Flehens, Klagens und Weinens, nur gar wenige bey besagten Bäumen einfinden wolten; und obwohlen, wie mich däuchte, einige einen Versuch thun wolten, vom Tod zum Leben, vom alten Wesen des Buchsta- bens zum neuen Wesen des Geistes hinüber zu gehen; so vermochten sie es dannoch nicht, und liessen es, weil die Ketten, mit welchen sie an die Dorn-Hecken an- gefeßlet waren, nicht anderst als unter unsäglichem Schmertzen und Bemühungen, und durch ernstliches Ringen und unabläßiges Beten, zersprenget werden konnten, beym Alten bewenden, und lieber alles aufs äusserste ankommen, als daß sie sich vor eine kurtze Zeit in einen Gebets-Kampff begeben, und um Sin- nes-Aenderung, Glauben, Liebe etc. betende gerungen hätten.
§. 40.
Du aber, mein trautes Kind, bist wohl das seligste unter der Sonnen, und wann du erkennest die Gabe GOttes, so würdest du dein Glück mit keinem könig- lichen Printzen tauschen wollen. Dann die Gnade GOttes hat dich umfangen, und seine Liebes-Hand dich angerühret; JEsus hat auf dich geschauet, dich zum Mitgenossen seines himmlischen Berufs erkläret, mit seinem Blut geträncket, und mit Gerechtigkeit be- kleidet; und der H. Geist hat dein Hertz gefasset, unter seine Aufsicht und in seine Arbeit genommen, Haß al- les Bösen, und Lust zu allem Guten in dasselbe gesäet: Also hat GOtt andern Kindern nicht gethan, und dar- um wissen sie auch seine Rechte nicht: Nicht daß dein Hertz besser als anderer Kindern seye; ach nein! du bist so böse von Natur als andere gewesen; daß es aber besser mit dir geworden, ist des Heylandes Gnade. Preise darum, du Kind Jerusalems deinen GOtt,
und
Cap. 1. Die erſte Quelle
Flehens, Klagens und Weinens, nur gar wenige bey beſagten Baͤumen einfinden wolten; und obwohlen, wie mich daͤuchte, einige einen Verſuch thun wolten, vom Tod zum Leben, vom alten Weſen des Buchſta- bens zum neuen Weſen des Geiſtes hinuͤber zu gehen; ſo vermochten ſie es dannoch nicht, und lieſſen es, weil die Ketten, mit welchen ſie an die Dorn-Hecken an- gefeßlet waren, nicht anderſt als unter unſaͤglichem Schmertzen und Bemuͤhungen, und durch ernſtliches Ringen und unablaͤßiges Beten, zerſprenget werden konnten, beym Alten bewenden, und lieber alles aufs aͤuſſerſte ankommen, als daß ſie ſich vor eine kurtze Zeit in einen Gebets-Kampff begeben, und um Sin- nes-Aenderung, Glauben, Liebe ꝛc. betende gerungen haͤtten.
§. 40.
Du aber, mein trautes Kind, biſt wohl das ſeligſte unter der Sonnen, und wann du erkenneſt die Gabe GOttes, ſo wuͤrdeſt du dein Gluͤck mit keinem koͤnig- lichen Printzen tauſchen wollen. Dann die Gnade GOttes hat dich umfangen, und ſeine Liebes-Hand dich angeruͤhret; JEſus hat auf dich geſchauet, dich zum Mitgenoſſen ſeines himmliſchen Berufs erklaͤret, mit ſeinem Blut getraͤncket, und mit Gerechtigkeit be- kleidet; und der H. Geiſt hat dein Hertz gefaſſet, unter ſeine Aufſicht und in ſeine Arbeit genommen, Haß al- les Boͤſen, und Luſt zu allem Guten in daſſelbe geſaͤet: Alſo hat GOtt andern Kindern nicht gethan, und dar- um wiſſen ſie auch ſeine Rechte nicht: Nicht daß dein Hertz beſſer als anderer Kindern ſeye; ach nein! du biſt ſo boͤſe von Natur als andere geweſen; daß es aber beſſer mit dir geworden, iſt des Heylandes Gnade. Preiſe darum, du Kind Jeruſalems deinen GOtt,
und
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Cap. 1. Die erſte Quelle
Flehens, Klagens und Weinens, nur gar wenige bey
beſagten Baͤumen einfinden wolten; und obwohlen,
wie mich daͤuchte, einige einen Verſuch thun wolten,
vom Tod zum Leben, vom alten Weſen des Buchſta-
bens zum neuen Weſen des Geiſtes hinuͤber zu gehen;
ſo vermochten ſie es dannoch nicht, und lieſſen es, weil
die Ketten, mit welchen ſie an die Dorn-Hecken an-
gefeßlet waren, nicht anderſt als unter unſaͤglichem
Schmertzen und Bemuͤhungen, und durch ernſtliches
Ringen und unablaͤßiges Beten, zerſprenget werden
konnten, beym Alten bewenden, und lieber alles aufs
aͤuſſerſte ankommen, als daß ſie ſich vor eine kurtze
Zeit in einen Gebets-Kampff begeben, und um Sin-
nes-Aenderung, Glauben, Liebe ꝛc. betende gerungen
haͤtten.
§. 40.
Du aber, mein trautes Kind, biſt wohl das ſeligſte
unter der Sonnen, und wann du erkenneſt die Gabe
GOttes, ſo wuͤrdeſt du dein Gluͤck mit keinem koͤnig-
lichen Printzen tauſchen wollen. Dann die Gnade
GOttes hat dich umfangen, und ſeine Liebes-Hand
dich angeruͤhret; JEſus hat auf dich geſchauet, dich
zum Mitgenoſſen ſeines himmliſchen Berufs erklaͤret,
mit ſeinem Blut getraͤncket, und mit Gerechtigkeit be-
kleidet; und der H. Geiſt hat dein Hertz gefaſſet, unter
ſeine Aufſicht und in ſeine Arbeit genommen, Haß al-
les Boͤſen, und Luſt zu allem Guten in daſſelbe geſaͤet:
Alſo hat GOtt andern Kindern nicht gethan, und dar-
um wiſſen ſie auch ſeine Rechte nicht: Nicht daß dein
Hertz beſſer als anderer Kindern ſeye; ach nein! du biſt
ſo boͤſe von Natur als andere geweſen; daß es aber
beſſer mit dir geworden, iſt des Heylandes Gnade.
Preiſe darum, du Kind Jeruſalems deinen GOtt,
und
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/80>, abgerufen am 17.07.2024.
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