lonius! Aber's hat nichts zu sagen. Wird nicht lang dauern das! Fritz Nettenmair kaute an den Nägeln und übersah die Geberde, die ihn reizen sollte, zu fra¬ gen, wie der Gesell das meine mit dem nicht lang Dauern. Er ging nach der Wohnstube und fuhr im Gehen leise gegen einen Jemand auf, der nicht da war: Rechtschaffenheit? Geschäftskenntniß, wie der Alltagsrathsbaukerl sagt? Ich weiß, warum du dich aufdringst und einnistest, du Federchensucher! du Staub¬ wischer! Thu' unschuldig, wie du willst, ich -- er machte die Geberde, die hieß: "ich bin einer, der das Leben kennt und die Art, die lange Haare und Schür¬ zen trägt!" Damit wandte er sich nach der Thür, aber die Wendung war nicht jovial wie sonst. -- Wie Mancher meint die Welt zu kennen und kennt nur sich!
Der Geist des Hauses mit den grünen Fensterladen wußte mehr, als Apollonius Nettenmair, wußte mehr, als Alle. Er schaute Nachts durch das Fenster, wo Apollonius bei der Lampe noch immer an seinem Gut¬ achten schrieb. Auf das Papier vor dem jungen Manne fiel sein bleicher Schatten und der Schreibende athmete schwer auf, er wußte nicht, warum. Dann schritt er mit ängstlicher Geberde den Gang zum Schuppen hin, und der alte Hund an seiner Kette heulte im Schlafe und wußte nicht warum. Die junge Frau sah seine Hand über des Gatten Stirne fahren; sie erschrack, er erschrack mit und wußte nicht warum. Dem alten
lonius! Aber's hat nichts zu ſagen. Wird nicht lang dauern das! Fritz Nettenmair kaute an den Nägeln und überſah die Geberde, die ihn reizen ſollte, zu fra¬ gen, wie der Geſell das meine mit dem nicht lang Dauern. Er ging nach der Wohnſtube und fuhr im Gehen leiſe gegen einen Jemand auf, der nicht da war: Rechtſchaffenheit? Geſchäftskenntniß, wie der Alltagsrathsbaukerl ſagt? Ich weiß, warum du dich aufdringſt und einniſteſt, du Federchenſucher! du Staub¬ wiſcher! Thu' unſchuldig, wie du willſt, ich — er machte die Geberde, die hieß: „ich bin einer, der das Leben kennt und die Art, die lange Haare und Schür¬ zen trägt!“ Damit wandte er ſich nach der Thür, aber die Wendung war nicht jovial wie ſonſt. — Wie Mancher meint die Welt zu kennen und kennt nur ſich!
Der Geiſt des Hauſes mit den grünen Fenſterladen wußte mehr, als Apollonius Nettenmair, wußte mehr, als Alle. Er ſchaute Nachts durch das Fenſter, wo Apollonius bei der Lampe noch immer an ſeinem Gut¬ achten ſchrieb. Auf das Papier vor dem jungen Manne fiel ſein bleicher Schatten und der Schreibende athmete ſchwer auf, er wußte nicht, warum. Dann ſchritt er mit ängſtlicher Geberde den Gang zum Schuppen hin, und der alte Hund an ſeiner Kette heulte im Schlafe und wußte nicht warum. Die junge Frau ſah ſeine Hand über des Gatten Stirne fahren; ſie erſchrack, er erſchrack mit und wußte nicht warum. Dem alten
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lonius! Aber's hat nichts zu ſagen. Wird nicht lang
dauern das! Fritz Nettenmair kaute an den Nägeln
und überſah die Geberde, die ihn reizen ſollte, zu fra¬
gen, wie der Geſell das meine mit dem nicht lang
Dauern. Er ging nach der Wohnſtube und fuhr im
Gehen leiſe gegen einen Jemand auf, der nicht da
war: Rechtſchaffenheit? Geſchäftskenntniß, wie der
Alltagsrathsbaukerl ſagt? Ich weiß, warum du dich
aufdringſt und einniſteſt, du Federchenſucher! du Staub¬
wiſcher! Thu' unſchuldig, wie du willſt, ich — er
machte die Geberde, die hieß: „ich bin einer, der das
Leben kennt und die Art, die lange Haare und Schür¬
zen trägt!“ Damit wandte er ſich nach der Thür,
aber die Wendung war nicht jovial wie ſonſt. — Wie
Mancher meint die Welt zu kennen und kennt nur ſich!
Der Geiſt des Hauſes mit den grünen Fenſterladen
wußte mehr, als Apollonius Nettenmair, wußte mehr,
als Alle. Er ſchaute Nachts durch das Fenſter, wo
Apollonius bei der Lampe noch immer an ſeinem Gut¬
achten ſchrieb. Auf das Papier vor dem jungen Manne
fiel ſein bleicher Schatten und der Schreibende athmete
ſchwer auf, er wußte nicht, warum. Dann ſchritt er
mit ängſtlicher Geberde den Gang zum Schuppen hin,
und der alte Hund an ſeiner Kette heulte im Schlafe
und wußte nicht warum. Die junge Frau ſah ſeine
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/77>, abgerufen am 24.11.2024.
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