Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Handvolln rothes Saltz in das heilige Feuerwarff/ und laut zu ruffen anfing: O ihr Götter! eröfnet mir meine Augen: daß ich dis/ was ich mir festiglich einbilde/ recht erkennen möge! Hierauf redete sie den Viriath getrost an: Wo mich das Verhängnüß nicht selbst verblendet/ bist du nicht Jndibil und ein Hirten-Kind; (also hatte man ihn zeither geheissen) sondern Viriath des tapfern Celtischen Fürsten Olonich Sohn. Denn du sihest ihm so gleich/ als wenn du ihm aus den Augen geschnitten wärest; und das kleine Feu- er-Mal in dem rechten Schlafe/ welches ich ge- nau wahr genommen/ als ich dich gesäuget/ ist mir ein gewisses Merckmal. Wormit aber weder du noch iemand anders an dieser Wahr- heit zweifeln darffst/ so entblösse deine rechte Brust; damit man auf selbter das Merckmal der Sidinischen Fürsten/ nemlich die eigentliche Bären-Tatze erkenne. Viriath empfand sich zu seiner grossen Vergnügung überwiesen/ und aus einem Hirten in einen gebohrnen Für- sten verwandelt. Daher rieß er seinen Rock auf/ und zeigte allem Volcke das angedeutete Bären-Zeichen. Bald dar auf ward auch Vi- riaths vermeynter Vater ein alter Ziegen-Hir- te aus einer Hütte herbey geholet; welcher be- kante: daß er für ein und zwantzig Jahren nach dem Einfalle der Römer und des Fürsten Olo- nichs Erlegung ihn als ein Kind im Gebürge gefunden habe. Alles Volck fing hierüber ein so grosses Freuden-Geschrey an: daß das Ge- bürge erbebte/ und die tieffen Stein-Klüffte durch ihren Wieder-Schall gleichsam auch ihr Jauchzen beysetzten. Gantz Lusitanien ließ ihn hier auf für ihren Fürsten und Ober-Haupt ausruffen; welchen die Tapferkeit vorher schon zu ihrem Feldherrn gemacht hatte. Er aber selbst änderte mit seinem Stande das mindeste seiner Sitten; sondern er ging mit seinen Kriegsleuten wie mit seinen Brüdern umb; ließ ihnen alle Beute/ und vergnügte sich mit der Ehre. Sein Schild war ins gemein seine [Spaltenumbruch] Taffel; welche meist nur mit Brodt und Was- ser angerichtet ward. Er schlief niemals un- gewaffnet/ noch über fünf Stunden. Wollü- ste waren ihm so fremde/ als Hispanien die Cro- codile; also: daß er auch sich zu verheyrathen schwerlich zu bereden war. Mit einem Wor- te: Er zeigte sich in allem ein ausbündiger Fürst zu seyn/ wenn er es schon nie wäre gebohren ge- west. Der Rath zu Rom ward über dieser neu- en Zeitung noch mehr bekümmert/ schickte daher den Bürgermeister Quintus Fabius Emilianus mit siebzehn tausend frischen Völckern in das Betische Hispanien. Die Uberbleibung der vormals geschlagenen Heere aber machte durch Herausstreichung des unüberwindlichen Vi- riaths die Römer so bestürtzt: daß sie Fabius nicht über den Fluß Betis zu führen getraute; sondern sie bey der Stadt Orsona durch Kriegs- Ubungen vor abzuhärten/ auch selbst in dem Ey- lande Gades dem Hercules auf Celtische Art zu opfern für nöthig hielt. Unterdeß aber setzte Viriath selbst über den Fluß Betis; nahm den Römern vier hundert nach Holtz fahrende Wa- gen mit fünf hundert Reitern weg; und als des Viriaths Befehlhaber ihn verfolgte/ schlug er sein Heer aus dem Felde/ und eroberte eine un- sägliche Beute. Ob nun wohl Fabius zurück eilte und verstärckt ward/ traute er doch nicht mit dem Viriath zu schlagen. Nach dem die Rö- mer mit ihrem Schaden des Viriaths Kriegs- Streiche endlich lernten/ erlangte Fabius zwar in etlichen Scharmützeln einigen Vortheil; al- leine er wetzte bald diese Schart an dem ihm gleichsam zum Glücks-Steine erkieseten Ge- bürge der Venus durch Uberwindung des Quintius/ und Eroberung der Stadt Jtuca aus. Hierdurch brachte er nicht allein die streitbaren Arvacker/ Titther und Beller umb den Strom Sucro auf seine Seite; sondern auch die Stadt Numantia dahin: daß sie gegen die ungerechten Römer großmüthig die Waffen zückten/ welche sie als Sclaven niederlegen solten; weil U u u u u 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Handvolln rothes Saltz in das heilige Feuerwarff/ und laut zu ruffen anfing: O ihr Goͤtter! eroͤfnet mir meine Augẽ: daß ich dis/ was ich mir feſtiglich einbilde/ recht erkennen moͤge! Hierauf redete ſie den Viriath getroſt an: Wo mich das Verhaͤngnuͤß nicht ſelbſt verblendet/ biſt du nicht Jndibil und ein Hirten-Kind; (alſo hatte man ihn zeither geheiſſen) ſondern Viriath des tapfern Celtiſchen Fuͤrſten Olonich Sohn. Denn du ſiheſt ihm ſo gleich/ als wenn du ihm aus den Augen geſchnitten waͤreſt; und das kleine Feu- er-Mal in dem rechten Schlafe/ welches ich ge- nau wahr genommen/ als ich dich geſaͤuget/ iſt mir ein gewiſſes Merckmal. Wormit aber weder du noch iemand anders an dieſer Wahr- heit zweifeln darffſt/ ſo entbloͤſſe deine rechte Bruſt; damit man auf ſelbter das Merckmal der Sidiniſchen Fuͤrſten/ nemlich die eigentliche Baͤren-Tatze erkenne. Viriath empfand ſich zu ſeiner groſſen Vergnuͤgung uͤberwieſen/ und aus einem Hirten in einen gebohrnen Fuͤr- ſten verwandelt. Daher rieß er ſeinen Rock auf/ und zeigte allem Volcke das angedeutete Baͤren-Zeichen. Bald dar auf ward auch Vi- riaths vermeynter Vater ein alter Ziegen-Hir- te aus einer Huͤtte herbey geholet; welcher be- kante: daß er fuͤr ein und zwantzig Jahren nach dem Einfalle der Roͤmer und des Fuͤrſten Olo- nichs Erlegung ihn als ein Kind im Gebuͤrge gefunden habe. Alles Volck fing hieruͤber ein ſo groſſes Freuden-Geſchrey an: daß das Ge- buͤrge erbebte/ und die tieffen Stein-Kluͤffte durch ihren Wieder-Schall gleichſam auch ihr Jauchzen beyſetzten. Gantz Luſitanien ließ ihn hier auf fuͤr ihren Fuͤrſten und Ober-Haupt ausruffen; welchen die Tapferkeit vorher ſchon zu ihrem Feldherꝛn gemacht hatte. Er aber ſelbſt aͤnderte mit ſeinem Stande das mindeſte ſeiner Sitten; ſondern er ging mit ſeinen Kriegsleuten wie mit ſeinen Bruͤdern umb; ließ ihnen alle Beute/ und vergnuͤgte ſich mit der Ehre. Sein Schild war ins gemein ſeine [Spaltenumbruch] Taffel; welche meiſt nur mit Brodt und Waſ- ſer angerichtet ward. Er ſchlief niemals un- gewaffnet/ noch uͤber fuͤnf Stunden. Wolluͤ- ſte waren ihm ſo fremde/ als Hiſpanien die Cro- codile; alſo: daß er auch ſich zu verheyrathen ſchwerlich zu bereden war. Mit einem Wor- te: Er zeigte ſich in allem ein ausbuͤndiger Fuͤrſt zu ſeyn/ wenn er es ſchon nie waͤre gebohren ge- weſt. Der Rath zu Rom ward uͤber dieſer neu- en Zeitung noch mehr bekuͤmmert/ ſchickte daher den Buͤrgermeiſter Quintus Fabius Emilianus mit ſiebzehn tauſend friſchen Voͤlckern in das Betiſche Hiſpanien. Die Uberbleibung der vormals geſchlagenen Heere aber machte durch Herausſtreichung des unuͤberwindlichen Vi- riaths die Roͤmer ſo beſtuͤrtzt: daß ſie Fabius nicht uͤber den Fluß Betis zu fuͤhren getraute; ſondern ſie bey der Stadt Orſona durch Kriegs- Ubungen vor abzuhaͤrten/ auch ſelbſt in dem Ey- lande Gades dem Hercules auf Celtiſche Art zu opfern fuͤr noͤthig hielt. Unterdeß aber ſetzte Viriath ſelbſt uͤber den Fluß Betis; nahm den Roͤmern vier hundert nach Holtz fahrende Wa- gen mit fuͤnf hundert Reitern weg; und als des Viriaths Befehlhaber ihn verfolgte/ ſchlug er ſein Heer aus dem Felde/ und eroberte eine un- ſaͤgliche Beute. Ob nun wohl Fabius zuruͤck eilte und verſtaͤrckt ward/ traute er doch nicht mit dem Viriath zu ſchlagen. Nach dem die Roͤ- mer mit ihrem Schaden des Viriaths Kriegs- Streiche endlich lernten/ erlangte Fabius zwar in etlichen Scharmuͤtzeln einigen Vortheil; al- leine er wetzte bald dieſe Schart an dem ihm gleichſam zum Gluͤcks-Steine erkieſeten Ge- buͤrge der Venus durch Uberwindung des Quintius/ und Eroberung der Stadt Jtuca aus. Hierdurch brachte er nicht allein die ſtreitbaren Arvacker/ Titther und Beller umb den Strom Sucro auf ſeine Seite; ſondern auch die Stadt Numantia dahin: daß ſie gegen die ungerechten Roͤmer großmuͤthig die Waffen zuͤckten/ welche ſie als Sclaven niederlegẽ ſolten; weil U u u u u 2
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Arminius und Thußnelda.
Handvolln rothes Saltz in das heilige Feuer
warff/ und laut zu ruffen anfing: O ihr Goͤtter!
eroͤfnet mir meine Augẽ: daß ich dis/ was ich mir
feſtiglich einbilde/ recht erkennen moͤge! Hierauf
redete ſie den Viriath getroſt an: Wo mich
das Verhaͤngnuͤß nicht ſelbſt verblendet/ biſt du
nicht Jndibil und ein Hirten-Kind; (alſo hatte
man ihn zeither geheiſſen) ſondern Viriath des
tapfern Celtiſchen Fuͤrſten Olonich Sohn. Denn
du ſiheſt ihm ſo gleich/ als wenn du ihm aus den
Augen geſchnitten waͤreſt; und das kleine Feu-
er-Mal in dem rechten Schlafe/ welches ich ge-
nau wahr genommen/ als ich dich geſaͤuget/ iſt
mir ein gewiſſes Merckmal. Wormit aber
weder du noch iemand anders an dieſer Wahr-
heit zweifeln darffſt/ ſo entbloͤſſe deine rechte
Bruſt; damit man auf ſelbter das Merckmal
der Sidiniſchen Fuͤrſten/ nemlich die eigentliche
Baͤren-Tatze erkenne. Viriath empfand ſich
zu ſeiner groſſen Vergnuͤgung uͤberwieſen/
und aus einem Hirten in einen gebohrnen Fuͤr-
ſten verwandelt. Daher rieß er ſeinen Rock
auf/ und zeigte allem Volcke das angedeutete
Baͤren-Zeichen. Bald dar auf ward auch Vi-
riaths vermeynter Vater ein alter Ziegen-Hir-
te aus einer Huͤtte herbey geholet; welcher be-
kante: daß er fuͤr ein und zwantzig Jahren nach
dem Einfalle der Roͤmer und des Fuͤrſten Olo-
nichs Erlegung ihn als ein Kind im Gebuͤrge
gefunden habe. Alles Volck fing hieruͤber ein
ſo groſſes Freuden-Geſchrey an: daß das Ge-
buͤrge erbebte/ und die tieffen Stein-Kluͤffte
durch ihren Wieder-Schall gleichſam auch ihr
Jauchzen beyſetzten. Gantz Luſitanien ließ
ihn hier auf fuͤr ihren Fuͤrſten und Ober-Haupt
ausruffen; welchen die Tapferkeit vorher ſchon
zu ihrem Feldherꝛn gemacht hatte. Er aber
ſelbſt aͤnderte mit ſeinem Stande das mindeſte
ſeiner Sitten; ſondern er ging mit ſeinen
Kriegsleuten wie mit ſeinen Bruͤdern umb;
ließ ihnen alle Beute/ und vergnuͤgte ſich mit der
Ehre. Sein Schild war ins gemein ſeine
Taffel; welche meiſt nur mit Brodt und Waſ-
ſer angerichtet ward. Er ſchlief niemals un-
gewaffnet/ noch uͤber fuͤnf Stunden. Wolluͤ-
ſte waren ihm ſo fremde/ als Hiſpanien die Cro-
codile; alſo: daß er auch ſich zu verheyrathen
ſchwerlich zu bereden war. Mit einem Wor-
te: Er zeigte ſich in allem ein ausbuͤndiger Fuͤrſt
zu ſeyn/ wenn er es ſchon nie waͤre gebohren ge-
weſt. Der Rath zu Rom ward uͤber dieſer neu-
en Zeitung noch mehr bekuͤmmert/ ſchickte daher
den Buͤrgermeiſter Quintus Fabius Emilianus
mit ſiebzehn tauſend friſchen Voͤlckern in das
Betiſche Hiſpanien. Die Uberbleibung der
vormals geſchlagenen Heere aber machte durch
Herausſtreichung des unuͤberwindlichen Vi-
riaths die Roͤmer ſo beſtuͤrtzt: daß ſie Fabius
nicht uͤber den Fluß Betis zu fuͤhren getraute;
ſondern ſie bey der Stadt Orſona durch Kriegs-
Ubungen vor abzuhaͤrten/ auch ſelbſt in dem Ey-
lande Gades dem Hercules auf Celtiſche Art zu
opfern fuͤr noͤthig hielt. Unterdeß aber ſetzte
Viriath ſelbſt uͤber den Fluß Betis; nahm den
Roͤmern vier hundert nach Holtz fahrende Wa-
gen mit fuͤnf hundert Reitern weg; und als des
Viriaths Befehlhaber ihn verfolgte/ ſchlug er
ſein Heer aus dem Felde/ und eroberte eine un-
ſaͤgliche Beute. Ob nun wohl Fabius zuruͤck
eilte und verſtaͤrckt ward/ traute er doch nicht mit
dem Viriath zu ſchlagen. Nach dem die Roͤ-
mer mit ihrem Schaden des Viriaths Kriegs-
Streiche endlich lernten/ erlangte Fabius zwar
in etlichen Scharmuͤtzeln einigen Vortheil; al-
leine er wetzte bald dieſe Schart an dem ihm
gleichſam zum Gluͤcks-Steine erkieſeten Ge-
buͤrge der Venus durch Uberwindung des
Quintius/ und Eroberung der Stadt Jtuca
aus. Hierdurch brachte er nicht allein die
ſtreitbaren Arvacker/ Titther und Beller umb
den Strom Sucro auf ſeine Seite; ſondern
auch die Stadt Numantia dahin: daß ſie gegen
die ungerechten Roͤmer großmuͤthig die Waffen
zuͤckten/ welche ſie als Sclaven niederlegẽ ſolten;
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 891[893]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/953>, abgerufen am 10.06.2024. |