Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Königin Erato an zu ruffen/ mit was für Em-
pfindligkeit ist dieser Schlag nicht des Sinadats
Weibe durchs Hertz gegangen? Hat sie einen
Augenblick den Tod ihres Ehmanns überlebt/
dem sie eh als der Hencker das Messer an die
Gurgel gesetzt? Oder haben die/ welche ihre Eh-
männer aufrichtiger lieb gewonnen/ nicht sie als
eine Unholdin/ die den Eyd der Treue/ und das
heilige Band der Ehe zerrissen/ verfluchet? Fürst
Rhemetalces lächelte/ und bat/ sie möchte diese
Ruhms-würdige Heldin/ welcher Pannonien
einen Ehren-Krantz schuldig blieben wäre/ nicht
unverhörter Sache durch ein so strenges Urtheil
verdammen. Denn ob zwar die Liebe eines
Ehweibes alle andere übertreffen solte/ wäre
selbte doch dem Mäß-Stabe der Vernunfft
unterworffen/ ohne welchen alle Tugenden zu
Lastern würden. Sie könte ihr Hertz
zwar mit keinem Nebenbuhler theilen/ aber sie
wäre nicht befugt es ihrem Vaterlande zu ent-
ziehen; welches über uns mehr Gewalt hätte/ als
Väter über ihre Kinder/ und Männer über
ihre Weiber. Der Ehleute Liebe wäre ange-
nommen/ des Vaterlands aber angebohren.
Ja auch die angebohrne müste des Vaterlands
Liebe aus dem Wege treten. Daher hätte A-
gesilaus zu unsterblichem Nachruhme seinen
Sohn Pausanias der Spartaner Fürsten/ weil
er sein Vaterland dem Xerxes für 500. Talent
verrathen wollen/ durch Hunger getödtet/ seine
Mutter aber die Leiche unbegraben weggeworf-
fen. Brutus und Cassius hätten diese Zärtlig-
keit ihnen aus dem Gemüthe geschlagen/ als sie
beyde ihre wider das Vaterland aufgestandene
Söhne zum Tode verurtheilet; und Fulvius/
als er seines Sohnes Kopf springen sahe/ gesagt:
Er hätte ihn nicht dem Catilina wider das Va-
terland/ sondern dem Vaterlande wider Catili-
nen gezeuget. Das Vaterland könte wohl be-
stehen/ wenn ein Geschlechte zu Grunde ginge/
dieses aber nicht/ wenn jenes fiele. Da nun ih-
rer so viel ihre selbsteigene Liebe des Vaterlands
[Spaltenumbruch] nachgesetzt/ und dessen Wohlst and mit ihren Lei-
chen unterstützet hätten/ wie wäre des Sinadats
Ehfrau ohne sich der Verrätherey selbst theil-
hafft zu machen ihres verrätherischen Ehmanns
zu schonen/ und das gemeine Heil in Grund
zu stürtzen berechtigt gewesen? Sintemal ja die
Eh ein Verbündnüß der Hertzen/ nicht aber der
Laster seyn solte. Erato begegnete dem Rheme-
talces: Sie gebe gerne nach: daß ein Weib ihren
Ehmann von bösen Entschlüssungen abzuleiten
bemüht seyn; aber ihn doch nicht selbst angeben
solte. So wenig einer sich selbst anzuklagen
schuldig wäre/ so wenig läge es seiner unzertrenn-
lichen Gefärtin in allem Unglück und zweifel-
hafften Fällen ob. Calliroe/ welche ihres Va-
ters Lycus abscheuliche Menschen-Opferung
ihrem Liebhaber Diomedes entdecket/ hätte sich
hernach mit einem Stricke erhencket; Bysatia
die eben dis von dem Massyler Könige dem Cras-
sus offenbart/ ihr die Kehle abschneiden müssen.
Also würde sie sich nimmermehr überwinden/
aus Liebe des Vaterlandes dem Ehmanne treu-
loß zu werden/ welchen der meisten Völcker Recht
über ihre Weiber die Gewalt des Lebens und
des Todes zueignet. Adgandester ward ersucht/
hierüber den Ausschlag zu geben/ aber er lehn-
te sein begehrtes Urtheil mit allerhand Unterschei-
dungen der Umbstände ab; wolte des Sinidats
Ehweib weder gäntzlich vertheidigen noch verdam-
men; vorwendende: Es gebe solche Thaten; welche
nach der Eigenschafft der auf dem Lande und
im Wasser lebender Thiere gewisser massen zu
den Tugenden und Lastern gerechnet werden
könten. Jedoch/ sagte er/ fragte König Hunn
nach der Zeit wenig nach ihr; sie selbst brachte ihr
übriges Leben mit Einsamkeit hin/ ihren Kin-
dern aber nur die Ungenossenheit der nichts
minder fallenden Straffen zuwege. Der
Skordisker Fürst Thessalor flüchtete sich zum
Antigonus/ und erhärtete durch sein Beyspiel:
daß ein beleidigter Freund mehr als tausend
Feinde Unheil stiften könten. Denn nach dem

alle
Erster Theil. G g g g g

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Koͤnigin Erato an zu ruffen/ mit was fuͤr Em-
pfindligkeit iſt dieſer Schlag nicht des Sinadats
Weibe durchs Hertz gegangen? Hat ſie einen
Augenblick den Tod ihres Ehmanns uͤberlebt/
dem ſie eh als der Hencker das Meſſer an die
Gurgel geſetzt? Oder haben die/ welche ihre Eh-
maͤnner aufrichtiger lieb gewonnen/ nicht ſie als
eine Unholdin/ die den Eyd der Treue/ und das
heilige Band der Ehe zerriſſen/ verfluchet? Fuͤrſt
Rhemetalces laͤchelte/ und bat/ ſie moͤchte dieſe
Ruhms-wuͤrdige Heldin/ welcher Pannonien
einen Ehren-Krantz ſchuldig blieben waͤre/ nicht
unverhoͤrter Sache durch ein ſo ſtrenges Urtheil
verdammen. Denn ob zwar die Liebe eines
Ehweibes alle andere uͤbertreffen ſolte/ waͤre
ſelbte doch dem Maͤß-Stabe der Vernunfft
unterworffen/ ohne welchen alle Tugenden zu
Laſtern wuͤrden. Sie koͤnte ihr Hertz
zwar mit keinem Nebenbuhler theilen/ aber ſie
waͤre nicht befugt es ihrem Vaterlande zu ent-
ziehen; welches uͤber uns mehr Gewalt haͤtte/ als
Vaͤter uͤber ihre Kinder/ und Maͤnner uͤber
ihre Weiber. Der Ehleute Liebe waͤre ange-
nommen/ des Vaterlands aber angebohren.
Ja auch die angebohrne muͤſte des Vaterlands
Liebe aus dem Wege treten. Daher haͤtte A-
geſilaus zu unſterblichem Nachruhme ſeinen
Sohn Pauſanias der Spartaner Fuͤrſten/ weil
er ſein Vaterland dem Xerxes fuͤr 500. Talent
verrathen wollen/ durch Hunger getoͤdtet/ ſeine
Mutter aber die Leiche unbegraben weggeworf-
fen. Brutus und Caſſius haͤtten dieſe Zaͤrtlig-
keit ihnen aus dem Gemuͤthe geſchlagen/ als ſie
beyde ihre wider das Vaterland aufgeſtandene
Soͤhne zum Tode verurtheilet; und Fulvius/
als er ſeines Sohnes Kopf ſpringen ſahe/ geſagt:
Er haͤtte ihn nicht dem Catilina wider das Va-
terland/ ſondern dem Vaterlande wider Catili-
nen gezeuget. Das Vaterland koͤnte wohl be-
ſtehen/ wenn ein Geſchlechte zu Grunde ginge/
dieſes aber nicht/ wenn jenes fiele. Da nun ih-
rer ſo viel ihre ſelbſteigene Liebe des Vaterlands
[Spaltenumbruch] nachgeſetzt/ und deſſen Wohlſt and mit ihren Lei-
chen unterſtuͤtzet haͤtten/ wie waͤre des Sinadats
Ehfrau ohne ſich der Verraͤtherey ſelbſt theil-
hafft zu machen ihres verraͤtheriſchen Ehmanns
zu ſchonen/ und das gemeine Heil in Grund
zu ſtuͤrtzen berechtigt geweſen? Sintemal ja die
Eh ein Verbuͤndnuͤß der Hertzen/ nicht aber der
Laſter ſeyn ſolte. Erato begegnete dem Rheme-
talces: Sie gebe gerne nach: daß ein Weib ihren
Ehmann von boͤſen Entſchluͤſſungen abzuleiten
bemuͤht ſeyn; aber ihn doch nicht ſelbſt angeben
ſolte. So wenig einer ſich ſelbſt anzuklagen
ſchuldig waͤre/ ſo wenig laͤge es ſeiner unzertreñ-
lichen Gefaͤrtin in allem Ungluͤck und zweifel-
hafften Faͤllen ob. Calliroe/ welche ihres Va-
ters Lycus abſcheuliche Menſchen-Opferung
ihrem Liebhaber Diomedes entdecket/ haͤtte ſich
hernach mit einem Stricke erhencket; Byſatia
die eben dis von dem Maſſyler Koͤnige dem Craſ-
ſus offenbart/ ihr die Kehle abſchneiden muͤſſen.
Alſo wuͤrde ſie ſich nimmermehr uͤberwinden/
aus Liebe des Vaterlandes dem Ehmanne treu-
loß zu weꝛden/ welchen der meiſten Voͤlcker Recht
uͤber ihre Weiber die Gewalt des Lebens und
des Todes zueignet. Adgandeſter ward erſucht/
hieruͤber den Ausſchlag zu geben/ aber er lehn-
te ſein begehꝛtes Uꝛtheil mit allerhand Unterſchei-
dungen der Umbſtaͤnde ab; wolte des Sinidats
Ehweib wedeꝛ gaͤntzlich veꝛtheidigẽ noch veꝛdam-
mẽ; vorwendende: Es gebe ſolche Thaten; welche
nach der Eigenſchafft der auf dem Lande und
im Waſſer lebender Thiere gewiſſer maſſen zu
den Tugenden und Laſtern gerechnet werden
koͤnten. Jedoch/ ſagte er/ fragte Koͤnig Hunn
nach der Zeit wenig nach ihr; ſie ſelbſt brachte ihr
uͤbriges Leben mit Einſamkeit hin/ ihren Kin-
dern aber nur die Ungenoſſenheit der nichts
minder fallenden Straffen zuwege. Der
Skordisker Fuͤrſt Theſſalor fluͤchtete ſich zum
Antigonus/ und erhaͤrtete durch ſein Beyſpiel:
daß ein beleidigter Freund mehr als tauſend
Feinde Unheil ſtiften koͤnten. Denn nach dem

alle
Erſter Theil. G g g g g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0847" n="783[787]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
Ko&#x0364;nigin Erato an zu ruffen/ mit was fu&#x0364;r Em-<lb/>
pfindligkeit i&#x017F;t die&#x017F;er Schlag nicht des Sinadats<lb/>
Weibe durchs Hertz gegangen? Hat &#x017F;ie einen<lb/>
Augenblick den Tod ihres Ehmanns u&#x0364;berlebt/<lb/>
dem &#x017F;ie eh als der Hencker das Me&#x017F;&#x017F;er an die<lb/>
Gurgel ge&#x017F;etzt? Oder haben die/ welche ihre Eh-<lb/>
ma&#x0364;nner aufrichtiger lieb gewonnen/ nicht &#x017F;ie als<lb/>
eine Unholdin/ die den Eyd der Treue/ und das<lb/>
heilige Band der Ehe zerri&#x017F;&#x017F;en/ verfluchet? Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
Rhemetalces la&#x0364;chelte/ und bat/ &#x017F;ie mo&#x0364;chte die&#x017F;e<lb/>
Ruhms-wu&#x0364;rdige Heldin/ welcher Pannonien<lb/>
einen Ehren-Krantz &#x017F;chuldig blieben wa&#x0364;re/ nicht<lb/>
unverho&#x0364;rter Sache durch ein &#x017F;o &#x017F;trenges Urtheil<lb/>
verdammen. Denn ob zwar die Liebe eines<lb/>
Ehweibes alle andere u&#x0364;bertreffen &#x017F;olte/ wa&#x0364;re<lb/>
&#x017F;elbte doch dem Ma&#x0364;ß-Stabe der Vernunfft<lb/>
unterworffen/ ohne welchen alle Tugenden zu<lb/>
La&#x017F;tern wu&#x0364;rden. Sie ko&#x0364;nte ihr Hertz<lb/>
zwar mit keinem Nebenbuhler theilen/ aber &#x017F;ie<lb/>
wa&#x0364;re nicht befugt es ihrem Vaterlande zu ent-<lb/>
ziehen; welches u&#x0364;ber uns mehr Gewalt ha&#x0364;tte/ als<lb/>
Va&#x0364;ter u&#x0364;ber ihre Kinder/ und Ma&#x0364;nner u&#x0364;ber<lb/>
ihre Weiber. Der Ehleute Liebe wa&#x0364;re ange-<lb/>
nommen/ des Vaterlands aber angebohren.<lb/>
Ja auch die angebohrne mu&#x0364;&#x017F;te des Vaterlands<lb/>
Liebe aus dem Wege treten. Daher ha&#x0364;tte A-<lb/>
ge&#x017F;ilaus zu un&#x017F;terblichem Nachruhme &#x017F;einen<lb/>
Sohn Pau&#x017F;anias der Spartaner Fu&#x0364;r&#x017F;ten/ weil<lb/>
er &#x017F;ein Vaterland dem Xerxes fu&#x0364;r 500. Talent<lb/>
verrathen wollen/ durch Hunger geto&#x0364;dtet/ &#x017F;eine<lb/>
Mutter aber die Leiche unbegraben weggeworf-<lb/>
fen. Brutus und Ca&#x017F;&#x017F;ius ha&#x0364;tten die&#x017F;e Za&#x0364;rtlig-<lb/>
keit ihnen aus dem Gemu&#x0364;the ge&#x017F;chlagen/ als &#x017F;ie<lb/>
beyde ihre wider das Vaterland aufge&#x017F;tandene<lb/>
So&#x0364;hne zum Tode verurtheilet; und Fulvius/<lb/>
als er &#x017F;eines Sohnes Kopf &#x017F;pringen &#x017F;ahe/ ge&#x017F;agt:<lb/>
Er ha&#x0364;tte ihn nicht dem Catilina wider das Va-<lb/>
terland/ &#x017F;ondern dem Vaterlande wider Catili-<lb/>
nen gezeuget. Das Vaterland ko&#x0364;nte wohl be-<lb/>
&#x017F;tehen/ wenn ein Ge&#x017F;chlechte zu Grunde ginge/<lb/>
die&#x017F;es aber nicht/ wenn jenes fiele. Da nun ih-<lb/>
rer &#x017F;o viel ihre &#x017F;elb&#x017F;teigene Liebe des Vaterlands<lb/><cb/>
nachge&#x017F;etzt/ und de&#x017F;&#x017F;en Wohl&#x017F;t and mit ihren Lei-<lb/>
chen unter&#x017F;tu&#x0364;tzet ha&#x0364;tten/ wie wa&#x0364;re des Sinadats<lb/>
Ehfrau ohne &#x017F;ich der Verra&#x0364;therey &#x017F;elb&#x017F;t theil-<lb/>
hafft zu machen ihres verra&#x0364;theri&#x017F;chen Ehmanns<lb/>
zu &#x017F;chonen/ und das gemeine Heil in Grund<lb/>
zu &#x017F;tu&#x0364;rtzen berechtigt gewe&#x017F;en? Sintemal ja die<lb/>
Eh ein Verbu&#x0364;ndnu&#x0364;ß der Hertzen/ nicht aber der<lb/>
La&#x017F;ter &#x017F;eyn &#x017F;olte. Erato begegnete dem Rheme-<lb/>
talces: Sie gebe gerne nach: daß ein Weib ihren<lb/>
Ehmann von bo&#x0364;&#x017F;en Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ungen abzuleiten<lb/>
bemu&#x0364;ht &#x017F;eyn; aber ihn doch nicht &#x017F;elb&#x017F;t angeben<lb/>
&#x017F;olte. So wenig einer &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t anzuklagen<lb/>
&#x017F;chuldig wa&#x0364;re/ &#x017F;o wenig la&#x0364;ge es &#x017F;einer unzertren&#x0303;-<lb/>
lichen Gefa&#x0364;rtin in allem Unglu&#x0364;ck und zweifel-<lb/>
hafften Fa&#x0364;llen ob. Calliroe/ welche ihres Va-<lb/>
ters Lycus ab&#x017F;cheuliche Men&#x017F;chen-Opferung<lb/>
ihrem Liebhaber Diomedes entdecket/ ha&#x0364;tte &#x017F;ich<lb/>
hernach mit einem Stricke erhencket; By&#x017F;atia<lb/>
die eben dis von dem Ma&#x017F;&#x017F;yler Ko&#x0364;nige dem Cra&#x017F;-<lb/>
&#x017F;us offenbart/ ihr die Kehle ab&#x017F;chneiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Al&#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ie &#x017F;ich nimmermehr u&#x0364;berwinden/<lb/>
aus Liebe des Vaterlandes dem Ehmanne treu-<lb/>
loß zu we&#xA75B;den/ welchen der mei&#x017F;ten Vo&#x0364;lcker Recht<lb/>
u&#x0364;ber ihre Weiber die Gewalt des Lebens und<lb/>
des Todes zueignet. Adgande&#x017F;ter ward er&#x017F;ucht/<lb/>
hieru&#x0364;ber den Aus&#x017F;chlag zu geben/ aber er lehn-<lb/>
te &#x017F;ein begeh&#xA75B;tes U&#xA75B;theil mit allerhand Unter&#x017F;chei-<lb/>
dungen der Umb&#x017F;ta&#x0364;nde ab; wolte des Sinidats<lb/>
Ehweib wede&#xA75B; ga&#x0364;ntzlich ve&#xA75B;theidige&#x0303; noch ve&#xA75B;dam-<lb/>
me&#x0303;; vorwendende: Es gebe &#x017F;olche Thaten; welche<lb/>
nach der Eigen&#x017F;chafft der auf dem Lande und<lb/>
im Wa&#x017F;&#x017F;er lebender Thiere gewi&#x017F;&#x017F;er ma&#x017F;&#x017F;en zu<lb/>
den Tugenden und La&#x017F;tern gerechnet werden<lb/>
ko&#x0364;nten. Jedoch/ &#x017F;agte er/ fragte Ko&#x0364;nig Hunn<lb/>
nach der Zeit wenig nach ihr; &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t brachte ihr<lb/>
u&#x0364;briges Leben mit Ein&#x017F;amkeit hin/ ihren Kin-<lb/>
dern aber nur die Ungeno&#x017F;&#x017F;enheit der nichts<lb/>
minder fallenden Straffen zuwege. Der<lb/>
Skordisker Fu&#x0364;r&#x017F;t The&#x017F;&#x017F;alor flu&#x0364;chtete &#x017F;ich zum<lb/>
Antigonus/ und erha&#x0364;rtete durch &#x017F;ein Bey&#x017F;piel:<lb/>
daß ein beleidigter Freund mehr als tau&#x017F;end<lb/>
Feinde Unheil &#x017F;tiften ko&#x0364;nten. Denn nach dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. G g g g g</fw><fw place="bottom" type="catch">alle</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[783[787]/0847] Arminius und Thußnelda. Koͤnigin Erato an zu ruffen/ mit was fuͤr Em- pfindligkeit iſt dieſer Schlag nicht des Sinadats Weibe durchs Hertz gegangen? Hat ſie einen Augenblick den Tod ihres Ehmanns uͤberlebt/ dem ſie eh als der Hencker das Meſſer an die Gurgel geſetzt? Oder haben die/ welche ihre Eh- maͤnner aufrichtiger lieb gewonnen/ nicht ſie als eine Unholdin/ die den Eyd der Treue/ und das heilige Band der Ehe zerriſſen/ verfluchet? Fuͤrſt Rhemetalces laͤchelte/ und bat/ ſie moͤchte dieſe Ruhms-wuͤrdige Heldin/ welcher Pannonien einen Ehren-Krantz ſchuldig blieben waͤre/ nicht unverhoͤrter Sache durch ein ſo ſtrenges Urtheil verdammen. Denn ob zwar die Liebe eines Ehweibes alle andere uͤbertreffen ſolte/ waͤre ſelbte doch dem Maͤß-Stabe der Vernunfft unterworffen/ ohne welchen alle Tugenden zu Laſtern wuͤrden. Sie koͤnte ihr Hertz zwar mit keinem Nebenbuhler theilen/ aber ſie waͤre nicht befugt es ihrem Vaterlande zu ent- ziehen; welches uͤber uns mehr Gewalt haͤtte/ als Vaͤter uͤber ihre Kinder/ und Maͤnner uͤber ihre Weiber. Der Ehleute Liebe waͤre ange- nommen/ des Vaterlands aber angebohren. Ja auch die angebohrne muͤſte des Vaterlands Liebe aus dem Wege treten. Daher haͤtte A- geſilaus zu unſterblichem Nachruhme ſeinen Sohn Pauſanias der Spartaner Fuͤrſten/ weil er ſein Vaterland dem Xerxes fuͤr 500. Talent verrathen wollen/ durch Hunger getoͤdtet/ ſeine Mutter aber die Leiche unbegraben weggeworf- fen. Brutus und Caſſius haͤtten dieſe Zaͤrtlig- keit ihnen aus dem Gemuͤthe geſchlagen/ als ſie beyde ihre wider das Vaterland aufgeſtandene Soͤhne zum Tode verurtheilet; und Fulvius/ als er ſeines Sohnes Kopf ſpringen ſahe/ geſagt: Er haͤtte ihn nicht dem Catilina wider das Va- terland/ ſondern dem Vaterlande wider Catili- nen gezeuget. Das Vaterland koͤnte wohl be- ſtehen/ wenn ein Geſchlechte zu Grunde ginge/ dieſes aber nicht/ wenn jenes fiele. Da nun ih- rer ſo viel ihre ſelbſteigene Liebe des Vaterlands nachgeſetzt/ und deſſen Wohlſt and mit ihren Lei- chen unterſtuͤtzet haͤtten/ wie waͤre des Sinadats Ehfrau ohne ſich der Verraͤtherey ſelbſt theil- hafft zu machen ihres verraͤtheriſchen Ehmanns zu ſchonen/ und das gemeine Heil in Grund zu ſtuͤrtzen berechtigt geweſen? Sintemal ja die Eh ein Verbuͤndnuͤß der Hertzen/ nicht aber der Laſter ſeyn ſolte. Erato begegnete dem Rheme- talces: Sie gebe gerne nach: daß ein Weib ihren Ehmann von boͤſen Entſchluͤſſungen abzuleiten bemuͤht ſeyn; aber ihn doch nicht ſelbſt angeben ſolte. So wenig einer ſich ſelbſt anzuklagen ſchuldig waͤre/ ſo wenig laͤge es ſeiner unzertreñ- lichen Gefaͤrtin in allem Ungluͤck und zweifel- hafften Faͤllen ob. Calliroe/ welche ihres Va- ters Lycus abſcheuliche Menſchen-Opferung ihrem Liebhaber Diomedes entdecket/ haͤtte ſich hernach mit einem Stricke erhencket; Byſatia die eben dis von dem Maſſyler Koͤnige dem Craſ- ſus offenbart/ ihr die Kehle abſchneiden muͤſſen. Alſo wuͤrde ſie ſich nimmermehr uͤberwinden/ aus Liebe des Vaterlandes dem Ehmanne treu- loß zu weꝛden/ welchen der meiſten Voͤlcker Recht uͤber ihre Weiber die Gewalt des Lebens und des Todes zueignet. Adgandeſter ward erſucht/ hieruͤber den Ausſchlag zu geben/ aber er lehn- te ſein begehꝛtes Uꝛtheil mit allerhand Unterſchei- dungen der Umbſtaͤnde ab; wolte des Sinidats Ehweib wedeꝛ gaͤntzlich veꝛtheidigẽ noch veꝛdam- mẽ; vorwendende: Es gebe ſolche Thaten; welche nach der Eigenſchafft der auf dem Lande und im Waſſer lebender Thiere gewiſſer maſſen zu den Tugenden und Laſtern gerechnet werden koͤnten. Jedoch/ ſagte er/ fragte Koͤnig Hunn nach der Zeit wenig nach ihr; ſie ſelbſt brachte ihr uͤbriges Leben mit Einſamkeit hin/ ihren Kin- dern aber nur die Ungenoſſenheit der nichts minder fallenden Straffen zuwege. Der Skordisker Fuͤrſt Theſſalor fluͤchtete ſich zum Antigonus/ und erhaͤrtete durch ſein Beyſpiel: daß ein beleidigter Freund mehr als tauſend Feinde Unheil ſtiften koͤnten. Denn nach dem alle Erſter Theil. G g g g g

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/847
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 783[787]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/847>, abgerufen am 03.07.2024.