Dankespflicht zur sorglichsten Pflegerin des Kranken bestimmt hatte, rief Apollonius nicht an sein Bett, und sie wagte nicht, ungerufen zu kommen. Die ganze Dauer der Krankheit hindurch hatte sie ihr Lager auf der engen Emporlaube aufgeschlagen, um dem Kranken so nah zu sein, als möglich. Wenn der Kranke schlief, winkte ihr der alte Bauherr, hereinzutreten. Dann stand sie mit gefalteten Händen, jeden Athemzug des Schlafenden mit Sorge und Hoffnung begleitend, an dem Bettschirm. Unwillkürlich nahm ihr leiser Athem den Schritt des seinen an. Sie stand stundenlang und sah durch einen Riß im Bettschirm nach dem Kranken hin. Er wußte nichts von ihrer Anwesenheit, und doch konnte der Bauherr bemerken, wie leichter sein Schlaf, wie lächelnder sein Gesicht dann war. Keine Flasche, aus der der Kranke einnehmen sollte, die er nicht, ohne es zu wissen, aus ihrer Hand be¬ kam. Kein Pflaster, kein Ueberschlag, den nicht sie bereitet; kein Tuch berührte den Kranken, das sie nicht an ihrer Brust, an ihrem küssenden Munde erwärmt. Wenn er dann mit dem Bauherrn von ihr sprach, sah sie, er war mehr um sie besorgt, als um sich; wenn er freundlich tröstende Grüße an sie auftrug, zitterte sie hinter dem Bettschirm vor Freude. Wenig Stunden ruhte sie, und wehte der kalte Winternachtwind durch die locker schließenden Laden die kalten Flocken in ihr warmes Gesicht, berührte ihr eigener Hauch, auf der
Dankespflicht zur ſorglichſten Pflegerin des Kranken beſtimmt hatte, rief Apollonius nicht an ſein Bett, und ſie wagte nicht, ungerufen zu kommen. Die ganze Dauer der Krankheit hindurch hatte ſie ihr Lager auf der engen Emporlaube aufgeſchlagen, um dem Kranken ſo nah zu ſein, als möglich. Wenn der Kranke ſchlief, winkte ihr der alte Bauherr, hereinzutreten. Dann ſtand ſie mit gefalteten Händen, jeden Athemzug des Schlafenden mit Sorge und Hoffnung begleitend, an dem Bettſchirm. Unwillkürlich nahm ihr leiſer Athem den Schritt des ſeinen an. Sie ſtand ſtundenlang und ſah durch einen Riß im Bettſchirm nach dem Kranken hin. Er wußte nichts von ihrer Anweſenheit, und doch konnte der Bauherr bemerken, wie leichter ſein Schlaf, wie lächelnder ſein Geſicht dann war. Keine Flaſche, aus der der Kranke einnehmen ſollte, die er nicht, ohne es zu wiſſen, aus ihrer Hand be¬ kam. Kein Pflaſter, kein Ueberſchlag, den nicht ſie bereitet; kein Tuch berührte den Kranken, das ſie nicht an ihrer Bruſt, an ihrem küſſenden Munde erwärmt. Wenn er dann mit dem Bauherrn von ihr ſprach, ſah ſie, er war mehr um ſie beſorgt, als um ſich; wenn er freundlich tröſtende Grüße an ſie auftrug, zitterte ſie hinter dem Bettſchirm vor Freude. Wenig Stunden ruhte ſie, und wehte der kalte Winternachtwind durch die locker ſchließenden Laden die kalten Flocken in ihr warmes Geſicht, berührte ihr eigener Hauch, auf der
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Dankespflicht zur ſorglichſten Pflegerin des Kranken
beſtimmt hatte, rief Apollonius nicht an ſein Bett, und
ſie wagte nicht, ungerufen zu kommen. Die ganze
Dauer der Krankheit hindurch hatte ſie ihr Lager auf
der engen Emporlaube aufgeſchlagen, um dem Kranken
ſo nah zu ſein, als möglich. Wenn der Kranke ſchlief,
winkte ihr der alte Bauherr, hereinzutreten. Dann
ſtand ſie mit gefalteten Händen, jeden Athemzug des
Schlafenden mit Sorge und Hoffnung begleitend, an
dem Bettſchirm. Unwillkürlich nahm ihr leiſer Athem
den Schritt des ſeinen an. Sie ſtand ſtundenlang
und ſah durch einen Riß im Bettſchirm nach dem
Kranken hin. Er wußte nichts von ihrer Anweſenheit,
und doch konnte der Bauherr bemerken, wie leichter
ſein Schlaf, wie lächelnder ſein Geſicht dann war.
Keine Flaſche, aus der der Kranke einnehmen ſollte,
die er nicht, ohne es zu wiſſen, aus ihrer Hand be¬
kam. Kein Pflaſter, kein Ueberſchlag, den nicht ſie
bereitet; kein Tuch berührte den Kranken, das ſie nicht
an ihrer Bruſt, an ihrem küſſenden Munde erwärmt.
Wenn er dann mit dem Bauherrn von ihr ſprach, ſah
ſie, er war mehr um ſie beſorgt, als um ſich; wenn er
freundlich tröſtende Grüße an ſie auftrug, zitterte ſie
hinter dem Bettſchirm vor Freude. Wenig Stunden
ruhte ſie, und wehte der kalte Winternachtwind durch
die locker ſchließenden Laden die kalten Flocken in ihr
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/325>, abgerufen am 22.11.2024.
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