lung der morschen Stellen durch neue zu ersetzen. Ein Winter noch mußte den Zustand um weit mehr ver¬ schlimmern, als durch Verzögerung der Reparatur an Zinsen erspart wurde; denn diese konnte man ohne größten Schaden doch nur höchstens bis auf das nächste Jahr hinausschieben. Er führte die Versammelten an Stel¬ len, die zum Belege dienen konnten. Er zog nicht selbst den Schluß, sondern wußte mit der Kunst, die er vom Vetter gelernt, die Gegner zu zwingen, das für ihn zu thun. Das Vertrauen und die Achtung des Raths¬ bauherrn vor unserm Apollonius wuchs zusehends. Er wandte sich im weiteren Gespräche fast nur an ihn und schüttelte ihm herzlich die Hand, als er die Versammlung verließ. Er hoffte, Apollonius werde bei dem Werke, wenn es wie er nun nicht mehr zweifelte, die Geneh¬ migung des Raths erhielt, sich thätig betheiligen, und trug ihm auf, ein Gutachten abzufassen, auf welche Weise es am zweckmäßigsten anzugreifen sei. Apollo¬ nius dankte bescheiden für das Vertrauen, dem er wür¬ dig zu entsprechen suchen wolle. Ueber seine Mitthätig¬ keit bei der Arbeit selbst, entgegnete er, habe sein Vater als Meister zu entscheiden. Ich gehe gleich mit Ihnen, sagte der Rathsbauherr, und spreche mit ihm.
Hatte gleich der Bruder das Geschäft bis jetzt ge¬ leitet und wurde er auch von den bedeutenden Leuten als Meister anerkannt und behandelt, er war es noch nicht. Der Alte hatte ihn so wenig Meister werden
lung der morſchen Stellen durch neue zu erſetzen. Ein Winter noch mußte den Zuſtand um weit mehr ver¬ ſchlimmern, als durch Verzögerung der Reparatur an Zinſen erſpart wurde; denn dieſe konnte man ohne größten Schaden doch nur höchſtens bis auf das nächſte Jahr hinausſchieben. Er führte die Verſammelten an Stel¬ len, die zum Belege dienen konnten. Er zog nicht ſelbſt den Schluß, ſondern wußte mit der Kunſt, die er vom Vetter gelernt, die Gegner zu zwingen, das für ihn zu thun. Das Vertrauen und die Achtung des Raths¬ bauherrn vor unſerm Apollonius wuchs zuſehends. Er wandte ſich im weiteren Geſpräche faſt nur an ihn und ſchüttelte ihm herzlich die Hand, als er die Verſammlung verließ. Er hoffte, Apollonius werde bei dem Werke, wenn es wie er nun nicht mehr zweifelte, die Geneh¬ migung des Raths erhielt, ſich thätig betheiligen, und trug ihm auf, ein Gutachten abzufaſſen, auf welche Weiſe es am zweckmäßigſten anzugreifen ſei. Apollo¬ nius dankte beſcheiden für das Vertrauen, dem er wür¬ dig zu entſprechen ſuchen wolle. Ueber ſeine Mitthätig¬ keit bei der Arbeit ſelbſt, entgegnete er, habe ſein Vater als Meiſter zu entſcheiden. Ich gehe gleich mit Ihnen, ſagte der Rathsbauherr, und ſpreche mit ihm.
Hatte gleich der Bruder das Geſchäft bis jetzt ge¬ leitet und wurde er auch von den bedeutenden Leuten als Meiſter anerkannt und behandelt, er war es noch nicht. Der Alte hatte ihn ſo wenig Meiſter werden
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lung der morſchen Stellen durch neue zu erſetzen. Ein
Winter noch mußte den Zuſtand um weit mehr ver¬
ſchlimmern, als durch Verzögerung der Reparatur an
Zinſen erſpart wurde; denn dieſe konnte man ohne
größten Schaden doch nur höchſtens bis auf das nächſte
Jahr hinausſchieben. Er führte die Verſammelten an Stel¬
len, die zum Belege dienen konnten. Er zog nicht ſelbſt
den Schluß, ſondern wußte mit der Kunſt, die er vom
Vetter gelernt, die Gegner zu zwingen, das für ihn zu
thun. Das Vertrauen und die Achtung des Raths¬
bauherrn vor unſerm Apollonius wuchs zuſehends. Er
wandte ſich im weiteren Geſpräche faſt nur an ihn und
ſchüttelte ihm herzlich die Hand, als er die Verſammlung
verließ. Er hoffte, Apollonius werde bei dem Werke,
wenn es wie er nun nicht mehr zweifelte, die Geneh¬
migung des Raths erhielt, ſich thätig betheiligen, und
trug ihm auf, ein Gutachten abzufaſſen, auf welche
Weiſe es am zweckmäßigſten anzugreifen ſei. Apollo¬
nius dankte beſcheiden für das Vertrauen, dem er wür¬
dig zu entſprechen ſuchen wolle. Ueber ſeine Mitthätig¬
keit bei der Arbeit ſelbſt, entgegnete er, habe ſein Vater
als Meiſter zu entſcheiden. Ich gehe gleich mit Ihnen,
ſagte der Rathsbauherr, und ſpreche mit ihm.
Hatte gleich der Bruder das Geſchäft bis jetzt ge¬
leitet und wurde er auch von den bedeutenden Leuten
als Meiſter anerkannt und behandelt, er war es noch
nicht. Der Alte hatte ihn ſo wenig Meiſter werden
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/72>, abgerufen am 22.11.2024.
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