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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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Einhalt zu thun, als die Erscheinung des Mädchens
selbst ihm alles Andere verdunkelte. Leise und allein
wie vorhin kam sie aus der Thüre geschritten. Unter
dem Tuche, mit dem sie sich Kühlung zuwehte, schien
sie verstohlen um sich zu seh'n. Er sah wieder ihre
Wangen röther werden. Hatte sie ihn geseh'n? Aber
sie wandte ihr Gesicht nach der entgegengesetzten Seite.
Sie schien etwas zu suchen im Grase vor ihr. Er sah,
wie sie eine kleine Blume pflückte, diese auf eine Bank
legte und, nachdem sie eine Weile wie zweifelnd gestan¬
den, ob sie die Blume wieder aufnehmen sollte, wie
mit schnellem Entschluß sich wieder nach der Thür
wandte. Eine halb unwillkührliche Armbewegung schien
zu sagen: mag er sie nehmen; sie ist für ihn gepflückt.
Wieder wogte es roth herauf bis an das dunkelbraune
Haar und die Hast, mit der sie in der Thüre verschwand,
schien einer Reue vorbeugen zu sollen, die die Sorge
erzeugen konnte, wie ihr Thun verstanden werden würde.

Der Bruder, der von allem dem nichts zu gewahren
schien, hatte noch in seiner lebendigen, heftigen Weise
fortgesprochen; seine Worte waren verloren; unser Held
hätte zwei Leben haben müssen, sie zu hören, denn das
eine, das er besaß, war in seinen Augen. Jetzt sah
er den Bruder nach dem Saale stürmen. Zu spät kam
ihm der Gedanke, ihn zurückzuhalten. Er eilte ihm
vergeblich nach bis zur Thüre. Dort nahm ihn die
Blume, die das Mädchen für einen Finder hingelegt,

Einhalt zu thun, als die Erſcheinung des Mädchens
ſelbſt ihm alles Andere verdunkelte. Leiſe und allein
wie vorhin kam ſie aus der Thüre geſchritten. Unter
dem Tuche, mit dem ſie ſich Kühlung zuwehte, ſchien
ſie verſtohlen um ſich zu ſeh'n. Er ſah wieder ihre
Wangen röther werden. Hatte ſie ihn geſeh'n? Aber
ſie wandte ihr Geſicht nach der entgegengeſetzten Seite.
Sie ſchien etwas zu ſuchen im Graſe vor ihr. Er ſah,
wie ſie eine kleine Blume pflückte, dieſe auf eine Bank
legte und, nachdem ſie eine Weile wie zweifelnd geſtan¬
den, ob ſie die Blume wieder aufnehmen ſollte, wie
mit ſchnellem Entſchluß ſich wieder nach der Thür
wandte. Eine halb unwillkührliche Armbewegung ſchien
zu ſagen: mag er ſie nehmen; ſie iſt für ihn gepflückt.
Wieder wogte es roth herauf bis an das dunkelbraune
Haar und die Haſt, mit der ſie in der Thüre verſchwand,
ſchien einer Reue vorbeugen zu ſollen, die die Sorge
erzeugen konnte, wie ihr Thun verſtanden werden würde.

Der Bruder, der von allem dem nichts zu gewahren
ſchien, hatte noch in ſeiner lebendigen, heftigen Weiſe
fortgeſprochen; ſeine Worte waren verloren; unſer Held
hätte zwei Leben haben müſſen, ſie zu hören, denn das
eine, das er beſaß, war in ſeinen Augen. Jetzt ſah
er den Bruder nach dem Saale ſtürmen. Zu ſpät kam
ihm der Gedanke, ihn zurückzuhalten. Er eilte ihm
vergeblich nach bis zur Thüre. Dort nahm ihn die
Blume, die das Mädchen für einen Finder hingelegt,

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[18/0027] Einhalt zu thun, als die Erſcheinung des Mädchens ſelbſt ihm alles Andere verdunkelte. Leiſe und allein wie vorhin kam ſie aus der Thüre geſchritten. Unter dem Tuche, mit dem ſie ſich Kühlung zuwehte, ſchien ſie verſtohlen um ſich zu ſeh'n. Er ſah wieder ihre Wangen röther werden. Hatte ſie ihn geſeh'n? Aber ſie wandte ihr Geſicht nach der entgegengeſetzten Seite. Sie ſchien etwas zu ſuchen im Graſe vor ihr. Er ſah, wie ſie eine kleine Blume pflückte, dieſe auf eine Bank legte und, nachdem ſie eine Weile wie zweifelnd geſtan¬ den, ob ſie die Blume wieder aufnehmen ſollte, wie mit ſchnellem Entſchluß ſich wieder nach der Thür wandte. Eine halb unwillkührliche Armbewegung ſchien zu ſagen: mag er ſie nehmen; ſie iſt für ihn gepflückt. Wieder wogte es roth herauf bis an das dunkelbraune Haar und die Haſt, mit der ſie in der Thüre verſchwand, ſchien einer Reue vorbeugen zu ſollen, die die Sorge erzeugen konnte, wie ihr Thun verſtanden werden würde. Der Bruder, der von allem dem nichts zu gewahren ſchien, hatte noch in ſeiner lebendigen, heftigen Weiſe fortgeſprochen; ſeine Worte waren verloren; unſer Held hätte zwei Leben haben müſſen, ſie zu hören, denn das eine, das er beſaß, war in ſeinen Augen. Jetzt ſah er den Bruder nach dem Saale ſtürmen. Zu ſpät kam ihm der Gedanke, ihn zurückzuhalten. Er eilte ihm vergeblich nach bis zur Thüre. Dort nahm ihn die Blume, die das Mädchen für einen Finder hingelegt,

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/27>, abgerufen am 24.11.2024.