Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Mittelpunkt zu dienen, so daß ich mit der Prinzessin Eleonore sagen könnte: "Ich freue mich, wenn kluge Männer sprechen, Daß ich verstehen kann, wie sie es meinen" habe ich nicht die geistigen und auch nicht die materiellen Mittel. Dafür ist es dem Gemüthe wie ein Naturgenuß, zuweilen mit Menschen aus dem Volke zu verkehren, so lange sie in ihrer Unbewußtheit die Typen bestimmter Berufszweige und Beschäftigungen bleiben und treu und wahr gar nichts anderes sein wollen. Nur für die Geselligkeit, die in der Mitte zwischen beiden Classen liegt, die es geistreich findet, den Geist auf bloßen Zeitvertreib zu verwenden, der sich selbst letzter Zweck ist, habe ich nicht mehr Fröhlichkeit des Herzens genug, bin ich schon zu alt und zu unglücklich. Als ich nun meine Freude und Verwunderung äußerte, daß gerade mir, der ich mich zu jener mittleren Classe von Geselligen zählen mußte, die Gunst eines Verkehrs mit ihr zu Theil geworden; als sie mir hierauf in zartester Weise deutlich gemacht, daß meine sichtbare Liebe zur Natur, mein Zusammenhang mit der Kunst und endlich auch meine ergrauenden Haare ihr Entgegenkommen weckten, floß das Gespräch in so vertraulicher Weise fort, daß ich es zuletzt wagen konnte, nach den Motiven ihrer früheren Aeußerung zu fragen, das Bild hätte keinen Eigenthümer, der es verschenken oder verkaufen dürfte, und wäre überhaupt ein Gegenstand ohne Besitzer. Mittelpunkt zu dienen, so daß ich mit der Prinzessin Eleonore sagen könnte: „Ich freue mich, wenn kluge Männer sprechen, Daß ich verstehen kann, wie sie es meinen“ habe ich nicht die geistigen und auch nicht die materiellen Mittel. Dafür ist es dem Gemüthe wie ein Naturgenuß, zuweilen mit Menschen aus dem Volke zu verkehren, so lange sie in ihrer Unbewußtheit die Typen bestimmter Berufszweige und Beschäftigungen bleiben und treu und wahr gar nichts anderes sein wollen. Nur für die Geselligkeit, die in der Mitte zwischen beiden Classen liegt, die es geistreich findet, den Geist auf bloßen Zeitvertreib zu verwenden, der sich selbst letzter Zweck ist, habe ich nicht mehr Fröhlichkeit des Herzens genug, bin ich schon zu alt und zu unglücklich. Als ich nun meine Freude und Verwunderung äußerte, daß gerade mir, der ich mich zu jener mittleren Classe von Geselligen zählen mußte, die Gunst eines Verkehrs mit ihr zu Theil geworden; als sie mir hierauf in zartester Weise deutlich gemacht, daß meine sichtbare Liebe zur Natur, mein Zusammenhang mit der Kunst und endlich auch meine ergrauenden Haare ihr Entgegenkommen weckten, floß das Gespräch in so vertraulicher Weise fort, daß ich es zuletzt wagen konnte, nach den Motiven ihrer früheren Aeußerung zu fragen, das Bild hätte keinen Eigenthümer, der es verschenken oder verkaufen dürfte, und wäre überhaupt ein Gegenstand ohne Besitzer. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0037"/> Mittelpunkt zu dienen, so daß ich mit der Prinzessin Eleonore sagen könnte:</p><lb/> <lg> <l>„Ich freue mich, wenn kluge Männer sprechen,</l> <l>Daß ich verstehen kann, wie sie es meinen“</l> </lg> <p>habe ich nicht die geistigen und auch nicht die materiellen Mittel. Dafür ist es dem Gemüthe wie ein Naturgenuß, zuweilen mit Menschen aus dem Volke zu verkehren, so lange sie in ihrer Unbewußtheit die Typen bestimmter Berufszweige und Beschäftigungen bleiben und treu und wahr gar nichts anderes sein wollen. Nur für die Geselligkeit, die in der Mitte zwischen beiden Classen liegt, die es geistreich findet, den Geist auf bloßen Zeitvertreib zu verwenden, der sich selbst letzter Zweck ist, habe ich nicht mehr Fröhlichkeit des Herzens genug, bin ich schon zu alt und zu unglücklich.</p><lb/> <p>Als ich nun meine Freude und Verwunderung äußerte, daß gerade mir, der ich mich zu jener mittleren Classe von Geselligen zählen mußte, die Gunst eines Verkehrs mit ihr zu Theil geworden; als sie mir hierauf in zartester Weise deutlich gemacht, daß meine sichtbare Liebe zur Natur, mein Zusammenhang mit der Kunst und endlich auch meine ergrauenden Haare ihr Entgegenkommen weckten, floß das Gespräch in so vertraulicher Weise fort, daß ich es zuletzt wagen konnte, nach den Motiven ihrer früheren Aeußerung zu fragen, das Bild hätte keinen Eigenthümer, der es verschenken oder verkaufen dürfte, und wäre überhaupt ein Gegenstand ohne Besitzer.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
Mittelpunkt zu dienen, so daß ich mit der Prinzessin Eleonore sagen könnte:
„Ich freue mich, wenn kluge Männer sprechen, Daß ich verstehen kann, wie sie es meinen“
habe ich nicht die geistigen und auch nicht die materiellen Mittel. Dafür ist es dem Gemüthe wie ein Naturgenuß, zuweilen mit Menschen aus dem Volke zu verkehren, so lange sie in ihrer Unbewußtheit die Typen bestimmter Berufszweige und Beschäftigungen bleiben und treu und wahr gar nichts anderes sein wollen. Nur für die Geselligkeit, die in der Mitte zwischen beiden Classen liegt, die es geistreich findet, den Geist auf bloßen Zeitvertreib zu verwenden, der sich selbst letzter Zweck ist, habe ich nicht mehr Fröhlichkeit des Herzens genug, bin ich schon zu alt und zu unglücklich.
Als ich nun meine Freude und Verwunderung äußerte, daß gerade mir, der ich mich zu jener mittleren Classe von Geselligen zählen mußte, die Gunst eines Verkehrs mit ihr zu Theil geworden; als sie mir hierauf in zartester Weise deutlich gemacht, daß meine sichtbare Liebe zur Natur, mein Zusammenhang mit der Kunst und endlich auch meine ergrauenden Haare ihr Entgegenkommen weckten, floß das Gespräch in so vertraulicher Weise fort, daß ich es zuletzt wagen konnte, nach den Motiven ihrer früheren Aeußerung zu fragen, das Bild hätte keinen Eigenthümer, der es verschenken oder verkaufen dürfte, und wäre überhaupt ein Gegenstand ohne Besitzer.
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Zitationshilfe: | Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lorm_fraeulein_1910/37>, abgerufen am 17.02.2025. |