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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] chen Gewaltthäter zu straffen/ ihm auch das er-
zwungene wieder abzunehmen Recht hat; so
kan doch der Versprecher selbst seine anfängliche
Beschaffenheit nicht ändern/ und sich wider den/
mit dem er das Versprechen vollzogen/ zum
Richter machen. Daher nicht allein Lucullus
dem Führer der Flüchtlinge Apollonius sein
Wort gehalten; und Augustus dem sich selbst
gestellenden Räuber Crocotas den auff seinen
Kopff gesetzten Lohn bezahlet; sondern auch der
Römische Rath gar des Pompejus mit den See-
und des Julius mit den Pyreneischen Berg-
Räubern gemachten Vergleich genehm gehabt
hat. Rhemetalces begegnete ihm: Aber Hel-
vius hat die Versprechung des Goldes von der
Chiomara durch angedräute Unzucht erzwun-
gen. Soll nun das bindig seyn/ was aus einer
Gewalt herrühret/ welche das Recht der Natur
und der Völcker verdammet? Malovend ant-
wortete: Wenn was so verdammliches verheissen
würde/ wäre es unkräfftig und zu halten schelt-
bar. Je verdammlicher aber diß ist/ was durch
das Versprechen verhütet wird; ie mehr ist man
wegen so einer wichtigen Bewegungs-Ursache
das Verheissene zu halten schuldig. Wiewol
die Deutschen auch das Versprochene/ was
gleich an sich selbst scheltbar ist/ nicht inne zu hal-
ten für Schande achten/ und daher/ wenn sie ih-
re aufgesetzte Freyheit verspielen/ sich ohne ge-
ringe Weigerung dem Gewinner leibeigen ge-
ben. Ja unter uns ist auch der Pöfel so gear-
tet: daß er lieber einen Zentner an seinem Ver-
mögen/ als ein Loth an seinen Worten einbüssen
wil; weil diese ein Vorbild des Gemüthes sind;
und wenn jene leichtsinnig sind/ dieses liederlich
seyn muß. Wiewol diese Aufrichtigkeit uns
Deutschen in denen mit den verschlagenen Rö-
mern geführten Kriegen sehr schädlich gewest;
in dem wir gar zu genau Wort gehalten/ und ih-
ren zweydeutigen Reden zu viel getraut haben.
Wiewol es rühmlicher ist/ durch Redligkeit
Schaden leiden/ als durch Unwahrheit Scha-
[Spaltenumbruch] den thun. Zeno fing hierüber laut an zu ruffen:
Nun erfahre ich: daß kein Volck an Treu und
Glauben über die Deutschen sey; und daß in
andern Ländern nur dieser Tugend Schatten/
hier aber ihr Wesen und Uberfluß zu finden sey!
Ja/ sagte Malovend: dieses reichen Besitz-
thums haben wir uns zu rühmen; insonderheit
aber ist sie eine so nöthige Eigenschafft des Adels
und der Fürsten: daß wer darwider handelt sei-
ner Würde verlustig wird; vorher aber weder
Fürst noch Edler etwas mit einem Eyde be-
theuern darf. Weßwegen unser Hertzog Mar-
comir nicht nur nichts höher/ als: so wahr er ein
ehrlicher Mann wäre/ zu betheuern/ und daß er
diß wäre/ für seinen höchsten Ruhm zu schätzen/
ja zu sagen pflegte: diß wäre mehr als Käyser
seyn. Zeno fiel ein: Diese Eydes-Freyheit ha-
ben zu Rom nur die Vestalischen Jungfrauen/
und Jupiters Priester. Und Xenocrates hat-
te sie seiner Redligkeit halber in Griechenland
für allen Richter-Stülen. Wolte Gott aber/
daß alle Menschen oder doch nur zum wenig-
sten Fürsten solcher zu genüssen würdig wären!
welche aber leider! insgemein Treu und Glau-
ben halten nur für eine Tugend der Kauff-Leu-
te/ für einen Fehler der Staats-Klugen/ und
für Gebrechen der Fürsten; die theuersten Ey-
de für Spielbeine halten/ die Albern damit
zu betrügen. Rhemetalces nahm das Wort
von ihm: Jch gebe gerne nach: daß da ein
Mensch/ so viel mehr Fürsten als Gottes Bil-
der auff Erden die Warheit lieben sollen.
Weßwegen Marcus Antonius ihm den Ti-
tel des Wahrhafftigstens als den fürnehmsten
unter allen zueignete. Alleine seinem Be-
düncken nach wäre die Welt nunmehr auff so
viel Fallstricke abgerichtet: daß ein Fürst mit
seinen Worten leicht könte gefangen werden.
Solte er in solchen Fällen nicht auch eine ver-
schmitzte Ausflucht zu suchen/ und List mit List zu
vernichten befugt seyn? Solte er seinen Feind
nicht mit Worten in einen Jrrthum verleiten

mö-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] chen Gewaltthaͤter zu ſtraffen/ ihm auch das er-
zwungene wieder abzunehmen Recht hat; ſo
kan doch der Verſprecher ſelbſt ſeine anfaͤngliche
Beſchaffenheit nicht aͤndern/ und ſich wider den/
mit dem er das Verſprechen vollzogen/ zum
Richter machen. Daher nicht allein Lucullus
dem Fuͤhrer der Fluͤchtlinge Apollonius ſein
Wort gehalten; und Auguſtus dem ſich ſelbſt
geſtellenden Raͤuber Crocotas den auff ſeinen
Kopff geſetzten Lohn bezahlet; ſondern auch der
Roͤmiſche Rath gar des Pompejus mit den See-
und des Julius mit den Pyreneiſchen Berg-
Raͤubern gemachten Vergleich genehm gehabt
hat. Rhemetalces begegnete ihm: Aber Hel-
vius hat die Verſprechung des Goldes von der
Chiomara durch angedraͤute Unzucht erzwun-
gen. Soll nun das bindig ſeyn/ was aus einer
Gewalt herruͤhret/ welche das Recht der Natur
und der Voͤlcker verdammet? Malovend ant-
wortete: Wenn was ſo verdam̃liches verheiſſen
wuͤrde/ waͤre es unkraͤfftig und zu halten ſchelt-
bar. Je verdam̃licher aber diß iſt/ was durch
das Verſprechen verhuͤtet wird; ie mehr iſt man
wegen ſo einer wichtigen Bewegungs-Urſache
das Verheiſſene zu halten ſchuldig. Wiewol
die Deutſchen auch das Verſprochene/ was
gleich an ſich ſelbſt ſcheltbar iſt/ nicht inne zu hal-
ten fuͤr Schande achten/ und daher/ wenn ſie ih-
re aufgeſetzte Freyheit verſpielen/ ſich ohne ge-
ringe Weigerung dem Gewinner leibeigen ge-
ben. Ja unter uns iſt auch der Poͤfel ſo gear-
tet: daß er lieber einen Zentner an ſeinem Ver-
moͤgen/ als ein Loth an ſeinen Worten einbuͤſſen
wil; weil dieſe ein Vorbild des Gemuͤthes ſind;
und wenn jene leichtſinnig ſind/ dieſes liederlich
ſeyn muß. Wiewol dieſe Aufrichtigkeit uns
Deutſchen in denen mit den verſchlagenen Roͤ-
mern gefuͤhrten Kriegen ſehr ſchaͤdlich geweſt;
in dem wir gar zu genau Wort gehalten/ und ih-
ren zweydeutigen Reden zu viel getraut haben.
Wiewol es ruͤhmlicher iſt/ durch Redligkeit
Schaden leiden/ als durch Unwahrheit Scha-
[Spaltenumbruch] den thun. Zeno fing hieruͤber laut an zu ruffen:
Nun erfahre ich: daß kein Volck an Treu und
Glauben uͤber die Deutſchen ſey; und daß in
andern Laͤndern nur dieſer Tugend Schatten/
hier aber ihr Weſen und Uberfluß zu finden ſey!
Ja/ ſagte Malovend: dieſes reichen Beſitz-
thums haben wir uns zu ruͤhmen; inſonderheit
aber iſt ſie eine ſo noͤthige Eigenſchafft des Adels
und der Fuͤrſten: daß wer darwider handelt ſei-
ner Wuͤrde verluſtig wird; vorher aber weder
Fuͤrſt noch Edler etwas mit einem Eyde be-
theuern darf. Weßwegen unſer Hertzog Mar-
comir nicht nur nichts hoͤher/ als: ſo wahr er ein
ehrlicher Mann waͤre/ zu betheuern/ und daß er
diß waͤre/ fuͤr ſeinen hoͤchſten Ruhm zu ſchaͤtzen/
ja zu ſagen pflegte: diß waͤre mehr als Kaͤyſer
ſeyn. Zeno fiel ein: Dieſe Eydes-Freyheit ha-
ben zu Rom nur die Veſtaliſchen Jungfrauen/
und Jupiters Prieſter. Und Xenocrates hat-
te ſie ſeiner Redligkeit halber in Griechenland
fuͤr allen Richter-Stuͤlen. Wolte Gott aber/
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welche aber leider! insgemein Treu und Glau-
ben halten nur fuͤr eine Tugend der Kauff-Leu-
te/ fuͤr einen Fehler der Staats-Klugen/ und
fuͤr Gebrechen der Fuͤrſten; die theuerſten Ey-
de fuͤr Spielbeine halten/ die Albern damit
zu betruͤgen. Rhemetalces nahm das Wort
von ihm: Jch gebe gerne nach: daß da ein
Menſch/ ſo viel mehr Fuͤrſten als Gottes Bil-
der auff Erden die Warheit lieben ſollen.
Weßwegen Marcus Antonius ihm den Ti-
tel des Wahrhafftigſtens als den fuͤrnehmſten
unter allen zueignete. Alleine ſeinem Be-
duͤncken nach waͤre die Welt nunmehr auff ſo
viel Fallſtricke abgerichtet: daß ein Fuͤrſt mit
ſeinen Worten leicht koͤnte gefangen werden.
Solte er in ſolchen Faͤllen nicht auch eine ver-
ſchmitzte Ausflucht zu ſuchen/ und Liſt mit Liſt zu
vernichten befugt ſeyn? Solte er ſeinen Feind
nicht mit Worten in einen Jrrthum verleiten

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 870[872]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/932>, abgerufen am 25.11.2024.