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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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nende Schlacken straßenweit durch die Luft fliegend
schon oft einen beginnenden Brand im Augenblick über
eine ganze Stadt verbreitet hatten. Andere klagten,
wie der Sturm einen möglichen Brand begünstige, und
daß kein Wasser zum Löschen vorhanden sei. Noch
Andere: und wär' welches vorhanden, so würde es
vor der Kälte in den Spritzen und Schläuchen gefrie¬
ren. Die Meisten stellten in angstvoller Beredsamkeit
den Gang dar, den der Brand nehmen würde. Stürzte
das brennende Dachgebälk, so trieb es der Sturm da¬
hin, wo eine dichte Häusermasse fast an den Thurm
stieß. Hier war die feuergefährlichste Stelle der gan¬
zen Stadt. Zahllose hölzerne Emporlauben in engen
Höfen, breterne Dachgiebel, schindelngedeckte Schuppen,
Alles so zusammengepreßt, daß nirgends eine Spritze
hineinzubringen, nirgends eine Löschmannschaft mit
Erfolg anzustellen war. Stürzte das brennende Dach¬
gebälke, wie es nicht anders möglich war, nach dieser
Seite, so war das ganze Stadtviertel, das vor dem
Winde lag, bei dem Sturm und Wassermangel un¬
rettbar verloren. Diese Auseinandersetzungen brachten
Aengstlichere so aus der Fassung, daß jeder neue Blitz
ihnen die ausbrechende Flamme schien. Daß Jeder
nur eine Seite der Thurmdachfläche übersehen konnte,
begünstigte die Fortpflanzung des Irrthums. Es war
wunderlich, aber man hörte nun von allen Seiten zu¬

nende Schlacken ſtraßenweit durch die Luft fliegend
ſchon oft einen beginnenden Brand im Augenblick über
eine ganze Stadt verbreitet hatten. Andere klagten,
wie der Sturm einen möglichen Brand begünſtige, und
daß kein Waſſer zum Löſchen vorhanden ſei. Noch
Andere: und wär' welches vorhanden, ſo würde es
vor der Kälte in den Spritzen und Schläuchen gefrie¬
ren. Die Meiſten ſtellten in angſtvoller Beredſamkeit
den Gang dar, den der Brand nehmen würde. Stürzte
das brennende Dachgebälk, ſo trieb es der Sturm da¬
hin, wo eine dichte Häuſermaſſe faſt an den Thurm
ſtieß. Hier war die feuergefährlichſte Stelle der gan¬
zen Stadt. Zahlloſe hölzerne Emporlauben in engen
Höfen, breterne Dachgiebel, ſchindelngedeckte Schuppen,
Alles ſo zuſammengepreßt, daß nirgends eine Spritze
hineinzubringen, nirgends eine Löſchmannſchaft mit
Erfolg anzuſtellen war. Stürzte das brennende Dach¬
gebälke, wie es nicht anders möglich war, nach dieſer
Seite, ſo war das ganze Stadtviertel, das vor dem
Winde lag, bei dem Sturm und Waſſermangel un¬
rettbar verloren. Dieſe Auseinanderſetzungen brachten
Aengſtlichere ſo aus der Faſſung, daß jeder neue Blitz
ihnen die ausbrechende Flamme ſchien. Daß Jeder
nur eine Seite der Thurmdachfläche überſehen konnte,
begünſtigte die Fortpflanzung des Irrthums. Es war
wunderlich, aber man hörte nun von allen Seiten zu¬

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[294/0303] nende Schlacken ſtraßenweit durch die Luft fliegend ſchon oft einen beginnenden Brand im Augenblick über eine ganze Stadt verbreitet hatten. Andere klagten, wie der Sturm einen möglichen Brand begünſtige, und daß kein Waſſer zum Löſchen vorhanden ſei. Noch Andere: und wär' welches vorhanden, ſo würde es vor der Kälte in den Spritzen und Schläuchen gefrie¬ ren. Die Meiſten ſtellten in angſtvoller Beredſamkeit den Gang dar, den der Brand nehmen würde. Stürzte das brennende Dachgebälk, ſo trieb es der Sturm da¬ hin, wo eine dichte Häuſermaſſe faſt an den Thurm ſtieß. Hier war die feuergefährlichſte Stelle der gan¬ zen Stadt. Zahlloſe hölzerne Emporlauben in engen Höfen, breterne Dachgiebel, ſchindelngedeckte Schuppen, Alles ſo zuſammengepreßt, daß nirgends eine Spritze hineinzubringen, nirgends eine Löſchmannſchaft mit Erfolg anzuſtellen war. Stürzte das brennende Dach¬ gebälke, wie es nicht anders möglich war, nach dieſer Seite, ſo war das ganze Stadtviertel, das vor dem Winde lag, bei dem Sturm und Waſſermangel un¬ rettbar verloren. Dieſe Auseinanderſetzungen brachten Aengſtlichere ſo aus der Faſſung, daß jeder neue Blitz ihnen die ausbrechende Flamme ſchien. Daß Jeder nur eine Seite der Thurmdachfläche überſehen konnte, begünſtigte die Fortpflanzung des Irrthums. Es war wunderlich, aber man hörte nun von allen Seiten zu¬

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/303>, abgerufen am 25.11.2024.