Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn ein Mensch so arbeitet" -- Der Alte brach ab
und dachte seinen Satz fertig: "so hat er was vor."
Die Frau schwieg auch. Sie kämpfte mit dem Ge¬
danken, dem treuen Alten ihre ganze Angst anzuvertraun.
Der Alte merkte nichts davon. "Der Nachbar da,
Sie wissen's wohl," fuhr er fort, "kann zu Zeiten
keine Nacht schlafen. Da hat er die Nacht, eh Herr
Apollonius nach Brambach gegangen ist, zu seinem
Küchenfenster heraus, Einen in unsern Schuppen
schleichen sehn, den Gang vom Hause hinter." Der
Alte sagte nicht, wen der Nachbar gesehn; wahrschein¬
lich sollte die junge Frau ihn danach fragen. Sie that
es nicht; sie hatte seine Geschichte nicht gehört. Er
fuhr fort: "Den Abend vorher, eh der Herr Apollonius
nach Brambach gegangen ist, hat er das Zeug aus¬
suchen wollen, das er hat mitnehmen wollen; er hat
alles untersucht; das thut er immer; aber er hat sich
nicht entschließen können. Und das ist so merkwürdig,
wie daß der Herr Fritz auf einmal so fleißig geworden
ist. Apollonius Name weckte die junge Frau; sie
horchte, als der Alte fortfuhr: "Daran hab' ich erst
vorhin im Schuppen gedacht. Wie mir der Nachbar
da erzählt hat, daß Einer in den Schuppen geschlichen
ist, hab' ich gedacht: was muß der dort gewollt haben,
der dort hineingeschlichen ist und bei Nacht. Und wie
ich aufgesehn hab' und hab' den Herrn Fritz so arbeiten
sehn, da ist eine Unruh' über mich gekommen und hat

Wenn ein Menſch ſo arbeitet“ — Der Alte brach ab
und dachte ſeinen Satz fertig: „ſo hat er was vor.“
Die Frau ſchwieg auch. Sie kämpfte mit dem Ge¬
danken, dem treuen Alten ihre ganze Angſt anzuvertraun.
Der Alte merkte nichts davon. „Der Nachbar da,
Sie wiſſen's wohl,“ fuhr er fort, „kann zu Zeiten
keine Nacht ſchlafen. Da hat er die Nacht, eh Herr
Apollonius nach Brambach gegangen iſt, zu ſeinem
Küchenfenſter heraus, Einen in unſern Schuppen
ſchleichen ſehn, den Gang vom Hauſe hinter.“ Der
Alte ſagte nicht, wen der Nachbar geſehn; wahrſchein¬
lich ſollte die junge Frau ihn danach fragen. Sie that
es nicht; ſie hatte ſeine Geſchichte nicht gehört. Er
fuhr fort: „Den Abend vorher, eh der Herr Apollonius
nach Brambach gegangen iſt, hat er das Zeug aus¬
ſuchen wollen, das er hat mitnehmen wollen; er hat
alles unterſucht; das thut er immer; aber er hat ſich
nicht entſchließen können. Und das iſt ſo merkwürdig,
wie daß der Herr Fritz auf einmal ſo fleißig geworden
iſt. Apollonius Name weckte die junge Frau; ſie
horchte, als der Alte fortfuhr: „Daran hab' ich erſt
vorhin im Schuppen gedacht. Wie mir der Nachbar
da erzählt hat, daß Einer in den Schuppen geſchlichen
iſt, hab' ich gedacht: was muß der dort gewollt haben,
der dort hineingeſchlichen iſt und bei Nacht. Und wie
ich aufgeſehn hab' und hab' den Herrn Fritz ſo arbeiten
ſehn, da iſt eine Unruh' über mich gekommen und hat

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0201" n="192"/>
Wenn ein Men&#x017F;ch &#x017F;o arbeitet&#x201C; &#x2014; Der Alte brach ab<lb/>
und dachte &#x017F;einen Satz fertig: &#x201E;&#x017F;o hat er was vor.&#x201C;<lb/>
Die Frau &#x017F;chwieg auch. Sie kämpfte mit dem Ge¬<lb/>
danken, dem treuen Alten ihre ganze Ang&#x017F;t anzuvertraun.<lb/>
Der Alte merkte nichts davon. &#x201E;Der Nachbar da,<lb/>
Sie wi&#x017F;&#x017F;en's wohl,&#x201C; fuhr er fort, &#x201E;kann zu Zeiten<lb/>
keine Nacht &#x017F;chlafen. Da hat er die Nacht, eh Herr<lb/>
Apollonius nach Brambach gegangen i&#x017F;t, zu &#x017F;einem<lb/>
Küchenfen&#x017F;ter heraus, Einen in un&#x017F;ern Schuppen<lb/>
&#x017F;chleichen &#x017F;ehn, den Gang vom Hau&#x017F;e hinter.&#x201C; Der<lb/>
Alte &#x017F;agte nicht, wen der Nachbar ge&#x017F;ehn; wahr&#x017F;chein¬<lb/>
lich &#x017F;ollte die junge Frau ihn danach fragen. Sie that<lb/>
es nicht; &#x017F;ie hatte &#x017F;eine Ge&#x017F;chichte nicht gehört. Er<lb/>
fuhr fort: &#x201E;Den Abend vorher, eh der Herr Apollonius<lb/>
nach Brambach gegangen i&#x017F;t, hat er das Zeug aus¬<lb/>
&#x017F;uchen wollen, das er hat mitnehmen wollen; er hat<lb/>
alles unter&#x017F;ucht; das thut er immer; aber er hat &#x017F;ich<lb/>
nicht ent&#x017F;chließen können. Und das i&#x017F;t &#x017F;o merkwürdig,<lb/>
wie daß der Herr Fritz auf einmal &#x017F;o fleißig geworden<lb/>
i&#x017F;t. Apollonius Name weckte die junge Frau; &#x017F;ie<lb/>
horchte, als der Alte fortfuhr: &#x201E;Daran hab' ich er&#x017F;t<lb/>
vorhin im Schuppen gedacht. Wie mir der Nachbar<lb/>
da erzählt hat, daß Einer in den Schuppen ge&#x017F;chlichen<lb/>
i&#x017F;t, hab' ich gedacht: was muß der dort gewollt haben,<lb/>
der dort hineinge&#x017F;chlichen i&#x017F;t und bei Nacht. Und wie<lb/>
ich aufge&#x017F;ehn hab' und hab' den Herrn Fritz &#x017F;o arbeiten<lb/>
&#x017F;ehn, da i&#x017F;t eine Unruh' über mich gekommen und hat<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0201] Wenn ein Menſch ſo arbeitet“ — Der Alte brach ab und dachte ſeinen Satz fertig: „ſo hat er was vor.“ Die Frau ſchwieg auch. Sie kämpfte mit dem Ge¬ danken, dem treuen Alten ihre ganze Angſt anzuvertraun. Der Alte merkte nichts davon. „Der Nachbar da, Sie wiſſen's wohl,“ fuhr er fort, „kann zu Zeiten keine Nacht ſchlafen. Da hat er die Nacht, eh Herr Apollonius nach Brambach gegangen iſt, zu ſeinem Küchenfenſter heraus, Einen in unſern Schuppen ſchleichen ſehn, den Gang vom Hauſe hinter.“ Der Alte ſagte nicht, wen der Nachbar geſehn; wahrſchein¬ lich ſollte die junge Frau ihn danach fragen. Sie that es nicht; ſie hatte ſeine Geſchichte nicht gehört. Er fuhr fort: „Den Abend vorher, eh der Herr Apollonius nach Brambach gegangen iſt, hat er das Zeug aus¬ ſuchen wollen, das er hat mitnehmen wollen; er hat alles unterſucht; das thut er immer; aber er hat ſich nicht entſchließen können. Und das iſt ſo merkwürdig, wie daß der Herr Fritz auf einmal ſo fleißig geworden iſt. Apollonius Name weckte die junge Frau; ſie horchte, als der Alte fortfuhr: „Daran hab' ich erſt vorhin im Schuppen gedacht. Wie mir der Nachbar da erzählt hat, daß Einer in den Schuppen geſchlichen iſt, hab' ich gedacht: was muß der dort gewollt haben, der dort hineingeſchlichen iſt und bei Nacht. Und wie ich aufgeſehn hab' und hab' den Herrn Fritz ſo arbeiten ſehn, da iſt eine Unruh' über mich gekommen und hat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/201
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/201>, abgerufen am 04.12.2024.