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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Leichen ins Capitolium. Die Gallier sahen
dem Untergange ihrer Nachbarn mit blinden
Augen und ohne Nachdencken: daß die sich nä-
hernde Flamme auch ihre Häuser auffressen
würde/ zu; und hatten alleine das Auge auf die
ihnen nunmehr allzu schrecklichen Deutschen/
welche/ nach dem der Sicambrische Hertzog Klo-
domir an der Maaß über hundert tausend Gal-
lier erschlagen/ ein grosses Theil des Belgischen
Galliens in Besitz nahmen. So vieler Römi-
schen Siege Freude ward alleine vergället durch
die niedergesessenen Skordiskischen Deutschen.
Diese Uberbleibungen des Brennus waren noch
die einigen Schutz-Säulen der von den Römern
bedrängten Völcker; und nahmen so wohl die
Karner als Dalmatier zu ihnen Zuflucht; mit
denen sie die Römer durch öfftere Einfälle in
Macedonien/ Thessalien und Jllyrien beunru-
higten. Die Römer hatten wohl Bedencken
mit diesem streitbaren Volcke sich zu verwickeln;
sonderlich/ weil die Nachbarn gleichsam un-
menschliche Grausamkeiten von ihnen erzehl-
ten: daß sie die Gefangenen mit Feuer und
Rauche ermordeten/ aus ihren Hirn-Schädeln
Blut trincken/ und die unzeitigen Früchte aus
Mutter-Leibe zu schneiden für Kurtzweil hielten.
Gleichwohl zohe der Bürgermeister Cajus Por-
tius Cato wider sie; ließ sich aber durch diese in
das güldene Gebürge aus angenommener
Furcht zurück weichende Deutschen derogestalt
in die verhauenen Wälder und Klippen verlei-
ten: daß beynahe sein gantzes Heer erschlagen
ward. Gantz Griechenland und alle Länder
standen hiermit den Deutschen biß an das Adri-
atische Meer zum Raube offen; darein sie ihre
Pfeile aus Verdruß abschossen; nach dem es die
Natur zum Aufenthalt ihrer Siege ihnen in
Weg gesetzt hatte. Die Römer sorgten allein
ihre festen Städte zu bewahren; wiewohl sie in
Macedonien unter dem Bertiskischen Gebürge
mit Hinwegtreibung des Viehes den Lucullus
aus der Stadt Heraclea lockten/ hernach ihm
[Spaltenumbruch] den Rückweg abschnitten/ ihn mit acht hundert
Römern erlegten und die Stadt eroberten.
Jedoch hielten sie sich wenige Zeit hernach wieder
in ihren Gräntzen/ weil folgendes Jahr der
Bürgermeister Livius Drusus/ und abermals
Titus Didius/ wie nichts minder Marcus
Drusus ihnen einen schweren Gegenstreich ver-
setzte. Zu eben selbiger Zeit aber schienen die
Deutschen der allgemeinen Herrschafft der Rö-
mer/ welche in dreyen Theilen der Welt Meister
spielte/ einen Riegel fürzuschieben.

Es liegt von hier gegen Mitternacht ein hal-
bes Eyland/ welches mit etlichen andern neuen
Eylanden die Cimbern und Teutoner bewoh-
nen/ und wordurch die Ost- und West-See von
einander unterschieden werden. Wie der
Weltweise Hipparchus einen gantz neuen Stern
an dem Himmel wahrnahm/ und daraus den
Römern die völlige Unterdrückung des Grie-
chischen Reiches wahrsagte/ schwellete sich das
Meer durch einen grausamen Sturm; und
weil der Gestirne Würckungen in dem Meere
am sichtbarsten sind/ vermuthlich durch eine be-
sondere Regung des neuen Sternes derogestalt
empor: daß der Cimbrer und Teutoner festes
Land grossentheils überschwemmet/ und in un-
terschiedene Eylande zergliedert wurden. Die-
se enge Einschrenckung oder auch die Ruhms-
Begierde dieser streitbaren und überaus frucht-
baren Völcker/ welche schon lange Zeit vorher
nicht nur biß zu der Meotischen Pfütze/ sondern
biß in Lydien zum Crösus gedrungen waren/
veranlaßte sie: daß zwar König Juta seiner
Voreltern Herrschafft behielt/ dreymal hundert
tausend Mann aber zur Zeit des grossen Ale-
xanders umb anderwerts einen Sitz zu gewin-
nen/ und ihren Freunden Lufft zu machen das
Vaterland verliessen. Ein Theil derselben
satzten über die Oder/ Weichsel und Bori-
sthenes/ gingen an dem Flusse Gerrhus hinauf/
und liessen sich in dem Taurischen Chersonesus

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Leichen ins Capitolium. Die Gallier ſahen
dem Untergange ihrer Nachbarn mit blinden
Augen und ohne Nachdencken: daß die ſich naͤ-
hernde Flamme auch ihre Haͤuſer auffreſſen
wuͤrde/ zu; und hatten alleine das Auge auf die
ihnen nunmehr allzu ſchrecklichen Deutſchen/
welche/ nach dem der Sicambriſche Hertzog Klo-
domir an der Maaß uͤber hundert tauſend Gal-
lier erſchlagen/ ein groſſes Theil des Belgiſchen
Galliens in Beſitz nahmen. So vieler Roͤmi-
ſchen Siege Freude ward alleine vergaͤllet durch
die niedergeſeſſenen Skordiskiſchen Deutſchen.
Dieſe Uberbleibungen des Brennus waren noch
die einigen Schutz-Saͤulen der von den Roͤmern
bedraͤngten Voͤlcker; und nahmen ſo wohl die
Karner als Dalmatier zu ihnen Zuflucht; mit
denen ſie die Roͤmer durch oͤfftere Einfaͤlle in
Macedonien/ Theſſalien und Jllyrien beunru-
higten. Die Roͤmer hatten wohl Bedencken
mit dieſem ſtreitbaren Volcke ſich zu verwickeln;
ſonderlich/ weil die Nachbarn gleichſam un-
menſchliche Grauſamkeiten von ihnen erzehl-
ten: daß ſie die Gefangenen mit Feuer und
Rauche ermordeten/ aus ihren Hirn-Schaͤdeln
Blut trincken/ und die unzeitigen Fruͤchte aus
Mutter-Leibe zu ſchneiden fuͤr Kurtzweil hieltẽ.
Gleichwohl zohe der Buͤrgeꝛmeiſter Cajus Poꝛ-
tius Cato wider ſie; ließ ſich aber durch dieſe in
das guͤldene Gebuͤrge aus angenommener
Furcht zuruͤck weichende Deutſchen derogeſtalt
in die verhauenen Waͤlder und Klippen verlei-
ten: daß beynahe ſein gantzes Heer erſchlagen
ward. Gantz Griechenland und alle Laͤnder
ſtanden hiermit den Deutſchen biß an das Adri-
atiſche Meer zum Raube offen; darein ſie ihre
Pfeile aus Verdruß abſchoſſen; nach dem es die
Natur zum Aufenthalt ihrer Siege ihnen in
Weg geſetzt hatte. Die Roͤmer ſorgten allein
ihre feſten Staͤdte zu bewahren; wiewohl ſie in
Macedonien unter dem Bertiskiſchen Gebuͤrge
mit Hinwegtreibung des Viehes den Lucullus
aus der Stadt Heraclea lockten/ hernach ihm
[Spaltenumbruch] den Ruͤckweg abſchnitten/ ihn mit acht hundert
Roͤmern erlegten und die Stadt eroberten.
Jedoch hielten ſie ſich wenige Zeit heꝛnach wiedeꝛ
in ihren Graͤntzen/ weil folgendes Jahr der
Buͤrgermeiſter Livius Druſus/ und abermals
Titus Didius/ wie nichts minder Marcus
Druſus ihnen einen ſchweren Gegenſtreich ver-
ſetzte. Zu eben ſelbiger Zeit aber ſchienen die
Deutſchen der allgemeinen Herrſchafft der Roͤ-
mer/ welche in dreyen Theilen der Welt Meiſter
ſpielte/ einen Riegel fuͤrzuſchieben.

Es liegt von hier gegen Mitternacht ein hal-
bes Eyland/ welches mit etlichen andern neuen
Eylanden die Cimbern und Teutoner bewoh-
nen/ und wordurch die Oſt- und Weſt-See von
einander unterſchieden werden. Wie der
Weltweiſe Hipparchus einen gantz neuen Steꝛn
an dem Himmel wahrnahm/ und daraus den
Roͤmern die voͤllige Unterdruͤckung des Grie-
chiſchen Reiches wahrſagte/ ſchwellete ſich das
Meer durch einen grauſamen Sturm; und
weil der Geſtirne Wuͤrckungen in dem Meere
am ſichtbarſten ſind/ vermuthlich durch eine be-
ſondere Regung des neuen Sternes derogeſtalt
empor: daß der Cimbrer und Teutoner feſtes
Land groſſentheils uͤberſchwemmet/ und in un-
terſchiedene Eylande zergliedert wurden. Die-
ſe enge Einſchrenckung oder auch die Ruhms-
Begierde dieſer ſtreitbaren und uͤberaus frucht-
baren Voͤlcker/ welche ſchon lange Zeit vorher
nicht nur biß zu der Meotiſchen Pfuͤtze/ ſondern
biß in Lydien zum Croͤſus gedrungen waren/
veranlaßte ſie: daß zwar Koͤnig Juta ſeiner
Voreltern Herrſchafft behielt/ dreymal hundert
tauſend Mann aber zur Zeit des groſſen Ale-
xanders umb anderwerts einen Sitz zu gewin-
nen/ und ihren Freunden Lufft zu machen das
Vaterland verlieſſen. Ein Theil derſelben
ſatzten uͤber die Oder/ Weichſel und Bori-
ſthenes/ gingen an dem Fluſſe Gerrhus hinauf/
und lieſſen ſich in dem Tauriſchen Cherſoneſus

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 899[901]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/961>, abgerufen am 23.11.2024.