegen in den entgegengesetzt lie- genden Nervenstamm treten. Ausserdem laufen an der vordern und hintern Kante des Chiasma Commissurenfasern. Jeder N. opticus trägt demgemäss in beiden Augen zur Bildung der Retina bei. Die Verletzung des Sehnerven bedingt vollkommene Blindheit; die Durchschneidung des Stammes oder eine mechanische Verletzung der Ausbreitung erzeugt beim Menschen keine Schmerzempfindungen. Die Einsenkung und Kreuzung des Sehstreifens bis in die bezeichneten Stellen wird ausser der anatomischen Präparation durch pathologische Fälle constatirt, in welchen ein Schwinden des N. opticus in Folge einer Zerstörung der Retina eingetre- ten war; in ihnen findet sich, wenn die Verkümmerung über das Chiasma hinaus bis in den Sehstreifen sich erstreckt, entweder der gleich- oder der gegenseitige oder auch die beiden Streifen verändert. Diese wechselnd vorkommenden Resultate lassen sich nur aus obiger Hypothese erläutern, wenn sie noch den Zusatz erfährt, dass ein alle Röhren des Nerven vor dem Chiasma treffender pathologischer Zustand sich nicht gleichmässig durch das Chiasma hindurchzuerstrecken braucht. In einzelnen Fällen auffallenden Schwindens kann man die eingesunkenen Massen bis in die bezeichne- ten Hirnstellen verfolgen. — Die relative Menge der gekreutzten und nicht ge- kreutzten Röhren fällt bei verschiedenen Thieren (wahrscheinlich je nach der Au- genstellung) sehr verschieden aus, weshalb die vergleichend anatomischen Thatsa- chen zu keinem Schluss für die menschliche Anatomie berechtigen. Ob die am hin- tern Rand gelegene Commissur des Chiasma in Beziehung zum Sehnerven steht, kann aus vergleichend anatomischen Gründen bezweifelt werden. S. Todd und Bow- mann loc. citat. *) Longet, Anatomie et Physiologie du Système etc. II. 50. — Todd and Bowmann l. c. 39. Foville, Anatomie du système cerebrospinal I. p. 510. — Brücke, das Auge. Berlin 1817. — Kölliker, mikroskop. Anatomie II. 1. 480 u. 517. — Hannover, im Jahresbericht über spe- cielle Anatomie für das Jahr 1851 v. Henle p. 61.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/169
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/169>, abgerufen am 24.11.2024.