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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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unter der Berührung und wie sie noch auf den Knieen
lag, stieg ihr Gedanke zu ihm auf wie ein Gebet. Er
führte sie an die Thüre. Vom Schuppen her kam
Herr Nettenmair mit dem Gesellen. Fritz Nettenmair,
der ihnen nachschlich, sah noch, wie er sie führte.


Nichts von alledem, was er heute gewollt und was
er heute gelitten, stand in Herrn Nettenmairs ver¬
knöchertem Antlitz zu lesen, als er heimkam. Die junge
Frau und Valentin mußten eine Predigt über grund¬
lose Einbildungen anhören; denn die Geschichte hatte
sich ausgewiesen, wie sie war, nicht wie sie der Valen¬
tin zusammengeängstelt hatte. Der Reise Fritz Netten¬
mairs gedachte er als eines lang von demselben geheg¬
ten, aber von ihm erst heute genehmigten Vorhabens.
Apollonius erhielt den Befehl, sogleich mit den Geschäfts-
Büchern auf des alten Herrn Stube zu kommen. Der
alte Herr gab vor, er wollte den Stand des Geschäftes
genau kennen lernen. Sein wahrer Zweck dabei war,
Apollonius so lange bei sich in Sicherheit zu behalten,
bis sein Bruder abgereiset sei. Apollonius konnte,
ohne wegen der nächsten laufenden Ausgaben in Ver¬
legenheit zu kommen, das Geld zu des Bruders Reise
bis Hamburg beschaffen. Dort wußte er einen frühern
Kölner Freund, der sich in sehr guten Verhältnissen

unter der Berührung und wie ſie noch auf den Knieen
lag, ſtieg ihr Gedanke zu ihm auf wie ein Gebet. Er
führte ſie an die Thüre. Vom Schuppen her kam
Herr Nettenmair mit dem Geſellen. Fritz Nettenmair,
der ihnen nachſchlich, ſah noch, wie er ſie führte.


Nichts von alledem, was er heute gewollt und was
er heute gelitten, ſtand in Herrn Nettenmairs ver¬
knöchertem Antlitz zu leſen, als er heimkam. Die junge
Frau und Valentin mußten eine Predigt über grund¬
loſe Einbildungen anhören; denn die Geſchichte hatte
ſich ausgewieſen, wie ſie war, nicht wie ſie der Valen¬
tin zuſammengeängſtelt hatte. Der Reiſe Fritz Netten¬
mairs gedachte er als eines lang von demſelben geheg¬
ten, aber von ihm erſt heute genehmigten Vorhabens.
Apollonius erhielt den Befehl, ſogleich mit den Geſchäfts-
Büchern auf des alten Herrn Stube zu kommen. Der
alte Herr gab vor, er wollte den Stand des Geſchäftes
genau kennen lernen. Sein wahrer Zweck dabei war,
Apollonius ſo lange bei ſich in Sicherheit zu behalten,
bis ſein Bruder abgereiſet ſei. Apollonius konnte,
ohne wegen der nächſten laufenden Ausgaben in Ver¬
legenheit zu kommen, das Geld zu des Bruders Reiſe
bis Hamburg beſchaffen. Dort wußte er einen frühern
Kölner Freund, der ſich in ſehr guten Verhältniſſen

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[240/0249] unter der Berührung und wie ſie noch auf den Knieen lag, ſtieg ihr Gedanke zu ihm auf wie ein Gebet. Er führte ſie an die Thüre. Vom Schuppen her kam Herr Nettenmair mit dem Geſellen. Fritz Nettenmair, der ihnen nachſchlich, ſah noch, wie er ſie führte. Nichts von alledem, was er heute gewollt und was er heute gelitten, ſtand in Herrn Nettenmairs ver¬ knöchertem Antlitz zu leſen, als er heimkam. Die junge Frau und Valentin mußten eine Predigt über grund¬ loſe Einbildungen anhören; denn die Geſchichte hatte ſich ausgewieſen, wie ſie war, nicht wie ſie der Valen¬ tin zuſammengeängſtelt hatte. Der Reiſe Fritz Netten¬ mairs gedachte er als eines lang von demſelben geheg¬ ten, aber von ihm erſt heute genehmigten Vorhabens. Apollonius erhielt den Befehl, ſogleich mit den Geſchäfts- Büchern auf des alten Herrn Stube zu kommen. Der alte Herr gab vor, er wollte den Stand des Geſchäftes genau kennen lernen. Sein wahrer Zweck dabei war, Apollonius ſo lange bei ſich in Sicherheit zu behalten, bis ſein Bruder abgereiſet ſei. Apollonius konnte, ohne wegen der nächſten laufenden Ausgaben in Ver¬ legenheit zu kommen, das Geld zu des Bruders Reiſe bis Hamburg beſchaffen. Dort wußte er einen frühern Kölner Freund, der ſich in ſehr guten Verhältniſſen

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/249>, abgerufen am 29.11.2024.