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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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der Verführung der Jugend.

O ja! es ist unumgänglich nöthig, daß Kinder
wissen, wie mit den Gedancken am ersten
und ärgsten gesündiget werde;
sintemah-
len durch unordentliche und unheilige, gehäßige,
neidige, geitzige, hoffärtige, sonderlich auch durch
unkeusche, unflätige Gedancken, so unzehlige
Schlangen-Eyer ins Hertze geleget, und ein ärger-
liches Wort, so man von einem andern gehöret,
erst in Jahren ausgebrütet, mithin das arme, fin-
stere, gefangene Hertz dadurch so garstig und heß-
lich wird, daß GOTT eine erstaunliche und unbe-
greiffliche Liebe zum Sünder haben muß, die ihn
treibet, seine Hand auszurecken, und nach einem
Hertzen zu greiffen, das in einem solch stinckenden
Pful so jämmerlich versuncken ist. Hier müssen
alle unnütze Bücher und Histörgen, kurtz, alles was
arge Gedancken erwecken kan, sorgfältig vermieden
werden. Gedancken schleichen so leise daher, daß
die Seele gar wachsam seyn muß, wann sie selbige
bemercken solle. Ach HErr! wie verborgen sind
deine Gerichte!

Es ware ein begabter Knab, der allezeit an die Dinge der
Ewigkeit, an JEsum den Gecreutzigten, an das Jüngste
Gericht etc. gedacht; deme aber sein älterer Bruder Ro-
mans oder Liebes-Geschichte in die Hände steckte, durch de-
ren Lesung er in abscheuliche Unfläterey verfiele: Doch zo-
ge ihn der erbarmende Vater in Christo JEsu wieder aus
Satans Rachen, und machte ihn zu einem schönen Kirchen-
Licht; welcher endlich nach einem 17-jährigen Predigt-Amt
im Einsincken in die Erbarmung des Vaters in Christo se-
lig entschlaffen.

Mein Kind! Jst dein Gewissen durch das Blut
Christi gereiniget, so trachte, dasselbige auch von
sündlichen Gedancken rein zu behalten, und hüte

dich,
Y 2
der Verfuͤhrung der Jugend.

O ja! es iſt unumgaͤnglich noͤthig, daß Kinder
wiſſen, wie mit den Gedancken am erſten
und aͤrgſten geſuͤndiget werde;
ſintemah-
len durch unordentliche und unheilige, gehaͤßige,
neidige, geitzige, hoffaͤrtige, ſonderlich auch durch
unkeuſche, unflaͤtige Gedancken, ſo unzehlige
Schlangen-Eyer ins Hertze geleget, und ein aͤrger-
liches Wort, ſo man von einem andern gehoͤret,
erſt in Jahren ausgebruͤtet, mithin das arme, fin-
ſtere, gefangene Hertz dadurch ſo garſtig und heß-
lich wird, daß GOTT eine erſtaunliche und unbe-
greiffliche Liebe zum Suͤnder haben muß, die ihn
treibet, ſeine Hand auszurecken, und nach einem
Hertzen zu greiffen, das in einem ſolch ſtinckenden
Pful ſo jaͤmmerlich verſuncken iſt. Hier muͤſſen
alle unnuͤtze Buͤcher und Hiſtoͤrgen, kurtz, alles was
arge Gedancken erwecken kan, ſorgfaͤltig vermieden
werden. Gedancken ſchleichen ſo leiſe daher, daß
die Seele gar wachſam ſeyn muß, wann ſie ſelbige
bemercken ſolle. Ach HErr! wie verborgen ſind
deine Gerichte!

Es ware ein begabter Knab, der allezeit an die Dinge der
Ewigkeit, an JEſum den Gecreutzigten, an das Juͤngſte
Gericht ꝛc. gedacht; deme aber ſein aͤlterer Bruder Ro-
mans oder Liebes-Geſchichte in die Haͤnde ſteckte, durch de-
ren Leſung er in abſcheuliche Unflaͤterey verfiele: Doch zo-
ge ihn der erbarmende Vater in Chriſto JEſu wieder aus
Satans Rachen, und machte ihn zu einem ſchoͤnen Kirchen-
Licht; welcher endlich nach einem 17-jaͤhrigen Predigt-Amt
im Einſincken in die Erbarmung des Vaters in Chriſto ſe-
lig entſchlaffen.

Mein Kind! Jſt dein Gewiſſen durch das Blut
Chriſti gereiniget, ſo trachte, daſſelbige auch von
ſuͤndlichen Gedancken rein zu behalten, und huͤte

dich,
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[339/0357] der Verfuͤhrung der Jugend. O ja! es iſt unumgaͤnglich noͤthig, daß Kinder wiſſen, wie mit den Gedancken am erſten und aͤrgſten geſuͤndiget werde; ſintemah- len durch unordentliche und unheilige, gehaͤßige, neidige, geitzige, hoffaͤrtige, ſonderlich auch durch unkeuſche, unflaͤtige Gedancken, ſo unzehlige Schlangen-Eyer ins Hertze geleget, und ein aͤrger- liches Wort, ſo man von einem andern gehoͤret, erſt in Jahren ausgebruͤtet, mithin das arme, fin- ſtere, gefangene Hertz dadurch ſo garſtig und heß- lich wird, daß GOTT eine erſtaunliche und unbe- greiffliche Liebe zum Suͤnder haben muß, die ihn treibet, ſeine Hand auszurecken, und nach einem Hertzen zu greiffen, das in einem ſolch ſtinckenden Pful ſo jaͤmmerlich verſuncken iſt. Hier muͤſſen alle unnuͤtze Buͤcher und Hiſtoͤrgen, kurtz, alles was arge Gedancken erwecken kan, ſorgfaͤltig vermieden werden. Gedancken ſchleichen ſo leiſe daher, daß die Seele gar wachſam ſeyn muß, wann ſie ſelbige bemercken ſolle. Ach HErr! wie verborgen ſind deine Gerichte! Es ware ein begabter Knab, der allezeit an die Dinge der Ewigkeit, an JEſum den Gecreutzigten, an das Juͤngſte Gericht ꝛc. gedacht; deme aber ſein aͤlterer Bruder Ro- mans oder Liebes-Geſchichte in die Haͤnde ſteckte, durch de- ren Leſung er in abſcheuliche Unflaͤterey verfiele: Doch zo- ge ihn der erbarmende Vater in Chriſto JEſu wieder aus Satans Rachen, und machte ihn zu einem ſchoͤnen Kirchen- Licht; welcher endlich nach einem 17-jaͤhrigen Predigt-Amt im Einſincken in die Erbarmung des Vaters in Chriſto ſe- lig entſchlaffen. Mein Kind! Jſt dein Gewiſſen durch das Blut Chriſti gereiniget, ſo trachte, daſſelbige auch von ſuͤndlichen Gedancken rein zu behalten, und huͤte dich, Y 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/357>, abgerufen am 03.12.2024.