Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853.Der Erbförster. Försterin. Wenn den Dein Vater säh'! Marie. Ich weiß auch gar nicht, wie ich ihn genommen hab'. Aber der Robert dauerte mich so sehr. Die Kath- rine sagte, er ständ' unten im heimlichen Grund und wartete. Da fiel mir auch mein Traum ein von heute Nacht. Försterin. Ein Traum? Marie. Da war ich dort am Quell bei den Weiden an mei- nem Lieblingsplätzchen und saß in den bunten Blumen und sah nach dem Himmel hinauf; da stand ein Ge- witter und mir war so schwer, daß ich vergehen wollte. Und das Kind, weißt Du, das bei mir gewesen war vor vierzehn Jahren, wie ich mich verirrt hatte, das saß neben mir und sagte: Arme Marie! und zog mir den Braut- kranz aus dem Haar und steckte mir dafür eine große, blutrothe Rose an die Brust. Da sank ich hinter mich in das Gras zurück, ich wußte nicht wie. Drüben im Dorfe läuteten sie und das Singen der Vögel, das Zir- pen der Grillen, die leise Abendluft in den Weiden über mir -- das Alles war wie ein Wiegenlied. Und der Rasen sank mit mir tiefer und immer tiefer und das Läuten und das Singen klang immer ferner -- der Himmel wurde wieder blau und mir wurde so leicht -- so leicht -- 8*
Der Erbförſter. Förſterin. Wenn den Dein Vater ſäh’! Marie. Ich weiß auch gar nicht, wie ich ihn genommen hab’. Aber der Robert dauerte mich ſo ſehr. Die Kath- rine ſagte, er ſtänd’ unten im heimlichen Grund und wartete. Da fiel mir auch mein Traum ein von heute Nacht. Förſterin. Ein Traum? Marie. Da war ich dort am Quell bei den Weiden an mei- nem Lieblingsplätzchen und ſaß in den bunten Blumen und ſah nach dem Himmel hinauf; da ſtand ein Ge- witter und mir war ſo ſchwer, daß ich vergehen wollte. Und das Kind, weißt Du, das bei mir geweſen war vor vierzehn Jahren, wie ich mich verirrt hatte, das ſaß neben mir und ſagte: Arme Marie! und zog mir den Braut- kranz aus dem Haar und ſteckte mir dafür eine große, blutrothe Roſe an die Bruſt. Da ſank ich hinter mich in das Gras zurück, ich wußte nicht wie. Drüben im Dorfe läuteten ſie und das Singen der Vögel, das Zir- pen der Grillen, die leiſe Abendluft in den Weiden über mir — das Alles war wie ein Wiegenlied. Und der Raſen ſank mit mir tiefer und immer tiefer und das Läuten und das Singen klang immer ferner — der Himmel wurde wieder blau und mir wurde ſo leicht — ſo leicht — 8*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0129" n="115"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Erbförſter</hi>.</fw><lb/> <sp who="#SOPH"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſterin.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenn den Dein Vater ſäh’!</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </speaker><lb/> <p>Ich weiß auch gar nicht, wie ich ihn genommen<lb/> hab’. Aber der Robert dauerte mich ſo ſehr. Die Kath-<lb/> rine ſagte, er ſtänd’ unten im heimlichen Grund und<lb/> wartete. Da fiel mir auch mein Traum ein von heute<lb/> Nacht.</p> </sp><lb/> <sp who="#SOPH"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſterin.</hi> </speaker><lb/> <p>Ein Traum?</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </speaker><lb/> <p>Da war ich dort am Quell bei den Weiden an mei-<lb/> nem Lieblingsplätzchen und ſaß in den bunten Blumen<lb/> und ſah nach dem Himmel hinauf; da ſtand ein Ge-<lb/> witter und mir war ſo ſchwer, daß ich vergehen wollte.<lb/> Und das Kind, weißt Du, das bei mir geweſen war vor<lb/> vierzehn Jahren, wie ich mich verirrt hatte, das ſaß neben<lb/> mir und ſagte: Arme Marie! und zog mir den Braut-<lb/> kranz aus dem Haar und ſteckte mir dafür eine große,<lb/> blutrothe Roſe an die Bruſt. Da ſank ich hinter mich<lb/> in das Gras zurück, ich wußte nicht wie. Drüben im<lb/> Dorfe läuteten ſie und das Singen der Vögel, das Zir-<lb/> pen der Grillen, die leiſe Abendluft in den Weiden über<lb/> mir — das Alles war wie ein Wiegenlied. Und der Raſen<lb/> ſank mit mir tiefer und immer tiefer und das Läuten und<lb/> das Singen klang immer ferner — der Himmel wurde<lb/> wieder blau und mir wurde ſo leicht — ſo leicht —</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="sig">8*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0129]
Der Erbförſter.
Förſterin.
Wenn den Dein Vater ſäh’!
Marie.
Ich weiß auch gar nicht, wie ich ihn genommen
hab’. Aber der Robert dauerte mich ſo ſehr. Die Kath-
rine ſagte, er ſtänd’ unten im heimlichen Grund und
wartete. Da fiel mir auch mein Traum ein von heute
Nacht.
Förſterin.
Ein Traum?
Marie.
Da war ich dort am Quell bei den Weiden an mei-
nem Lieblingsplätzchen und ſaß in den bunten Blumen
und ſah nach dem Himmel hinauf; da ſtand ein Ge-
witter und mir war ſo ſchwer, daß ich vergehen wollte.
Und das Kind, weißt Du, das bei mir geweſen war vor
vierzehn Jahren, wie ich mich verirrt hatte, das ſaß neben
mir und ſagte: Arme Marie! und zog mir den Braut-
kranz aus dem Haar und ſteckte mir dafür eine große,
blutrothe Roſe an die Bruſt. Da ſank ich hinter mich
in das Gras zurück, ich wußte nicht wie. Drüben im
Dorfe läuteten ſie und das Singen der Vögel, das Zir-
pen der Grillen, die leiſe Abendluft in den Weiden über
mir — das Alles war wie ein Wiegenlied. Und der Raſen
ſank mit mir tiefer und immer tiefer und das Läuten und
das Singen klang immer ferner — der Himmel wurde
wieder blau und mir wurde ſo leicht — ſo leicht —
8*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/129 |
Zitationshilfe: | Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/129>, abgerufen am 16.07.2024. |