Dann fällt ihm ein, ob's nicht möglich gewesen, den Wahnsinnigen zu retten. Dann suchte er ängstlich nach den Möglichkeiten, wie der Bruder zu retten ge¬ wesen, und schreckte doch zurück, dachte er, er könnte eine finden. So hatte ihn des Bruders Schuld aus seinen Fugen gezerrt. Aber auch in seinem Brüten zeigte sich noch der Gegensatz zu seines Bruders Natur. In jenem überwucherte die Selbstsucht, die schlimme Anlage; in Apollonius überspannte sich, was Gutes in ihm war, seine Gewissenhaftigkeit, Anhänglichkeit und sein Sauberkeitsbedürfniß. Er wälzte nicht seine Schuld ab von sich auf den Bruder; er hob mit lie¬ bender Hand die Schuld des Bruders herüber auf sich. Denn immer klarer wird es ihm, daß er den Bruder noch zuletzt vor dem Sturze retten konnte. Er hätte die Wege, die es gab, damals finden müssen, war sein Herz und Kopf nicht voll von den wilden verbotenen Wünschen; hätte er dem Wahnsinnigen nicht gezürnt, den er bedauern sollen. Ja, er hatte dem Bruder das Unheil fertig gehämmert mit seinen bösen Gedanken. Ohne die Gedanken war er früher mit seiner Arbeit fertig und der Bruder fand ihn nicht mehr auf dem Thurme; der Bruder kam zu spät und gewann Zeit, seinen Entschluß zu bereu'n. Und war er noch oben, so war er der Stärkere, der Besonnenere, und mußte Mittel finden, das Unheil zu verhindern. Auch im äußeren Benehmen zeigte sich dieser Gegensatz mit dem
Dann fällt ihm ein, ob's nicht möglich geweſen, den Wahnſinnigen zu retten. Dann ſuchte er ängſtlich nach den Möglichkeiten, wie der Bruder zu retten ge¬ weſen, und ſchreckte doch zurück, dachte er, er könnte eine finden. So hatte ihn des Bruders Schuld aus ſeinen Fugen gezerrt. Aber auch in ſeinem Brüten zeigte ſich noch der Gegenſatz zu ſeines Bruders Natur. In jenem überwucherte die Selbſtſucht, die ſchlimme Anlage; in Apollonius überſpannte ſich, was Gutes in ihm war, ſeine Gewiſſenhaftigkeit, Anhänglichkeit und ſein Sauberkeitsbedürfniß. Er wälzte nicht ſeine Schuld ab von ſich auf den Bruder; er hob mit lie¬ bender Hand die Schuld des Bruders herüber auf ſich. Denn immer klarer wird es ihm, daß er den Bruder noch zuletzt vor dem Sturze retten konnte. Er hätte die Wege, die es gab, damals finden müſſen, war ſein Herz und Kopf nicht voll von den wilden verbotenen Wünſchen; hätte er dem Wahnſinnigen nicht gezürnt, den er bedauern ſollen. Ja, er hatte dem Bruder das Unheil fertig gehämmert mit ſeinen böſen Gedanken. Ohne die Gedanken war er früher mit ſeiner Arbeit fertig und der Bruder fand ihn nicht mehr auf dem Thurme; der Bruder kam zu ſpät und gewann Zeit, ſeinen Entſchluß zu bereu'n. Und war er noch oben, ſo war er der Stärkere, der Beſonnenere, und mußte Mittel finden, das Unheil zu verhindern. Auch im äußeren Benehmen zeigte ſich dieſer Gegenſatz mit dem
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Dann fällt ihm ein, ob's nicht möglich geweſen, den
Wahnſinnigen zu retten. Dann ſuchte er ängſtlich
nach den Möglichkeiten, wie der Bruder zu retten ge¬
weſen, und ſchreckte doch zurück, dachte er, er könnte
eine finden. So hatte ihn des Bruders Schuld aus
ſeinen Fugen gezerrt. Aber auch in ſeinem Brüten
zeigte ſich noch der Gegenſatz zu ſeines Bruders Natur.
In jenem überwucherte die Selbſtſucht, die ſchlimme
Anlage; in Apollonius überſpannte ſich, was Gutes
in ihm war, ſeine Gewiſſenhaftigkeit, Anhänglichkeit
und ſein Sauberkeitsbedürfniß. Er wälzte nicht ſeine
Schuld ab von ſich auf den Bruder; er hob mit lie¬
bender Hand die Schuld des Bruders herüber auf ſich.
Denn immer klarer wird es ihm, daß er den Bruder
noch zuletzt vor dem Sturze retten konnte. Er hätte
die Wege, die es gab, damals finden müſſen, war ſein
Herz und Kopf nicht voll von den wilden verbotenen
Wünſchen; hätte er dem Wahnſinnigen nicht gezürnt,
den er bedauern ſollen. Ja, er hatte dem Bruder das
Unheil fertig gehämmert mit ſeinen böſen Gedanken.
Ohne die Gedanken war er früher mit ſeiner Arbeit
fertig und der Bruder fand ihn nicht mehr auf dem
Thurme; der Bruder kam zu ſpät und gewann Zeit,
ſeinen Entſchluß zu bereu'n. Und war er noch oben,
ſo war er der Stärkere, der Beſonnenere, und mußte
Mittel finden, das Unheil zu verhindern. Auch im
äußeren Benehmen zeigte ſich dieſer Gegenſatz mit dem
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/287>, abgerufen am 25.11.2024.
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