ten gegenüber kann er ihm nicht trauen. Den ganzen Tag rechnete er an seiner Angst herum und ließ seine Frau nicht aus seinen Augen. Erst wie es ruhig wird um ihn, die Frau die Kinder zu Bett gebracht und selbst zur Ruhe gegangen ist, und er kein Licht mehr sieht in Apollonius Fenstern, da lassen ihn die Krallen, und die Ketten ziehn desto stärker. Er verschließt die Hinterthür, die Apollonius von den Räumen des Hauses trennt, er schiebt auch noch den Riegel vor, er schließt sogar die Treppenthür der Emporlaube und zuletzt die Thür, durch die er geht. Er hat Ursache zu eilen, ohne daß er es weiß. Der Geselle darf nicht lang mehr warten. Fritz Nettenmair weiß es noch nicht: Apollonius hat es beim Grubenherrn dahin gebracht, daß der Geselle aus der Arbeit entlassen ist; und bei der Polizei, daß er morgen sich nicht mehr in der Gegend betreten lassen darf. Der Geselle ist fertig zur Abreise; von dem Wirths¬ hause hinweg geht er in die weite Welt; er will nur noch Abschied nehmen von seinem ehemaligen Herrn und ihm noch etwas sagen.
Es gibt nicht viel mehr auf der Welt, woran Fritz Nettenmair hängt. Der Weg, den er geht, führt immer weiter ab von dem, was ihm das Liebste war; es ist unwiderbringlich für ihn verloren. Der Bewunderte und Geschmeichelte wird er nie wieder. An seiner Frau hängt er nur noch durch die glühende Kette der Eifer¬ sucht gefesselt. An dem Vater hat er nie gehangen;
ten gegenüber kann er ihm nicht trauen. Den ganzen Tag rechnete er an ſeiner Angſt herum und ließ ſeine Frau nicht aus ſeinen Augen. Erſt wie es ruhig wird um ihn, die Frau die Kinder zu Bett gebracht und ſelbſt zur Ruhe gegangen iſt, und er kein Licht mehr ſieht in Apollonius Fenſtern, da laſſen ihn die Krallen, und die Ketten ziehn deſto ſtärker. Er verſchließt die Hinterthür, die Apollonius von den Räumen des Hauſes trennt, er ſchiebt auch noch den Riegel vor, er ſchließt ſogar die Treppenthür der Emporlaube und zuletzt die Thür, durch die er geht. Er hat Urſache zu eilen, ohne daß er es weiß. Der Geſelle darf nicht lang mehr warten. Fritz Nettenmair weiß es noch nicht: Apollonius hat es beim Grubenherrn dahin gebracht, daß der Geſelle aus der Arbeit entlaſſen iſt; und bei der Polizei, daß er morgen ſich nicht mehr in der Gegend betreten laſſen darf. Der Geſelle iſt fertig zur Abreiſe; von dem Wirths¬ hauſe hinweg geht er in die weite Welt; er will nur noch Abſchied nehmen von ſeinem ehemaligen Herrn und ihm noch etwas ſagen.
Es gibt nicht viel mehr auf der Welt, woran Fritz Nettenmair hängt. Der Weg, den er geht, führt immer weiter ab von dem, was ihm das Liebſte war; es iſt unwiderbringlich für ihn verloren. Der Bewunderte und Geſchmeichelte wird er nie wieder. An ſeiner Frau hängt er nur noch durch die glühende Kette der Eifer¬ ſucht gefeſſelt. An dem Vater hat er nie gehangen;
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ten gegenüber kann er ihm nicht trauen. Den ganzen
Tag rechnete er an ſeiner Angſt herum und ließ ſeine
Frau nicht aus ſeinen Augen. Erſt wie es ruhig wird
um ihn, die Frau die Kinder zu Bett gebracht und ſelbſt
zur Ruhe gegangen iſt, und er kein Licht mehr ſieht in
Apollonius Fenſtern, da laſſen ihn die Krallen, und die
Ketten ziehn deſto ſtärker. Er verſchließt die Hinterthür,
die Apollonius von den Räumen des Hauſes trennt,
er ſchiebt auch noch den Riegel vor, er ſchließt ſogar
die Treppenthür der Emporlaube und zuletzt die Thür,
durch die er geht. Er hat Urſache zu eilen, ohne daß
er es weiß. Der Geſelle darf nicht lang mehr warten.
Fritz Nettenmair weiß es noch nicht: Apollonius hat
es beim Grubenherrn dahin gebracht, daß der Geſelle
aus der Arbeit entlaſſen iſt; und bei der Polizei, daß
er morgen ſich nicht mehr in der Gegend betreten laſſen
darf. Der Geſelle iſt fertig zur Abreiſe; von dem Wirths¬
hauſe hinweg geht er in die weite Welt; er will nur noch
Abſchied nehmen von ſeinem ehemaligen Herrn und
ihm noch etwas ſagen.
Es gibt nicht viel mehr auf der Welt, woran Fritz
Nettenmair hängt. Der Weg, den er geht, führt immer
weiter ab von dem, was ihm das Liebſte war; es iſt
unwiderbringlich für ihn verloren. Der Bewunderte
und Geſchmeichelte wird er nie wieder. An ſeiner Frau
hängt er nur noch durch die glühende Kette der Eifer¬
ſucht gefeſſelt. An dem Vater hat er nie gehangen;
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/163>, abgerufen am 04.12.2024.
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