Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673.

Bild:
<< vorherige Seite
Geilheit.
JSt diß wohl Frag- und Zweifelns werth;
Denn bin ich nicht die Tochter schönster Zierden?
825Gebehrerin der hefftigsten Begierden?
Ein Feuer/ das wie Blitz durchfähr't;
Das Ertzt zerschmeltz't und Eyß steck't an;
Das Felsen äschert ein/ und Riesen zwingen kan.
Keusche Liebe.
VErkreuch dich du unechtes Kind.
830Jch Göttin bin von der Natur gezeuget/
Mich hat ja Milch/ dich Schlangen-Gist geseuget.
Mein ewig Oel/ dein Rauch und Wind
Zeigt: daß mein Pfeil Gold/ deiner Bley/
Dein Glantz ein Schwantz-Gestirn/ ich eine Sonne sey.
Geilheit.
835DU bist jedweden/ der dich kenn't/
Ein Reitz/ der sich vergnüg't mit Schal- und Schleen/
Ein Trieb/ der nichts gebiehr't als Wind und Wehen/
Ein Zunder/ der nur glimm't nicht brenn't/
Ein Stein/ der Stahl/ kein Gold nicht zeucht/
840Der vom anmuth'gen Sud zum kalten Nord abweich't.
Die keusche Liebe.
DU bist die schlimme Zauberin/
Die's Hertz in Asch/ in Vieh die Menschen kehret/
Die Seel ersteck't/ den Leib kränck't und verzehret.
Jch aber labe Seel und Sinn/
845Jch mache: daß der Zahn der Zeit
Nicht alle Welt friß't auf/ durch meine Fruchtbarkeit.
Die Geilheit.
Bin ich doch fruchtbarer/ als du.
Komm't/ Kinder/ bähn't den Weg mit Tulipanen.
Die keusche Liebe.
Die Kinder sind nur Raben/ meine Schwanen
850Auch deck't dein Blumwerck Nattern zu.
Jhr meine Kinder/ kommt herbey/
Und zeug't: daß kein Napel in meinen Rosen sey.
Die Geilheit.
Der Dorn kleb't allen Rosen an;
Die keusche Liebe.
An Tulpen ist kein Biesam nicht zu schmecken.
Die Geilheit.
855Dein Lusthauß sieh't bey dürr- und wilden Stöcken.
Die keusche Liebe.
Das sich gar bald verwandeln kan
Jn's schönste Paradiß der Welt/
Wenn deine Sternen Pracht in schwartzen Abgrund fäll't.

Clau-
Geilheit.
JSt diß wohl Frag- und Zweifelns werth;
Denn bin ich nicht die Tochter ſchoͤnſter Zierden?
825Gebehrerin der hefftigſten Begierden?
Ein Feuer/ das wie Blitz durchfaͤhr’t;
Das Ertzt zerſchmeltz’t und Eyß ſteck’t an;
Das Felſen aͤſchert ein/ und Rieſen zwingen kan.
Keuſche Liebe.
VErkreuch dich du unechtes Kind.
830Jch Goͤttin bin von der Natur gezeuget/
Mich hat ja Milch/ dich Schlangen-Giſt geſeuget.
Mein ewig Oel/ dein Rauch und Wind
Zeigt: daß mein Pfeil Gold/ deiner Bley/
Dein Glantz ein Schwantz-Geſtirn/ ich eine Sonne ſey.
Geilheit.
835DU biſt jedweden/ der dich kenn’t/
Ein Reitz/ der ſich vergnuͤg’t mit Schal- und Schleen/
Ein Trieb/ der nichts gebiehr’t als Wind und Wehen/
Ein Zunder/ der nur glimm’t nicht brenn’t/
Ein Stein/ der Stahl/ kein Gold nicht zeucht/
840Der vom anmuth’gen Sud zum kalten Nord abweich’t.
Die keuſche Liebe.
DU biſt die ſchlimme Zauberin/
Die’s Hertz in Aſch/ in Vieh die Menſchen kehret/
Die Seel erſteck’t/ den Leib kraͤnck’t und verzehret.
Jch aber labe Seel und Sinn/
845Jch mache: daß der Zahn der Zeit
Nicht alle Welt friß’t auf/ durch meine Fruchtbarkeit.
Die Geilheit.
Bin ich doch fruchtbarer/ als du.
Komm’t/ Kinder/ baͤhn’t den Weg mit Tulipanen.
Die keuſche Liebe.
Die Kinder ſind nur Raben/ meine Schwanen
850Auch deck’t dein Blumwerck Nattern zu.
Jhr meine Kinder/ kommt herbey/
Und zeug’t: daß kein Napel in meinen Roſen ſey.
Die Geilheit.
Der Dorn kleb’t allen Roſen an;
Die keuſche Liebe.
An Tulpen iſt kein Bieſam nicht zu ſchmecken.
Die Geilheit.
855Dein Luſthauß ſieh’t bey duͤrr- und wilden Stoͤcken.
Die keuſche Liebe.
Das ſich gar bald verwandeln kan
Jn’s ſchoͤnſte Paradiß der Welt/
Wenn deine Sternen Pracht in ſchwartzen Abgrund faͤll’t.

Clau-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0076" n="58"/>
        <sp who="#GEIH">
          <speaker> <hi rendition="#b">Geilheit.</hi> </speaker><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>St diß wohl Frag- und Zweifelns werth;<lb/>
Denn bin ich nicht die Tochter &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ter Zierden?<lb/><note place="left">825</note>Gebehrerin der hefftig&#x017F;ten Begierden?<lb/>
Ein Feuer/ das wie Blitz durchfa&#x0364;hr&#x2019;t;<lb/>
Das Ertzt zer&#x017F;chmeltz&#x2019;t und Eyß &#x017F;teck&#x2019;t an;<lb/>
Das Fel&#x017F;en a&#x0364;&#x017F;chert ein/ und Rie&#x017F;en zwingen kan.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#KLI">
          <speaker> <hi rendition="#b">Keu&#x017F;che Liebe.</hi> </speaker><lb/>
          <p><hi rendition="#in">V</hi>Erkreuch dich du unechtes Kind.<lb/><note place="left">830</note>Jch Go&#x0364;ttin bin von der Natur gezeuget/<lb/>
Mich hat ja Milch/ dich Schlangen-Gi&#x017F;t ge&#x017F;euget.<lb/>
Mein ewig Oel/ dein Rauch und Wind<lb/>
Zeigt: daß mein Pfeil Gold/ deiner Bley/<lb/>
Dein Glantz ein Schwantz-Ge&#x017F;tirn/ ich eine Sonne &#x017F;ey.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GEIH">
          <speaker> <hi rendition="#b">Geilheit.</hi> </speaker><lb/>
          <note place="left">835</note>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>U bi&#x017F;t jedweden/ der dich kenn&#x2019;t/<lb/>
Ein Reitz/ der &#x017F;ich vergnu&#x0364;g&#x2019;t mit Schal- und Schleen/<lb/>
Ein Trieb/ der nichts gebiehr&#x2019;t als Wind und Wehen/<lb/>
Ein Zunder/ der nur glimm&#x2019;t nicht brenn&#x2019;t/<lb/>
Ein Stein/ der Stahl/ kein Gold nicht zeucht/<lb/><note place="left">840</note>Der vom anmuth&#x2019;gen Sud zum kalten Nord abweich&#x2019;t.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#KLI">
          <speaker> <hi rendition="#b">Die keu&#x017F;che Liebe.</hi> </speaker><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>U bi&#x017F;t die &#x017F;chlimme Zauberin/<lb/>
Die&#x2019;s Hertz in A&#x017F;ch/ in Vieh die Men&#x017F;chen kehret/<lb/>
Die Seel er&#x017F;teck&#x2019;t/ den Leib kra&#x0364;nck&#x2019;t und verzehret.<lb/>
Jch aber labe Seel und Sinn/<lb/><note place="left">845</note>Jch mache: daß der Zahn der Zeit<lb/>
Nicht alle Welt friß&#x2019;t auf/ durch meine Fruchtbarkeit.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GEIH">
          <speaker> <hi rendition="#b">Die Geilheit.</hi> </speaker><lb/>
          <p>Bin ich doch fruchtbarer/ als du.<lb/>
Komm&#x2019;t/ Kinder/ ba&#x0364;hn&#x2019;t den Weg mit Tulipanen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#KLI">
          <speaker> <hi rendition="#b">Die keu&#x017F;che Liebe.</hi> </speaker><lb/>
          <p>Die Kinder &#x017F;ind nur Raben/ meine Schwanen<lb/><note place="left">850</note>Auch deck&#x2019;t dein Blumwerck Nattern zu.<lb/>
Jhr meine Kinder/ kommt herbey/<lb/>
Und zeug&#x2019;t: daß kein Napel in meinen Ro&#x017F;en &#x017F;ey.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GEIH">
          <speaker> <hi rendition="#b">Die Geilheit.</hi> </speaker><lb/>
          <p>Der Dorn kleb&#x2019;t allen Ro&#x017F;en an;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#KLI">
          <speaker> <hi rendition="#b">Die keu&#x017F;che Liebe.</hi> </speaker><lb/>
          <p>An Tulpen i&#x017F;t kein Bie&#x017F;am nicht zu &#x017F;chmecken.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GEIH">
          <speaker> <hi rendition="#b">Die Geilheit.</hi> </speaker><lb/>
          <note place="left">855</note>
          <p>Dein Lu&#x017F;thauß &#x017F;ieh&#x2019;t bey du&#x0364;rr- und wilden Sto&#x0364;cken.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#KLI">
          <speaker> <hi rendition="#b">Die keu&#x017F;che Liebe.</hi> </speaker><lb/>
          <p>Das &#x017F;ich gar bald verwandeln kan<lb/>
Jn&#x2019;s &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Paradiß der Welt/<lb/>
Wenn deine Sternen Pracht in &#x017F;chwartzen Abgrund fa&#x0364;ll&#x2019;t.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Clau-</hi> </fw>
        </sp><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0076] Geilheit. JSt diß wohl Frag- und Zweifelns werth; Denn bin ich nicht die Tochter ſchoͤnſter Zierden? Gebehrerin der hefftigſten Begierden? Ein Feuer/ das wie Blitz durchfaͤhr’t; Das Ertzt zerſchmeltz’t und Eyß ſteck’t an; Das Felſen aͤſchert ein/ und Rieſen zwingen kan. Keuſche Liebe. VErkreuch dich du unechtes Kind. Jch Goͤttin bin von der Natur gezeuget/ Mich hat ja Milch/ dich Schlangen-Giſt geſeuget. Mein ewig Oel/ dein Rauch und Wind Zeigt: daß mein Pfeil Gold/ deiner Bley/ Dein Glantz ein Schwantz-Geſtirn/ ich eine Sonne ſey. Geilheit. DU biſt jedweden/ der dich kenn’t/ Ein Reitz/ der ſich vergnuͤg’t mit Schal- und Schleen/ Ein Trieb/ der nichts gebiehr’t als Wind und Wehen/ Ein Zunder/ der nur glimm’t nicht brenn’t/ Ein Stein/ der Stahl/ kein Gold nicht zeucht/ Der vom anmuth’gen Sud zum kalten Nord abweich’t. Die keuſche Liebe. DU biſt die ſchlimme Zauberin/ Die’s Hertz in Aſch/ in Vieh die Menſchen kehret/ Die Seel erſteck’t/ den Leib kraͤnck’t und verzehret. Jch aber labe Seel und Sinn/ Jch mache: daß der Zahn der Zeit Nicht alle Welt friß’t auf/ durch meine Fruchtbarkeit. Die Geilheit. Bin ich doch fruchtbarer/ als du. Komm’t/ Kinder/ baͤhn’t den Weg mit Tulipanen. Die keuſche Liebe. Die Kinder ſind nur Raben/ meine Schwanen Auch deck’t dein Blumwerck Nattern zu. Jhr meine Kinder/ kommt herbey/ Und zeug’t: daß kein Napel in meinen Roſen ſey. Die Geilheit. Der Dorn kleb’t allen Roſen an; Die keuſche Liebe. An Tulpen iſt kein Bieſam nicht zu ſchmecken. Die Geilheit. Dein Luſthauß ſieh’t bey duͤrr- und wilden Stoͤcken. Die keuſche Liebe. Das ſich gar bald verwandeln kan Jn’s ſchoͤnſte Paradiß der Welt/ Wenn deine Sternen Pracht in ſchwartzen Abgrund faͤll’t. Clau-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_ibrahim_1673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_ibrahim_1673/76
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_ibrahim_1673/76>, abgerufen am 23.11.2024.