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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] seiner Lantze; also fiel dieser verzagte Ausreisser
nicht nur schimpfflicher/ sondern auch eh/ als die/
welche er im Stiche gelassen hatte. Britomar
ward von ihm durch einen Wurffspieß hefftig
verwundet/ und nachdem von einer Seiten die-
ser Hertzog/ auff der andern das gantze obsiegen-
de Heer mit aller Gewalt nachdrungen/ muste
dieser Uberrest des Feindes in den Wohnstädten
der wilden Thiere ihre Sicherheit suchen/ und
ein Hauffen hier/ der ander dort sich in die dicke-
sten Wälder verkriechen. Alleine auch in diesen
wären sie von ihren Feinden nicht unverfolget
blieben/ wenn nicht die stockfinstere Nacht mit
einem hefftigen Platzregen eingebrochen/ und
die schwartzen Wolcken das sonst volle Mon-
den-Licht gantz verdüstert/ und also dem Tod-
schlagen nicht so wohl ein Ende/ als einen An-
stand gemacht hätte.

Der Feldherr ließ bey dieser Begebenheit
selbst Befehl und Zeichen geben/ daß die Deut-
schen bey so gefährlicher Finsterniß und schlüpf-
rigem Wetter ihren Feind in die morastigen
Wälder nicht verfolgen/ sondern mit der auff-
gehenden Sonnen der Römer und ihrer Ge-
hülffen endlichen Untergang erwarten solten.
Gleichwohl besetzte er die Wälder um und um
an denen Orten/ wo er meinte/ daß irgends
der dieser Wildnüße kundige Feind zu entrin-
nen/ ihm einigen Weg suchen dörffte. Er
verordnete auch/ daß aus denen umliegenden
Flecken dem Heere/ welches nun gleichsam den
gantzen Forst belägerte/ ein Uberfluß von Le-
bensmitteln/ welche der Deutschen Kriegs-
Sold sind/ zuführten. Wie sehr sie nun sonst
auch dem Schlaffe ergeben sind/ und von der
langen Schlacht ermüdet waren/ so ermun-
terte sie doch dieser herrliche Sieg dergestalt/ daß
wenig oder keiner ein Auge zuthat. Denn die/
welche nicht ihre eigene oder ihrer Angehörigen
empfangene Wunden zu verbinden/ noch die
Schwachen ins Läger zu führen harten/ mach-
ten sich auff der Wahlstatt und um den Forst
[Spaltenumbruch] herum bey etlichen tausend Wach- und Freu-
den-Feuern mit Gesundheit-Trincken/ Jauch-
tzen und Lobgesängen ihrer Feld-Herren und
Heerführer lustig. Unter die Kriegsknechte
mischten sich nun auch die Barden/ sangen
von dem deutschen Hercules vielerley Lieder/ und
zohen mit einem freudigen Nachklange ihm
endlich doch den großmüthigen Herrman für.

So vergnügt sich nun bey diesem Wolleben
die Deutschen befanden; so elende ging es de-
nen Uberwundenen/ wider welche der Himmel
numehro selbst sich verschworen zu haben schien.
Denn den en[t]standenen Regen begleitete ein solch
erschrecklicher Sturmwind/ welcher nicht nur
die Aeste und Wipffel der Bäume zerbrach/ son-
dern auch die stärckesten Stämme mit den
Wurtzeln aus der Erden riß/ und sie denen
ohne diß halb todtgeschlagenen auff die Hälse
warff. Die aber/ welche diesem Ungewitter
zu entkommen vermeinten/ und aus dem Ge-
höltze hervor krochen/ wurden von denen al-
lenthalben wachsamen Deutschen wie die Hun-
de zerfleischet. Das gantze Gefilde erbebe-
te von unauffhörlichem Widerschall/ bald von
dem Frolocken der Sieger/ bald von dem Kra-
chen der Bäume/ bald von dem Angst-Geschrey
der Zerschmetterten/ und stellte auff einmahl
den seltzamen Wechsel der irrdischen Dinge
für/ daß selten einer lachen könne/ wenn nicht
der andere weine. Dieses Unheil ward ver-
mehret noch durch dieses Hertzeleid/ daß grösten
theils der Römer ihre Weiber und Kinder/ wel-
che sie wider die alten Kriegs-Gesetze der Rö-
mer bey sich/ und die Nacht zuvor aus dem Lä-
ger mitgeführet hatten/ von diesem Sturm-
Winde überfallen/ die Weiber offt in den Ar-
men ihrer Ehmänner/ die säugenden Kinder
auff den Brüsten ihrer Mütter zerqvetscht
worden. Ja es brach einigen diß jämmerliche
Schauspiel dergestalt ihr Hertze/ daß sie/ aus Er-
barmniß/ ihrer eigenen Kinder und Ehgatten
Elend durch Mord zu verkürtzen sich entschlos-

sen.
G 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſeiner Lantze; alſo fiel dieſer verzagte Ausreiſſer
nicht nur ſchimpfflicher/ ſondern auch eh/ als die/
welche er im Stiche gelaſſen hatte. Britomar
ward von ihm durch einen Wurffſpieß hefftig
verwundet/ und nachdem von einer Seiten die-
ſer Hertzog/ auff der andern das gantze obſiegen-
de Heer mit aller Gewalt nachdrungen/ muſte
dieſer Uberreſt des Feindes in den Wohnſtaͤdten
der wilden Thiere ihre Sicherheit ſuchen/ und
ein Hauffen hier/ der ander dort ſich in die dicke-
ſten Waͤlder verkriechen. Alleine auch in dieſen
waͤren ſie von ihren Feinden nicht unverfolget
blieben/ wenn nicht die ſtockfinſtere Nacht mit
einem hefftigen Platzregen eingebrochen/ und
die ſchwartzen Wolcken das ſonſt volle Mon-
den-Licht gantz verduͤſtert/ und alſo dem Tod-
ſchlagen nicht ſo wohl ein Ende/ als einen An-
ſtand gemacht haͤtte.

Der Feldherr ließ bey dieſer Begebenheit
ſelbſt Befehl und Zeichen geben/ daß die Deut-
ſchen bey ſo gefaͤhrlicher Finſterniß und ſchluͤpf-
rigem Wetter ihren Feind in die moraſtigen
Waͤlder nicht verfolgen/ ſondern mit der auff-
gehenden Sonnen der Roͤmer und ihrer Ge-
huͤlffen endlichen Untergang erwarten ſolten.
Gleichwohl beſetzte er die Waͤlder um und um
an denen Orten/ wo er meinte/ daß irgends
der dieſer Wildnuͤße kundige Feind zu entrin-
nen/ ihm einigen Weg ſuchen doͤrffte. Er
verordnete auch/ daß aus denen umliegenden
Flecken dem Heere/ welches nun gleichſam den
gantzen Forſt belaͤgerte/ ein Uberfluß von Le-
bensmitteln/ welche der Deutſchen Kriegs-
Sold ſind/ zufuͤhrten. Wie ſehr ſie nun ſonſt
auch dem Schlaffe ergeben ſind/ und von der
langen Schlacht ermuͤdet waren/ ſo ermun-
terte ſie doch dieſer herrliche Sieg dergeſtalt/ daß
wenig oder keiner ein Auge zuthat. Denn die/
welche nicht ihre eigene oder ihrer Angehoͤrigen
empfangene Wunden zu verbinden/ noch die
Schwachen ins Laͤger zu fuͤhren harten/ mach-
ten ſich auff der Wahlſtatt und um den Forſt
[Spaltenumbruch] herum bey etlichen tauſend Wach- und Freu-
den-Feuern mit Geſundheit-Trincken/ Jauch-
tzen und Lobgeſaͤngen ihrer Feld-Herren und
Heerfuͤhrer luſtig. Unter die Kriegsknechte
miſchten ſich nun auch die Barden/ ſangen
von dem deutſchen Hercules vielerley Lieder/ und
zohen mit einem freudigen Nachklange ihm
endlich doch den großmuͤthigen Herrman fuͤr.

So vergnuͤgt ſich nun bey dieſem Wolleben
die Deutſchen befanden; ſo elende ging es de-
nen Uberwundenen/ wider welche der Himmel
numehro ſelbſt ſich verſchworen zu haben ſchien.
Deñ den en[t]ſtandenen Regen begleitete ein ſolch
erſchrecklicher Sturmwind/ welcher nicht nur
die Aeſte und Wipffel der Baͤume zerbrach/ ſon-
dern auch die ſtaͤrckeſten Staͤmme mit den
Wurtzeln aus der Erden riß/ und ſie denen
ohne diß halb todtgeſchlagenen auff die Haͤlſe
warff. Die aber/ welche dieſem Ungewitter
zu entkommen vermeinten/ und aus dem Ge-
hoͤltze hervor krochen/ wurden von denen al-
lenthalben wachſamen Deutſchen wie die Hun-
de zerfleiſchet. Das gantze Gefilde erbebe-
te von unauffhoͤrlichem Widerſchall/ bald von
dem Frolocken der Sieger/ bald von dem Kra-
chen der Baͤume/ bald von dem Angſt-Geſchrey
der Zerſchmetterten/ und ſtellte auff einmahl
den ſeltzamen Wechſel der irrdiſchen Dinge
fuͤr/ daß ſelten einer lachen koͤnne/ wenn nicht
der andere weine. Dieſes Unheil ward ver-
mehret noch durch dieſes Hertzeleid/ daß groͤſten
theils der Roͤmer ihre Weiber und Kinder/ wel-
che ſie wider die alten Kriegs-Geſetze der Roͤ-
mer bey ſich/ und die Nacht zuvor aus dem Laͤ-
ger mitgefuͤhret hatten/ von dieſem Sturm-
Winde uͤberfallen/ die Weiber offt in den Ar-
men ihrer Ehmaͤnner/ die ſaͤugenden Kinder
auff den Bruͤſten ihrer Muͤtter zerqvetſcht
worden. Ja es brach einigen diß jaͤmmerliche
Schauſpiel dergeſtalt ihr Hertze/ daß ſie/ aus Er-
barmniß/ ihrer eigenen Kinder und Ehgatten
Elend durch Mord zu verkuͤrtzen ſich entſchloſ-

ſen.
G 2
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/99>, abgerufen am 02.05.2024.