Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch
der Rennbahn sich zur Gnüge belustiget/ verfügen sie sich in den
Lust-Garten/ allwo sie sich mit der alldar gefundenen Königin
Erato/ Saloninen und übrigem von der Fürstin Thußnelde zurück
gelassenen Frauenzimmer auffs freundlichste besprechen. Der Köni-
gin Erato sonderbare Begierde die beyden Cattischen Hertzoginnen
bald zu umarmen; wie nicht weniger die Liebes-Beschaffenheit zwischen
dem Feldherrn und der Fürstin Thußnelde/ und die von ihrem Vater
dem Segesthes darüber geschöpffte Gramschafft vom Fürsten Adgande-
ster als einem Schoos-Kinde und Gefärthin aller Heimligkeiten des
Hertzog Herrmanns zu vernehmen/ Fürst Adgandester stillet dies
Verlangen/ wohlwissende: daß der Vertrauligkeit zwischen Thußnel-
den und der Königin Erato ohne dem nichts verborgen bleiben/ und
jener reine Liebe allen Liebhabern wohl ein Licht/ niemanden aber aus-
ser dem Segesthes ein Aergerniß abgeben könte. Rhemetalces vergnü-
get sich über dieser Entschlüssung/ und ersuchet mit Gutheißen der Kö-
nigin Erato dem Adgandester die deutschen Geschichte und des Feld-
Herrns Helden-Thaten zu erzehlen. Adgandester beziehet sich diß-
fals zwar aus gewohnter Höffligkeit auff den mehr erfahrnen an-
wesenden Malovend/ und den ihm vielleicht anklebenden Argwohn/
weil die Warheit der Kern und die Seele eines Geschicht schreibers seyn
müste; läst endlich doch nach allen ihm abgeschnittenen Ausflüchten in
einem umschlossenen Creiße sich darzu bewegen. Es habe mit den
Ländern in der Welt und dem Meere oder Wolcken einerley Beschaf-
fenheit aus angeführten hochwichtigen Vernunffts-Gründen. Der
Egyptier und Scythen närrische Embildung/ der alten Deutschen
hingegen viel vernünfftigeres Urtheil vom Ursprung des Menschen.
Der kalten Nordländer Fruchtbarkeit gegen die heißen Sudländer/ die-
ersten auch dannenhero nicht unrecht die Scheide aller Völcker genen-
net. Die entstandene Unähnligkeit der Völcker und Kriege der Deut-
schen. Dieser Lüsternheit nach den Früchten Welschlands durch kei-
ne Stein-Klippen/ noch die aufsichtigen Thuscier und Tauriner auf-
zuhalten. Jhr Leben unter allen Völckern das tugendhaffte/ ihr Krie
gen das ernsth affteste. Jhre Erweiterung zwischen den Flüssen Tiein
und Addua. Die vom Bellovesus nach der deutschen Art gebauete
Stadt Meyland. Sein Nachfolger Elitoro der Alemänner Her-
tzog/ von dessen Tapfferkeit der Nahme Cenomänner herkommen.
Dessen Kriege und erbaute Städte die Thuscier aus ihrem Lande
in die steilen Klippen des Obinischen Sees getrieben. Flüße und Län-

der

Sechſtes Buch
der Rennbahn ſich zur Gnuͤge beluſtiget/ verfuͤgen ſie ſich in den
Luſt-Garten/ allwo ſie ſich mit der alldar gefundenen Koͤnigin
Erato/ Saloninen und uͤbrigem von der Fuͤrſtin Thußnelde zuruͤck
gelaſſenen Frauenzimmer auffs freundlichſte beſprechen. Der Koͤni-
gin Erato ſonderbare Begierde die beyden Cattiſchen Hertzoginnen
bald zu umarmen; wie nicht weniger die Liebes-Beſchaffenheit zwiſchen
dem Feldherrn und der Fuͤrſtin Thußnelde/ und die von ihrem Vater
dem Segeſthes daruͤber geſchoͤpffte Gramſchafft vom Fuͤrſten Adgande-
ſter als einem Schoos-Kinde und Gefaͤrthin aller Heimligkeiten des
Hertzog Herrmanns zu vernehmen/ Fuͤrſt Adgandeſter ſtillet dies
Verlangen/ wohlwiſſende: daß der Vertrauligkeit zwiſchen Thußnel-
den und der Koͤnigin Erato ohne dem nichts verborgen bleiben/ und
jener reine Liebe allen Liebhabern wohl ein Licht/ niemanden aber auſ-
ſer dem Segeſthes ein Aergerniß abgeben koͤnte. Rhemetalces vergnuͤ-
get ſich uͤber dieſer Entſchluͤſſung/ und erſuchet mit Gutheißen der Koͤ-
nigin Erato dem Adgandeſter die deutſchen Geſchichte und des Feld-
Herrns Helden-Thaten zu erzehlen. Adgandeſter beziehet ſich diß-
fals zwar aus gewohnter Hoͤffligkeit auff den mehr erfahrnen an-
weſenden Malovend/ und den ihm vielleicht anklebenden Argwohn/
weil die Warheit der Kern und die Seele eines Geſchicht ſchreibers ſeyn
muͤſte; laͤſt endlich doch nach allen ihm abgeſchnittenen Ausfluͤchten in
einem umſchloſſenen Creiße ſich darzu bewegen. Es habe mit den
Laͤndern in der Welt und dem Meere oder Wolcken einerley Beſchaf-
fenheit aus angefuͤhrten hochwichtigen Vernunffts-Gruͤnden. Der
Egyptier und Scythen naͤrriſche Embildung/ der alten Deutſchen
hingegen viel vernuͤnfftigeres Urtheil vom Urſprung des Menſchen.
Der kalten Nordlaͤnder Fruchtbarkeit gegen die heißen Sudlaͤnder/ die-
erſten auch dannenhero nicht unrecht die Scheide aller Voͤlcker genen-
net. Die entſtandene Unaͤhnligkeit der Voͤlcker und Kriege der Deut-
ſchen. Dieſer Luͤſternheit nach den Fruͤchten Welſchlands durch kei-
ne Stein-Klippen/ noch die aufſichtigen Thuſcier und Tauriner auf-
zuhalten. Jhr Leben unter allen Voͤlckern das tugendhaffte/ ihr Krie
gen das ernſth affteſte. Jhre Erweiterung zwiſchen den Fluͤſſen Tiein
und Addua. Die vom Belloveſus nach der deutſchen Art gebauete
Stadt Meyland. Sein Nachfolger Elitoro der Alemaͤnner Her-
tzog/ von deſſen Tapfferkeit der Nahme Cenomaͤnner herkommen.
Deſſen Kriege und erbaute Staͤdte die Thuſcier aus ihrem Lande
in die ſteilen Klippen des Obiniſchen Sees getrieben. Fluͤße und Laͤn-

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <argument>
            <p><pb facs="#f0778" n="716[718]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch</hi></fw><lb/>
der Rennbahn &#x017F;ich zur Gnu&#x0364;ge belu&#x017F;tiget/ verfu&#x0364;gen &#x017F;ie &#x017F;ich in den<lb/>
Lu&#x017F;t-Garten/ allwo &#x017F;ie &#x017F;ich mit der alldar gefundenen Ko&#x0364;nigin<lb/>
Erato/ Saloninen und u&#x0364;brigem von der Fu&#x0364;r&#x017F;tin Thußnelde zuru&#x0364;ck<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;enen Frauenzimmer auffs freundlich&#x017F;te be&#x017F;prechen. Der Ko&#x0364;ni-<lb/>
gin Erato &#x017F;onderbare Begierde die beyden Catti&#x017F;chen Hertzoginnen<lb/>
bald zu umarmen; wie nicht weniger die Liebes-Be&#x017F;chaffenheit zwi&#x017F;chen<lb/>
dem Feldherrn und der Fu&#x0364;r&#x017F;tin Thußnelde/ und die von ihrem Vater<lb/>
dem Sege&#x017F;thes daru&#x0364;ber ge&#x017F;cho&#x0364;pffte Gram&#x017F;chafft vom Fu&#x0364;r&#x017F;ten Adgande-<lb/>
&#x017F;ter als einem Schoos-Kinde und Gefa&#x0364;rthin aller Heimligkeiten des<lb/>
Hertzog Herrmanns zu vernehmen/ Fu&#x0364;r&#x017F;t Adgande&#x017F;ter &#x017F;tillet dies<lb/>
Verlangen/ wohlwi&#x017F;&#x017F;ende: daß der Vertrauligkeit zwi&#x017F;chen Thußnel-<lb/>
den und der Ko&#x0364;nigin Erato ohne dem nichts verborgen bleiben/ und<lb/>
jener reine Liebe allen Liebhabern wohl ein Licht/ niemanden aber au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er dem Sege&#x017F;thes ein Aergerniß abgeben ko&#x0364;nte. Rhemetalces vergnu&#x0364;-<lb/>
get &#x017F;ich u&#x0364;ber die&#x017F;er Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung/ und er&#x017F;uchet mit Gutheißen der Ko&#x0364;-<lb/>
nigin Erato dem Adgande&#x017F;ter die deut&#x017F;chen Ge&#x017F;chichte und des Feld-<lb/>
Herrns Helden-Thaten zu erzehlen. Adgande&#x017F;ter beziehet &#x017F;ich diß-<lb/>
fals zwar aus gewohnter Ho&#x0364;ffligkeit auff den mehr erfahrnen an-<lb/>
we&#x017F;enden Malovend/ und den ihm vielleicht anklebenden Argwohn/<lb/>
weil die Warheit der Kern und die Seele eines Ge&#x017F;chicht &#x017F;chreibers &#x017F;eyn<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;te; la&#x0364;&#x017F;t endlich doch nach allen ihm abge&#x017F;chnittenen Ausflu&#x0364;chten in<lb/>
einem um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Creiße &#x017F;ich darzu bewegen. Es habe mit den<lb/>
La&#x0364;ndern in der Welt und dem Meere oder Wolcken einerley Be&#x017F;chaf-<lb/>
fenheit aus angefu&#x0364;hrten hochwichtigen Vernunffts-Gru&#x0364;nden. Der<lb/>
Egyptier und Scythen na&#x0364;rri&#x017F;che Embildung/ der alten Deut&#x017F;chen<lb/>
hingegen viel vernu&#x0364;nfftigeres Urtheil vom Ur&#x017F;prung des Men&#x017F;chen.<lb/>
Der kalten Nordla&#x0364;nder Fruchtbarkeit gegen die heißen Sudla&#x0364;nder/ die-<lb/>
er&#x017F;ten auch dannenhero nicht unrecht die Scheide aller Vo&#x0364;lcker genen-<lb/>
net. Die ent&#x017F;tandene Una&#x0364;hnligkeit der Vo&#x0364;lcker und Kriege der Deut-<lb/>
&#x017F;chen. Die&#x017F;er Lu&#x0364;&#x017F;ternheit nach den Fru&#x0364;chten Wel&#x017F;chlands durch kei-<lb/>
ne Stein-Klippen/ noch die auf&#x017F;ichtigen Thu&#x017F;cier und Tauriner auf-<lb/>
zuhalten. Jhr Leben unter allen Vo&#x0364;lckern das tugendhaffte/ ihr Krie<lb/>
gen das ern&#x017F;th affte&#x017F;te. Jhre Erweiterung zwi&#x017F;chen den Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Tiein<lb/>
und Addua. Die vom Bellove&#x017F;us nach der deut&#x017F;chen Art gebauete<lb/>
Stadt Meyland. Sein Nachfolger Elitoro der Alema&#x0364;nner Her-<lb/>
tzog/ von de&#x017F;&#x017F;en Tapfferkeit der Nahme Cenoma&#x0364;nner herkommen.<lb/>
De&#x017F;&#x017F;en Kriege und erbaute Sta&#x0364;dte die Thu&#x017F;cier aus ihrem Lande<lb/>
in die &#x017F;teilen Klippen des Obini&#x017F;chen Sees getrieben. Flu&#x0364;ße und La&#x0364;n-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
          </argument>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[716[718]/0778] Sechſtes Buch der Rennbahn ſich zur Gnuͤge beluſtiget/ verfuͤgen ſie ſich in den Luſt-Garten/ allwo ſie ſich mit der alldar gefundenen Koͤnigin Erato/ Saloninen und uͤbrigem von der Fuͤrſtin Thußnelde zuruͤck gelaſſenen Frauenzimmer auffs freundlichſte beſprechen. Der Koͤni- gin Erato ſonderbare Begierde die beyden Cattiſchen Hertzoginnen bald zu umarmen; wie nicht weniger die Liebes-Beſchaffenheit zwiſchen dem Feldherrn und der Fuͤrſtin Thußnelde/ und die von ihrem Vater dem Segeſthes daruͤber geſchoͤpffte Gramſchafft vom Fuͤrſten Adgande- ſter als einem Schoos-Kinde und Gefaͤrthin aller Heimligkeiten des Hertzog Herrmanns zu vernehmen/ Fuͤrſt Adgandeſter ſtillet dies Verlangen/ wohlwiſſende: daß der Vertrauligkeit zwiſchen Thußnel- den und der Koͤnigin Erato ohne dem nichts verborgen bleiben/ und jener reine Liebe allen Liebhabern wohl ein Licht/ niemanden aber auſ- ſer dem Segeſthes ein Aergerniß abgeben koͤnte. Rhemetalces vergnuͤ- get ſich uͤber dieſer Entſchluͤſſung/ und erſuchet mit Gutheißen der Koͤ- nigin Erato dem Adgandeſter die deutſchen Geſchichte und des Feld- Herrns Helden-Thaten zu erzehlen. Adgandeſter beziehet ſich diß- fals zwar aus gewohnter Hoͤffligkeit auff den mehr erfahrnen an- weſenden Malovend/ und den ihm vielleicht anklebenden Argwohn/ weil die Warheit der Kern und die Seele eines Geſchicht ſchreibers ſeyn muͤſte; laͤſt endlich doch nach allen ihm abgeſchnittenen Ausfluͤchten in einem umſchloſſenen Creiße ſich darzu bewegen. Es habe mit den Laͤndern in der Welt und dem Meere oder Wolcken einerley Beſchaf- fenheit aus angefuͤhrten hochwichtigen Vernunffts-Gruͤnden. Der Egyptier und Scythen naͤrriſche Embildung/ der alten Deutſchen hingegen viel vernuͤnfftigeres Urtheil vom Urſprung des Menſchen. Der kalten Nordlaͤnder Fruchtbarkeit gegen die heißen Sudlaͤnder/ die- erſten auch dannenhero nicht unrecht die Scheide aller Voͤlcker genen- net. Die entſtandene Unaͤhnligkeit der Voͤlcker und Kriege der Deut- ſchen. Dieſer Luͤſternheit nach den Fruͤchten Welſchlands durch kei- ne Stein-Klippen/ noch die aufſichtigen Thuſcier und Tauriner auf- zuhalten. Jhr Leben unter allen Voͤlckern das tugendhaffte/ ihr Krie gen das ernſth affteſte. Jhre Erweiterung zwiſchen den Fluͤſſen Tiein und Addua. Die vom Belloveſus nach der deutſchen Art gebauete Stadt Meyland. Sein Nachfolger Elitoro der Alemaͤnner Her- tzog/ von deſſen Tapfferkeit der Nahme Cenomaͤnner herkommen. Deſſen Kriege und erbaute Staͤdte die Thuſcier aus ihrem Lande in die ſteilen Klippen des Obiniſchen Sees getrieben. Fluͤße und Laͤn- der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/778
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 716[718]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/778>, abgerufen am 21.11.2024.