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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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der Erde und seinen schwärzlichen Scheinen. Die
ganze Masse stand regungslos über der Stadt. Die
Schwärze wuchs. Schon zwei Stunden nach Mittag
war es Nacht in den Straßen. Die Bewohner der
Untergeschosse schlossen die Laden; in den Fenstern
der höhern Stockwerke blitzte Licht um Licht auf. Auf
den Plätzen der Stadt, die ein größeres Stück Him¬
mel zu übersehn erlaubten, standen Gruppen von Men¬
schen zusammen und sahen bald nach allen Seiten
aufwärts, bald sich in die langen, bedenklichen Gesich¬
ter. Sie erzählten sich von den Raben, die in großen
Zügen bis in die Vorstädte hereingekommen waren,
zeigten auf das tiefe, unruhige, stoßende Geflatter der
Dohlen um Sankt Georg und Sankt Nikolaus, spra¬
chen von Erdbeben, Bergstürzen, wohl auch vom jüng¬
sten Tage. Die Muthigeren meinten, es sei nur ein
starkes Gewitter. Aber auch das erschien bedenklich ge¬
nug. Der Fluß und der sogenannte Feuerdeich, des¬
sen Wasser auf unterirdischen Wegen augenblicklich je¬
dem Theile der Stadt zugeleitet werden konnte, waren
beide gefroren. Manche hofften, die Gefahr werde
vorübergehn. Aber so oft sie hinaufsahen, die dunkle
Masse rückte nicht von der Stelle. Zwei Stunden
nach Mittage hatte sie schon so gestanden; gegen Mit¬
ternacht stand sie noch unverändert so. Nur schwerer,
schien es, war sie geworden und hatte sich tiefer her¬
abgesenkt. Wie sollte sie auch rücken? da nicht ein

der Erde und ſeinen ſchwärzlichen Scheinen. Die
ganze Maſſe ſtand regungslos über der Stadt. Die
Schwärze wuchs. Schon zwei Stunden nach Mittag
war es Nacht in den Straßen. Die Bewohner der
Untergeſchoſſe ſchloſſen die Laden; in den Fenſtern
der höhern Stockwerke blitzte Licht um Licht auf. Auf
den Plätzen der Stadt, die ein größeres Stück Him¬
mel zu überſehn erlaubten, ſtanden Gruppen von Men¬
ſchen zuſammen und ſahen bald nach allen Seiten
aufwärts, bald ſich in die langen, bedenklichen Geſich¬
ter. Sie erzählten ſich von den Raben, die in großen
Zügen bis in die Vorſtädte hereingekommen waren,
zeigten auf das tiefe, unruhige, ſtoßende Geflatter der
Dohlen um Sankt Georg und Sankt Nikolaus, ſpra¬
chen von Erdbeben, Bergſtürzen, wohl auch vom jüng¬
ſten Tage. Die Muthigeren meinten, es ſei nur ein
ſtarkes Gewitter. Aber auch das erſchien bedenklich ge¬
nug. Der Fluß und der ſogenannte Feuerdeich, deſ¬
ſen Waſſer auf unterirdiſchen Wegen augenblicklich je¬
dem Theile der Stadt zugeleitet werden konnte, waren
beide gefroren. Manche hofften, die Gefahr werde
vorübergehn. Aber ſo oft ſie hinaufſahen, die dunkle
Maſſe rückte nicht von der Stelle. Zwei Stunden
nach Mittage hatte ſie ſchon ſo geſtanden; gegen Mit¬
ternacht ſtand ſie noch unverändert ſo. Nur ſchwerer,
ſchien es, war ſie geworden und hatte ſich tiefer her¬
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[286/0295] der Erde und ſeinen ſchwärzlichen Scheinen. Die ganze Maſſe ſtand regungslos über der Stadt. Die Schwärze wuchs. Schon zwei Stunden nach Mittag war es Nacht in den Straßen. Die Bewohner der Untergeſchoſſe ſchloſſen die Laden; in den Fenſtern der höhern Stockwerke blitzte Licht um Licht auf. Auf den Plätzen der Stadt, die ein größeres Stück Him¬ mel zu überſehn erlaubten, ſtanden Gruppen von Men¬ ſchen zuſammen und ſahen bald nach allen Seiten aufwärts, bald ſich in die langen, bedenklichen Geſich¬ ter. Sie erzählten ſich von den Raben, die in großen Zügen bis in die Vorſtädte hereingekommen waren, zeigten auf das tiefe, unruhige, ſtoßende Geflatter der Dohlen um Sankt Georg und Sankt Nikolaus, ſpra¬ chen von Erdbeben, Bergſtürzen, wohl auch vom jüng¬ ſten Tage. Die Muthigeren meinten, es ſei nur ein ſtarkes Gewitter. Aber auch das erſchien bedenklich ge¬ nug. Der Fluß und der ſogenannte Feuerdeich, deſ¬ ſen Waſſer auf unterirdiſchen Wegen augenblicklich je¬ dem Theile der Stadt zugeleitet werden konnte, waren beide gefroren. Manche hofften, die Gefahr werde vorübergehn. Aber ſo oft ſie hinaufſahen, die dunkle Maſſe rückte nicht von der Stelle. Zwei Stunden nach Mittage hatte ſie ſchon ſo geſtanden; gegen Mit¬ ternacht ſtand ſie noch unverändert ſo. Nur ſchwerer, ſchien es, war ſie geworden und hatte ſich tiefer her¬ abgeſenkt. Wie ſollte ſie auch rücken? da nicht ein

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/295>, abgerufen am 25.11.2024.