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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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Cap. 2. Von Begehungs-Sünden
keiner Lust an dem HErrn; so nimmt die Unlust
und Eckel an geistlichen und Göttlichen Dingen
auch mit den Jahren zu: Da sich dann die Teuf-
fel nicht säumen, Finsterniß, Blindheit und Ver-
stockung auszubrüten, so daß eine vollkommene Ge-
ringachtung der Ewigkeit im Hertzen aufwächset
und recht erstarcket, mithin die Sache des Himmel-
reichs bey solcherley jungen Leuten arger wird, als
unter den Grönländern, Hottentotten und schwar-
tzen Selaven. Nicht nur aber dieses, sondern wann
man so von Kindheit an im Haus der Eltern gelernet
hat, die Wörter und Bilder, so man in Kirchen
und Schulen davon gehöret hat, hinter den Rü-
cken zu werffen und mit Füssen zu zertretten; so
kommen die Fleisches-Lüste in die unordige Brunst,
und treiben junge Leute beyderley Geschlechts Un-
zucht und Geilheit, neben allerhand Muthwillen,
unersättlich. Und was fallen dann Vater und
Mutter davon für ein Urtheil? Sie sagen: "Was
"wollte das seyn? da wir noch jung waren, ha-
"ben wirs eben so und nicht besser gemacht; wohl
"aber noch viel schlimmer. Wann sie ins Alter
"kommen, so wirds schon besser werden."

Was Wunder dann, daß ein Haus-Vater
seine Kinder und Gesind bey solch bedencklichen An-
lässen nur auf das fleischliche Wolleben, nicht aber
zu denen geistlichen Niedlichkeiten des Hauses GOt-
tes und zu dem klaren Bach seiner himmlischen
Wollüsten führet? da er ja für sich selbsten nicht
das mindeste darnach fraget, und weniger sich
darum bekümmert, als um Chinesische Aepfel und
Palmen-Früchte. Wie ist es darum zu begreiffen,

daß

Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden
keiner Luſt an dem HErrn; ſo nimmt die Unluſt
und Eckel an geiſtlichen und Goͤttlichen Dingen
auch mit den Jahren zu: Da ſich dann die Teuf-
fel nicht ſaͤumen, Finſterniß, Blindheit und Ver-
ſtockung auszubruͤten, ſo daß eine vollkommene Ge-
ringachtung der Ewigkeit im Hertzen aufwaͤchſet
und recht erſtarcket, mithin die Sache des Himmel-
reichs bey ſolcherley jungen Leuten arger wird, als
unter den Groͤnlaͤndern, Hottentotten und ſchwar-
tzen Selaven. Nicht nur aber dieſes, ſondern wann
man ſo von Kindheit an im Haus der Eltern gelernet
hat, die Woͤrter und Bilder, ſo man in Kirchen
und Schulen davon gehoͤret hat, hinter den Ruͤ-
cken zu werffen und mit Fuͤſſen zu zertretten; ſo
kommen die Fleiſches-Luͤſte in die unordige Brunſt,
und treiben junge Leute beyderley Geſchlechts Un-
zucht und Geilheit, neben allerhand Muthwillen,
unerſaͤttlich. Und was fallen dann Vater und
Mutter davon fuͤr ein Urtheil? Sie ſagen: „Was
“wollte das ſeyn? da wir noch jung waren, ha-
“ben wirs eben ſo und nicht beſſer gemacht; wohl
“aber noch viel ſchlimmer. Wann ſie ins Alter
“kommen, ſo wirds ſchon beſſer werden.‟

Was Wunder dann, daß ein Haus-Vater
ſeine Kinder und Geſind bey ſolch bedencklichen An-
laͤſſen nur auf das fleiſchliche Wolleben, nicht aber
zu denen geiſtlichen Niedlichkeiten des Hauſes GOt-
tes und zu dem klaren Bach ſeiner himmliſchen
Wolluͤſten fuͤhret? da er ja fuͤr ſich ſelbſten nicht
das mindeſte darnach fraget, und weniger ſich
darum bekuͤmmert, als um Chineſiſche Aepfel und
Palmen-Fruͤchte. Wie iſt es darum zu begreiffen,

daß
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[146/0164] Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden keiner Luſt an dem HErrn; ſo nimmt die Unluſt und Eckel an geiſtlichen und Goͤttlichen Dingen auch mit den Jahren zu: Da ſich dann die Teuf- fel nicht ſaͤumen, Finſterniß, Blindheit und Ver- ſtockung auszubruͤten, ſo daß eine vollkommene Ge- ringachtung der Ewigkeit im Hertzen aufwaͤchſet und recht erſtarcket, mithin die Sache des Himmel- reichs bey ſolcherley jungen Leuten arger wird, als unter den Groͤnlaͤndern, Hottentotten und ſchwar- tzen Selaven. Nicht nur aber dieſes, ſondern wann man ſo von Kindheit an im Haus der Eltern gelernet hat, die Woͤrter und Bilder, ſo man in Kirchen und Schulen davon gehoͤret hat, hinter den Ruͤ- cken zu werffen und mit Fuͤſſen zu zertretten; ſo kommen die Fleiſches-Luͤſte in die unordige Brunſt, und treiben junge Leute beyderley Geſchlechts Un- zucht und Geilheit, neben allerhand Muthwillen, unerſaͤttlich. Und was fallen dann Vater und Mutter davon fuͤr ein Urtheil? Sie ſagen: „Was “wollte das ſeyn? da wir noch jung waren, ha- “ben wirs eben ſo und nicht beſſer gemacht; wohl “aber noch viel ſchlimmer. Wann ſie ins Alter “kommen, ſo wirds ſchon beſſer werden.‟ Was Wunder dann, daß ein Haus-Vater ſeine Kinder und Geſind bey ſolch bedencklichen An- laͤſſen nur auf das fleiſchliche Wolleben, nicht aber zu denen geiſtlichen Niedlichkeiten des Hauſes GOt- tes und zu dem klaren Bach ſeiner himmliſchen Wolluͤſten fuͤhret? da er ja fuͤr ſich ſelbſten nicht das mindeſte darnach fraget, und weniger ſich darum bekuͤmmert, als um Chineſiſche Aepfel und Palmen-Fruͤchte. Wie iſt es darum zu begreiffen, daß

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/164>, abgerufen am 21.11.2024.