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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Römische Edelleute blieben auf der Wallstatt/
vier tausend wurden gefangen/ der Uberrest kroch
bey der düstern Nacht gleichwohl in das Apen-
ninische Gebürge gegen dem Thale Mugella/
und setzte sich auff einem hohen Felsen feste. Die
Beute war an Gelde/ Zierrathen/ Pferden/ Ge-
wehre/ Wagen und anderm Geräthe so groß: daß
darmit das gantze Deutsche Heer belastet ward.
Wiewohl nun dieses die Römer auff dem Ge-
bürge besetzte/ so kriegten diese doch alsbald
Lufft/ weil der gegen die absonderlich einfal-
lenden Semnoner geschickte Bürgermeister
Lucius Emilius von Ariminum mit einem fri-
schen Heere gegen die nach Rom ihren Zug
richtende Deutschen angezogen kam. Nach-
dem König Aneroest aber ihn zu keiner Schlacht
bringen konte; die schwere Beute ihnen auch
über aus hinderlich war/ hielt er für rathsam
selbte über dem Po bey ihren Bunds-Genos-
sen einzulegen/ und hernach dem Feinde mit
leichten Händen wieder die Stirne zu bieten.
Wormit aber diese Entschlüssung so viel we-
niger einer Flucht ehnlich sehe/ und so viel
sicherer bewerck stelliget würde/ setzten die Deut-
schen über den Fluß Arnus/ und richteten ihren
Zug gerade gegen Rom. Wie sie aber den
Fluß Umbro erreichten/ zohen sie an selbtem
gegen das Meer hinunter/ in Meinung an
dessen Gestade sich zurücke zu ziehen. Lucius
folgte gleichwohl dem Feinde auff der Fersen
nach/ biß an das Telamonische Vorge bürge/
allwo die Deutschen den Weg von einem neu-
en Krieges-Heere/ welches der andere Bürger-
meister Cajus Atilius aus Sardinien nach Pi-
sa übergeschifft hatte/ auff einem vortheilhaff-
tigen Hügel besetzt fanden/ und also unvermu-
thet zwischen Thür und Angel verfielen. Die
Deutschen Heerführer geriethen hierüber gleich-
wohl in keine Zagheit/ als welche der klugen
Rath/ und des Pöfels Unvernunfft durch ein-
ander vermischt/ und also der ärgste Feind ei-
nes Kriegs-Heeres ist/ sondern sie machten aus
[Spaltenumbruch] der Noth eine Tugend/ führten ihre Beu-
te auff einen sichern Hügel/ und stellten ihr
Heer mit zweyen Stirnen in Schlacht-Ord-
nung/ also: daß Concoletan mit seiner dem Ca-
jus/ Aneroest mit seiner gegen dem Emilius
zu stehen kam; die Rücken aber hinten an ein-
ander stiessen/ und also kein Heer/ sondern
das andere gegen den Feind anzutreiben wei-
chen konte. Mit den Wagen aber umsegel-
ten sie die Spitzen oder Hörner ihrer Heere:
daß die Römer auff der Seite nicht einbre-
chen konten. Diese ob sie zwar zweymahl
stärcker waren als die Deutschen/ grieffen sie
selbte gleichwohl nicht ohne geringen Zweiffel
am Siege an. Jnsonderheit war ihnen schreck-
lich anzusehen: daß die Gösaten/ welche unter
denen Deutschen für ein gewisses Geld Kriegs-
Dienste leisteten/ alle nackend fochten/ umb
von denen hinn und wieder stehenden Hecken
und Gestrittig durch ihre abhenckende Kleider
nicht verhindert zu werden. Ja in den er-
sten Gliedern stand keiner/ der nicht güldene
Ketten und Armbänder umgewunden hatte;
und ihre Tapfferkeit war so groß: daß die Rö-
mer Faust für Faust gegen sie zu fechten sich
weigerten/ sondern nur von der Höhe die Bo-
gen-Schützen sie mit Pfeilen überschütten lies-
sen. Wordurch ihrer denn sehr viel verwun-
det wurden/ weil ihre Schilde sie allenthalben
zu verdecken nicht zulangten; also: daß sie halb
rasende den Berg hinauff renneten/ und ihren
für Augen schwebenden Tod durch Niederse-
belung vieler Schützen rochen. Wo aber die
Deutschen auff der Fläche Mann für Mann
fechten konten/ standen sie wie die Mauern;
ungeachtet die Römer ihrer breiten Schilde
und zum Stoß und Hau geschickter Degen
halber für den Deutschen/ die mit ihren
Schwerdtern nur hauen konten/ einen gros-
sen Vortheil hatten. Ja König Concoletan
machte mit seiner Leibwache von dreyhundert
Cattischen Edelleuten durch den Blitz ihrer

Spieße

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Roͤmiſche Edelleute blieben auf der Wallſtatt/
vier tauſend wurden gefangen/ der Uberꝛeſt kroch
bey der duͤſtern Nacht gleichwohl in das Apen-
niniſche Gebuͤrge gegen dem Thale Mugella/
und ſetzte ſich auff einem hohen Felſen feſte. Die
Beute war an Gelde/ Zierrathen/ Pferden/ Ge-
wehꝛe/ Wagen und anderm Geraͤthe ſo gꝛoß: daß
darmit das gantze Deutſche Heer belaſtet ward.
Wiewohl nun dieſes die Roͤmer auff dem Ge-
buͤrge beſetzte/ ſo kriegten dieſe doch alsbald
Lufft/ weil der gegen die abſonderlich einfal-
lenden Semnoner geſchickte Buͤrgermeiſter
Lucius Emilius von Ariminum mit einem fri-
ſchen Heere gegen die nach Rom ihren Zug
richtende Deutſchen angezogen kam. Nach-
dem Koͤnig Aneroeſt aber ihn zu keiner Schlacht
bringen konte; die ſchwere Beute ihnen auch
uͤber aus hinderlich war/ hielt er fuͤr rathſam
ſelbte uͤber dem Po bey ihren Bunds-Genoſ-
ſen einzulegen/ und hernach dem Feinde mit
leichten Haͤnden wieder die Stirne zu bieten.
Wormit aber dieſe Entſchluͤſſung ſo viel we-
niger einer Flucht ehnlich ſehe/ und ſo viel
ſicherer bewerck ſtelliget wuͤrde/ ſetzten die Deut-
ſchen uͤber den Fluß Arnus/ und richteten ihren
Zug gerade gegen Rom. Wie ſie aber den
Fluß Umbro erreichten/ zohen ſie an ſelbtem
gegen das Meer hinunter/ in Meinung an
deſſen Geſtade ſich zuruͤcke zu ziehen. Lucius
folgte gleichwohl dem Feinde auff der Ferſen
nach/ biß an das Telamoniſche Vorge buͤrge/
allwo die Deutſchen den Weg von einem neu-
en Krieges-Heere/ welches der andere Buͤrger-
meiſter Cajus Atilius aus Sardinien nach Pi-
ſa uͤbergeſchifft hatte/ auff einem vortheilhaff-
tigen Huͤgel beſetzt fanden/ und alſo unvermu-
thet zwiſchen Thuͤr und Angel verfielen. Die
Deutſchen Heerfuͤhrer geriethen hieruͤber gleich-
wohl in keine Zagheit/ als welche der klugen
Rath/ und des Poͤfels Unvernunfft durch ein-
ander vermiſcht/ und alſo der aͤrgſte Feind ei-
nes Kriegs-Heeres iſt/ ſondern ſie machten aus
[Spaltenumbruch] der Noth eine Tugend/ fuͤhrten ihre Beu-
te auff einen ſichern Huͤgel/ und ſtellten ihr
Heer mit zweyen Stirnen in Schlacht-Ord-
nung/ alſo: daß Concoletan mit ſeiner dem Ca-
jus/ Aneroeſt mit ſeiner gegen dem Emilius
zu ſtehen kam; die Ruͤcken aber hinten an ein-
ander ſtieſſen/ und alſo kein Heer/ ſondern
das andere gegen den Feind anzutreiben wei-
chen konte. Mit den Wagen aber umſegel-
ten ſie die Spitzen oder Hoͤrner ihrer Heere:
daß die Roͤmer auff der Seite nicht einbre-
chen konten. Dieſe ob ſie zwar zweymahl
ſtaͤrcker waren als die Deutſchen/ grieffen ſie
ſelbte gleichwohl nicht ohne geringen Zweiffel
am Siege an. Jnſonderheit war ihnen ſchreck-
lich anzuſehen: daß die Goͤſaten/ welche unter
denen Deutſchen fuͤr ein gewiſſes Geld Kriegs-
Dienſte leiſteten/ alle nackend fochten/ umb
von denen hinn und wieder ſtehenden Hecken
und Geſtrittig durch ihre abhenckende Kleider
nicht verhindert zu werden. Ja in den er-
ſten Gliedern ſtand keiner/ der nicht guͤldene
Ketten und Armbaͤnder umgewunden hatte;
und ihre Tapfferkeit war ſo groß: daß die Roͤ-
mer Fauſt fuͤr Fauſt gegen ſie zu fechten ſich
weigerten/ ſondern nur von der Hoͤhe die Bo-
gen-Schuͤtzen ſie mit Pfeilen uͤberſchuͤtten lieſ-
ſen. Wordurch ihrer denn ſehr viel verwun-
det wurden/ weil ihre Schilde ſie allenthalben
zu verdecken nicht zulangten; alſo: daß ſie halb
raſende den Berg hinauff renneten/ und ihren
fuͤr Augen ſchwebenden Tod durch Niederſe-
belung vieler Schuͤtzen rochen. Wo aber die
Deutſchen auff der Flaͤche Mann fuͤr Mann
fechten konten/ ſtanden ſie wie die Mauern;
ungeachtet die Roͤmer ihrer breiten Schilde
und zum Stoß und Hau geſchickter Degen
halber fuͤr den Deutſchen/ die mit ihren
Schwerdtern nur hauen konten/ einen groſ-
ſen Vortheil hatten. Ja Koͤnig Concoletan
machte mit ſeiner Leibwache von dreyhundert
Cattiſchen Edelleuten durch den Blitz ihrer

Spieße
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 810[812]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/872>, abgerufen am 23.11.2024.