gebraucht. Sie machte sich zum Ausgehn fertig. Ihr Wesen hatte etwas feierlich Entschiedenes angenommen. Valentin sah's mit Erstaunen und Sorge. Ihm fiel seine Verantwortlichkeit ein. Er fragte ängstlich, sie wolle doch nicht fort? Sie nickte mit dem Kopfe. "Aber ich darf sie nicht fortlassen," sagte er. "Der alte Herr hat mir's mit Ketten auf die Seele gebun¬ den." ""Ich muß,"" sagte sie. ""Ich muß in die Gerichte. Ich muß sagen, daß ich schuld bin. Ich muß meine Strafe leiden. Der Großvater wird sich meiner Kinder annehmen. Ich möchte den Herrn sagen, sie sollen ihn zu dem Aennchen legen; er hat's so lieb gehabt. Ich möchte auch dabeiliegen, aber das werden sie nicht thun. Nein, davon will ich nichts sagen."" Valentin wußte nicht, was er erwiedern sollte. Er durfte sie nicht fortlassen und sah an ihrer Entschieden¬ heit, er würde sie nicht aufhalten können. "Wenn nur der alte Herr erst da wäre!" dachte er. Er sagte: "Thäten sie dem alten Valentin nichts auf der Welt zu lieb?" Sie sah ihn aus ihrem Schmerze freundlich an und entgegnete: ""Wie ihr fragen könnt! Ihr habt ihn immer lieb gehabt und das vergeß' ich euch nicht, so lang ich noch lebe. Er ist gestorben und ich muß auch sterben. Kann ich euch noch etwas thun, eh' ich gehen muß, so dürft ihr's nur sagen. Wenn ich's auch thun kann und wenn ihr nicht verlangt, daß ich nicht gehen soll."" "Nein," sagte der Alte.
gebraucht. Sie machte ſich zum Ausgehn fertig. Ihr Weſen hatte etwas feierlich Entſchiedenes angenommen. Valentin ſah's mit Erſtaunen und Sorge. Ihm fiel ſeine Verantwortlichkeit ein. Er fragte ängſtlich, ſie wolle doch nicht fort? Sie nickte mit dem Kopfe. „Aber ich darf ſie nicht fortlaſſen,“ ſagte er. „Der alte Herr hat mir's mit Ketten auf die Seele gebun¬ den.“ „„Ich muß,““ ſagte ſie. „„Ich muß in die Gerichte. Ich muß ſagen, daß ich ſchuld bin. Ich muß meine Strafe leiden. Der Großvater wird ſich meiner Kinder annehmen. Ich möchte den Herrn ſagen, ſie ſollen ihn zu dem Aennchen legen; er hat's ſo lieb gehabt. Ich möchte auch dabeiliegen, aber das werden ſie nicht thun. Nein, davon will ich nichts ſagen.““ Valentin wußte nicht, was er erwiedern ſollte. Er durfte ſie nicht fortlaſſen und ſah an ihrer Entſchieden¬ heit, er würde ſie nicht aufhalten können. „Wenn nur der alte Herr erſt da wäre!“ dachte er. Er ſagte: „Thäten ſie dem alten Valentin nichts auf der Welt zu lieb?“ Sie ſah ihn aus ihrem Schmerze freundlich an und entgegnete: „„Wie ihr fragen könnt! Ihr habt ihn immer lieb gehabt und das vergeß' ich euch nicht, ſo lang ich noch lebe. Er iſt geſtorben und ich muß auch ſterben. Kann ich euch noch etwas thun, eh' ich gehen muß, ſo dürft ihr's nur ſagen. Wenn ich's auch thun kann und wenn ihr nicht verlangt, daß ich nicht gehen ſoll.““ „Nein,“ ſagte der Alte.
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gebraucht. Sie machte ſich zum Ausgehn fertig. Ihr
Weſen hatte etwas feierlich Entſchiedenes angenommen.
Valentin ſah's mit Erſtaunen und Sorge. Ihm fiel
ſeine Verantwortlichkeit ein. Er fragte ängſtlich, ſie
wolle doch nicht fort? Sie nickte mit dem Kopfe.
„Aber ich darf ſie nicht fortlaſſen,“ ſagte er. „Der
alte Herr hat mir's mit Ketten auf die Seele gebun¬
den.“ „„Ich muß,““ ſagte ſie. „„Ich muß in die
Gerichte. Ich muß ſagen, daß ich ſchuld bin. Ich
muß meine Strafe leiden. Der Großvater wird ſich
meiner Kinder annehmen. Ich möchte den Herrn ſagen,
ſie ſollen ihn zu dem Aennchen legen; er hat's ſo lieb
gehabt. Ich möchte auch dabeiliegen, aber das werden
ſie nicht thun. Nein, davon will ich nichts ſagen.““
Valentin wußte nicht, was er erwiedern ſollte. Er
durfte ſie nicht fortlaſſen und ſah an ihrer Entſchieden¬
heit, er würde ſie nicht aufhalten können. „Wenn nur
der alte Herr erſt da wäre!“ dachte er. Er ſagte:
„Thäten ſie dem alten Valentin nichts auf der Welt
zu lieb?“ Sie ſah ihn aus ihrem Schmerze freundlich
an und entgegnete: „„Wie ihr fragen könnt! Ihr
habt ihn immer lieb gehabt und das vergeß' ich euch
nicht, ſo lang ich noch lebe. Er iſt geſtorben und ich
muß auch ſterben. Kann ich euch noch etwas thun,
eh' ich gehen muß, ſo dürft ihr's nur ſagen. Wenn
ich's auch thun kann und wenn ihr nicht verlangt,
daß ich nicht gehen ſoll.““ „Nein,“ ſagte der Alte.
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/237>, abgerufen am 04.12.2024.
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