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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Sitten ihres Hauptes anzunehmen für Tu-
gend halten/ durch ihre Gifft einzunehmen.
Sintemahl sie gar zu wol wusten: daß die Tapf-
ferkeit/ wie der Stahl dem Eisen widerstünde/
aber von Wollust und linder Feuchtigkeit rostig
würde; und daß viel unüberwindliche Helden
ihren im Felde erworbenen Ruhm im Zimmer
eingebüst hätten; unterschiedene mächtige Herr-
scher Leibeigne im Frauenzimmer/ Uberwin-
der der Ungeheuer/ Seidenstücker worden wä-
ren; und die/ welche vorher grossen Völckern
ihre Freyheit erhalten oder erworben/ sich gei-
le Mägde wie Sclaven bescheeren lassen. Un-
ter andern hatte sich Agathoclea/ das berühmte
Kebsweib des Königs Ptolomeus Philopator
in Egypten nach Rom geflüchtet/ welche selb-
ten König gantz bezaubert/ ihn zu Ermordung
seiner Schwester und Gemahlin Eurydice ver-
leitet/ endlich aber den Ptolomeus ins eusser-
ste Verderben/ indem er von seinem eigenen
Volcke erdrückt ward/ gestürtzt hatte. Diese
war zwar mit ihrem Bruder fingernackt dem
rasenden Volcke zum Opffer geliefert/ aber
auff des jungen Königs Befehl/ den sie gesäugt
hatte/ und durch Arglist eines in sie verlieb-
ten Edelmannes aus des Volckes und Todes
Klauen errettet worden/ und entronnen. Wie
aber die Egyptische Gesandschafft/ welche die
Römer um des jungen Ptolomeus Epipha-
nes Vormündschaffts-Verwaltung anlangte/
von Agathocleen Nachricht bekamen/ und
bey dem Römischen Rathe ihres Lasters/ und
wie sie aus den Königlichen Kebsweibern dem
verdienten Stricke entkommen wäre/ entdeck-
ten/ muste sie bey Sonnenschein aus der Stadt.
Diese Zauberin kam zu allem Unglücke nach
Capua/ und ward in weniger Zeit Hannibals
so sehr/ als vorhin Ptolomäus mächtig. Alle
Gewalt bestand in ihren Händen/ sie vergab
alle Kriegs-Aemter/ und kein Verdienst war
so groß etwas zu erlangen/ wenn man nicht bey
ihr einen Stein im Brete hatte. Dieses kränck-
te die Kriegs-Häupter so sehr; als Chlotildis
[Spaltenumbruch] hierüber eifersüchtig war. Uberdiß gab Aga-
thoclea Hannibaln eine Kuplerin ab/ verführ-
te die edelsten Weiber in Capua/ und brachte sie
durch Geschencke oder wohl zauberische Künste
zu Annibals Willen. Unter diesen waren
fürnehmlich zwey Weiber Servilia und Po-
linice/ welche für die zwey schönsten in Jtalien
gehalten wurden. Jene war des Perolla Eh-
weib/ dessen Vater Pacuvius Calavius mit sei-
nem Anhange die Stadt Capua Annibaln ü-
bergeben hatte; diese des Magius Decius/ wel-
che beyde in der Schlacht bey Canna wider die
Mohren tapffer gefochten hatten/ und unter
den Leichen halb todt herfürgezogen und von
Annibaln in Fedis ihr Vaterland gelassen
wurden waren. Diese beyde verfluchten in
ihren Hertzen der Campaner/ und in sonderheit
des Calavius Untreu gegen die Römer; als a-
ber die eifersüchtige Chlotildis beyden noch dar-
zu anfangs verblümt zu verstehen gab: sie
möchten auff die Spur ihrer Ehweiber ach-
tung geben; hernach sie durch eine geheime
Thüre in einen Lustgang des Gartens führ-
te/ daraus sie in eine Höle sehen konten/ wie An-
nibal in einer grossen Marmelsteinernen Mu-
schel/ welche das Qvell eines warmen Brun-
nen in sich faste/ mit Agathocleen/ Servilien
und Polinicen badete/ wurden sie für Rache
beynahe wütend; und wenn Ehlotildis sie nicht
zurücke gehalten/ hätten sie Annibals in dieser
geilen Weiber Blut mit den Ehrystallen dieses
edlen Brunnen vermischet. Gleichwohl aber
blieb dieser Dorn dem Porella und Magius im
Fuße. Daher Magilus mit denen gut Rö-
misch-gesinnten Rath hielt/ wie sie Annibaln
und die Besatzung in Capua überfallen/ und
die in Bauern verkleideten Römer durch Er-
öfnung einer gewissen Pforte einlassen möchten.
Zu allem Unglück ward das Antwort-Schrei-
ben des Marcellus an den Magilus auffgefan-
gen/ und Annibaln zugebracht. Dieser verfügte
sich also fort in den Tempel/ wo der Capuani-
sche Rath versammlet war/ forderte von ihnen

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Sitten ihres Hauptes anzunehmen fuͤr Tu-
gend halten/ durch ihre Gifft einzunehmen.
Sintemahl ſie gar zu wol wuſten: daß die Tapf-
ferkeit/ wie der Stahl dem Eiſen widerſtuͤnde/
aber von Wolluſt und linder Feuchtigkeit roſtig
wuͤrde; und daß viel unuͤberwindliche Helden
ihren im Felde erworbenen Ruhm im Zimmer
eingebuͤſt haͤtten; unterſchiedene maͤchtige Herr-
ſcher Leibeigne im Frauenzimmer/ Uberwin-
der der Ungeheuer/ Seidenſtuͤcker worden waͤ-
ren; und die/ welche vorher groſſen Voͤlckern
ihre Freyheit erhalten oder erworben/ ſich gei-
le Maͤgde wie Sclaven beſcheeren laſſen. Un-
ter andern hatte ſich Agathoclea/ das beruͤhmte
Kebsweib des Koͤnigs Ptolomeus Philopator
in Egypten nach Rom gefluͤchtet/ welche ſelb-
ten Koͤnig gantz bezaubert/ ihn zu Ermordung
ſeiner Schweſter und Gemahlin Eurydice ver-
leitet/ endlich aber den Ptolomeus ins euſſer-
ſte Verderben/ indem er von ſeinem eigenen
Volcke erdruͤckt ward/ geſtuͤrtzt hatte. Dieſe
war zwar mit ihrem Bruder fingernackt dem
raſenden Volcke zum Opffer geliefert/ aber
auff des jungen Koͤnigs Befehl/ den ſie geſaͤugt
hatte/ und durch Argliſt eines in ſie verlieb-
ten Edelmannes aus des Volckes und Todes
Klauen errettet worden/ und entronnen. Wie
aber die Egyptiſche Geſandſchafft/ welche die
Roͤmer um des jungen Ptolomeus Epipha-
nes Vormuͤndſchaffts-Verwaltung anlangte/
von Agathocleen Nachricht bekamen/ und
bey dem Roͤmiſchen Rathe ihres Laſters/ und
wie ſie aus den Koͤniglichen Kebsweibern dem
verdienten Stricke entkommen waͤre/ entdeck-
ten/ muſte ſie bey Sonnenſchein aus der Stadt.
Dieſe Zauberin kam zu allem Ungluͤcke nach
Capua/ und ward in weniger Zeit Hannibals
ſo ſehr/ als vorhin Ptolomaͤus maͤchtig. Alle
Gewalt beſtand in ihren Haͤnden/ ſie vergab
alle Kriegs-Aemter/ und kein Verdienſt war
ſo groß etwas zu erlangen/ wenn man nicht bey
ihr einen Stein im Brete hatte. Dieſes kraͤnck-
te die Kriegs-Haͤupter ſo ſehr; als Chlotildis
[Spaltenumbruch] hieruͤber eiferſuͤchtig war. Uberdiß gab Aga-
thoclea Hannibaln eine Kuplerin ab/ verfuͤhr-
te die edelſten Weiber in Capua/ und brachte ſie
durch Geſchencke oder wohl zauberiſche Kuͤnſte
zu Annibals Willen. Unter dieſen waren
fuͤrnehmlich zwey Weiber Servilia und Po-
linice/ welche fuͤr die zwey ſchoͤnſten in Jtalien
gehalten wurden. Jene war des Perolla Eh-
weib/ deſſen Vater Pacuvius Calavius mit ſei-
nem Anhange die Stadt Capua Annibaln uͤ-
bergeben hatte; dieſe des Magius Decius/ wel-
che beyde in der Schlacht bey Canna wider die
Mohren tapffer gefochten hatten/ und unter
den Leichen halb todt herfuͤrgezogen und von
Annibaln in Fedis ihr Vaterland gelaſſen
wurden waren. Dieſe beyde verfluchten in
ihren Hertzen der Campaner/ und in ſonderheit
des Calavius Untreu gegen die Roͤmer; als a-
ber die eiferſuͤchtige Chlotildis beyden noch dar-
zu anfangs verbluͤmt zu verſtehen gab: ſie
moͤchten auff die Spur ihrer Ehweiber ach-
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Thuͤre in einen Luſtgang des Gartens fuͤhr-
te/ daraus ſie in eine Hoͤle ſehen konten/ wie An-
nibal in einer groſſen Marmelſteinernen Mu-
ſchel/ welche das Qvell eines warmen Brun-
nen in ſich faſte/ mit Agathocleen/ Servilien
und Polinicen badete/ wurden ſie fuͤr Rache
beynahe wuͤtend; und wenn Ehlotildis ſie nicht
zuruͤcke gehalten/ haͤtten ſie Annibals in dieſer
geilen Weiber Blut mit den Ehryſtallen dieſes
edlen Brunnen vermiſchet. Gleichwohl aber
blieb dieſer Dorn dem Porella und Magius im
Fuße. Daher Magilus mit denen gut Roͤ-
miſch-geſinnten Rath hielt/ wie ſie Annibaln
und die Beſatzung in Capua uͤberfallen/ und
die in Bauern verkleideten Roͤmer durch Er-
oͤfnung einer gewiſſen Pforte einlaſſen moͤchten.
Zu allem Ungluͤck ward das Antwort-Schrei-
ben des Marcellus an den Magilus auffgefan-
gen/ und Annibaln zugebracht. Dieſer verfuͤgte
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ſche Rath verſammlet war/ forderte von ihnen

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[837[839]/0899] Arminius und Thußnelda. Sitten ihres Hauptes anzunehmen fuͤr Tu- gend halten/ durch ihre Gifft einzunehmen. Sintemahl ſie gar zu wol wuſten: daß die Tapf- ferkeit/ wie der Stahl dem Eiſen widerſtuͤnde/ aber von Wolluſt und linder Feuchtigkeit roſtig wuͤrde; und daß viel unuͤberwindliche Helden ihren im Felde erworbenen Ruhm im Zimmer eingebuͤſt haͤtten; unterſchiedene maͤchtige Herr- ſcher Leibeigne im Frauenzimmer/ Uberwin- der der Ungeheuer/ Seidenſtuͤcker worden waͤ- ren; und die/ welche vorher groſſen Voͤlckern ihre Freyheit erhalten oder erworben/ ſich gei- le Maͤgde wie Sclaven beſcheeren laſſen. Un- ter andern hatte ſich Agathoclea/ das beruͤhmte Kebsweib des Koͤnigs Ptolomeus Philopator in Egypten nach Rom gefluͤchtet/ welche ſelb- ten Koͤnig gantz bezaubert/ ihn zu Ermordung ſeiner Schweſter und Gemahlin Eurydice ver- leitet/ endlich aber den Ptolomeus ins euſſer- ſte Verderben/ indem er von ſeinem eigenen Volcke erdruͤckt ward/ geſtuͤrtzt hatte. Dieſe war zwar mit ihrem Bruder fingernackt dem raſenden Volcke zum Opffer geliefert/ aber auff des jungen Koͤnigs Befehl/ den ſie geſaͤugt hatte/ und durch Argliſt eines in ſie verlieb- ten Edelmannes aus des Volckes und Todes Klauen errettet worden/ und entronnen. Wie aber die Egyptiſche Geſandſchafft/ welche die Roͤmer um des jungen Ptolomeus Epipha- nes Vormuͤndſchaffts-Verwaltung anlangte/ von Agathocleen Nachricht bekamen/ und bey dem Roͤmiſchen Rathe ihres Laſters/ und wie ſie aus den Koͤniglichen Kebsweibern dem verdienten Stricke entkommen waͤre/ entdeck- ten/ muſte ſie bey Sonnenſchein aus der Stadt. Dieſe Zauberin kam zu allem Ungluͤcke nach Capua/ und ward in weniger Zeit Hannibals ſo ſehr/ als vorhin Ptolomaͤus maͤchtig. Alle Gewalt beſtand in ihren Haͤnden/ ſie vergab alle Kriegs-Aemter/ und kein Verdienſt war ſo groß etwas zu erlangen/ wenn man nicht bey ihr einen Stein im Brete hatte. Dieſes kraͤnck- te die Kriegs-Haͤupter ſo ſehr; als Chlotildis hieruͤber eiferſuͤchtig war. Uberdiß gab Aga- thoclea Hannibaln eine Kuplerin ab/ verfuͤhr- te die edelſten Weiber in Capua/ und brachte ſie durch Geſchencke oder wohl zauberiſche Kuͤnſte zu Annibals Willen. Unter dieſen waren fuͤrnehmlich zwey Weiber Servilia und Po- linice/ welche fuͤr die zwey ſchoͤnſten in Jtalien gehalten wurden. Jene war des Perolla Eh- weib/ deſſen Vater Pacuvius Calavius mit ſei- nem Anhange die Stadt Capua Annibaln uͤ- bergeben hatte; dieſe des Magius Decius/ wel- che beyde in der Schlacht bey Canna wider die Mohren tapffer gefochten hatten/ und unter den Leichen halb todt herfuͤrgezogen und von Annibaln in Fedis ihr Vaterland gelaſſen wurden waren. Dieſe beyde verfluchten in ihren Hertzen der Campaner/ und in ſonderheit des Calavius Untreu gegen die Roͤmer; als a- ber die eiferſuͤchtige Chlotildis beyden noch dar- zu anfangs verbluͤmt zu verſtehen gab: ſie moͤchten auff die Spur ihrer Ehweiber ach- tung geben; hernach ſie durch eine geheime Thuͤre in einen Luſtgang des Gartens fuͤhr- te/ daraus ſie in eine Hoͤle ſehen konten/ wie An- nibal in einer groſſen Marmelſteinernen Mu- ſchel/ welche das Qvell eines warmen Brun- nen in ſich faſte/ mit Agathocleen/ Servilien und Polinicen badete/ wurden ſie fuͤr Rache beynahe wuͤtend; und wenn Ehlotildis ſie nicht zuruͤcke gehalten/ haͤtten ſie Annibals in dieſer geilen Weiber Blut mit den Ehryſtallen dieſes edlen Brunnen vermiſchet. Gleichwohl aber blieb dieſer Dorn dem Porella und Magius im Fuße. Daher Magilus mit denen gut Roͤ- miſch-geſinnten Rath hielt/ wie ſie Annibaln und die Beſatzung in Capua uͤberfallen/ und die in Bauern verkleideten Roͤmer durch Er- oͤfnung einer gewiſſen Pforte einlaſſen moͤchten. Zu allem Ungluͤck ward das Antwort-Schrei- ben des Marcellus an den Magilus auffgefan- gen/ und Annibaln zugebracht. Dieſer verfuͤgte ſich alſo fort in den Tempel/ wo der Capuani- ſche Rath verſammlet war/ forderte von ihnen uͤber N n n n n 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 837[839]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/899>, abgerufen am 23.11.2024.