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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] graben: Hier ist verwahrt die Asche des
Jndischen Priesters Zarmar von Bar-
gosa/ der nach seiner Landes-Art zu
Bestetigung der Warheit sich selbst le-
bendig verbrennet.

Jch gerieth hierüber in die Liebe der Ein-
samkeit/ und baute diesem grossen Weltweisen
täglich in meinem Gemüthe ein neues Ehren-
mahl. Jch betrachtete: wie ein Weiser so
wohl in seinem Absterben/ als die Sonne/
wenn sie zu Golde gehet/ seinen Glantz behal-
te. Wie ein tugendhafftes Leben einem fröli-
chen Tode so annehmlich zu Grabe leuchte.
Absonderlich aber dachte ich dem Geheimniße
nach/ welches der sterbende Zarmar bey seinem
Tods/ ich weiß nicht/ ob entdeckte oder verhöle-
te. Jch seuffzete nach dem Erkäntniße der-
selben Warheit/ welche er mit seinem Tode be-
stetigte. Jch verehrtt selbte/ wiewohl voller
Unwissenheit/ als eine Gottheit. Denn mich
bedünckte; daß ich nunmehr erst ein wenig
Licht über des Pythagoras Lehre bekommen;
welche dem grossen Oromasdes/ oder dem all-
mächtigen Gotte das Licht zu einem Leibe/ und
die Warheit zur Seele zueignet; Und daß ich
einen Blick in des Plato Meinung gethan/
der der Warheit ihre Wohnstatt nicht in dieser
irrdischen/ sondern in einer andern Welt ein-
räumet; oder so viel sagen will: daß sie wesent-
lich nur in GOtt/ ihr Schatten aber nur bey
Menschen gefunden werde. Sintemal doch
auch der weisesten Leute vernünfftigste Schlüsse
nur einen Schein der Warheit haben. Je
länger ich aber hierüber nachsann; iemehr mu-
ste ich dem Democritus beypflichten: daß die
Findung der Warheit in einem tieffen Brun-
nen/ nehmlich der menschlichen Blödigkeit
verborgen läge; und daß derselben Offenbah-
rung von GOtt dem höchsten Wesen zu er-
[Spaltenumbruch] bitten/ und mit der Zeit zu erwarten wäre. Jn
welchem Absehen vielleicht die Alten dem höch-
sten Jrr-Sterne dem Saturn als dem Schutz-
Geiste der Warheit eitel Köpffe geopffert ha-
ben.

Nach etlichen Wochen ward Masulipat
vom Käyser mit guter Verrichtung abgefer-
tigt/ welcher sich denn auch nach Rom erhob.
Jch aber blieb nach allerseits genommenem
Abschiede/ ungeachtet mich Zarmar in Jndien/
Mecenas nach Rom mit Masulipat bewegen
wolte/ zu Athen/ und machte mit denen be-
rühmtesten Weltweisen Kundschafft. Denn
es hatte die Gemeinschafft und der Tod dieses
Jndischen Weltweisen mir gleichsam alle Lust
zu irrdischen Dingen vergället. Von dar
durchreisete ich gantz Griechenland/ und suchte
meine Vergnügung in der Weltweißheit. Aber
das stete Andencken meiner Erato war mir ei-
ne stete Unruhe des Lebens/ und ein Fürbild
meiner Träume. Endlich verwickelte mich
das Verhängniß mit meinem Unwillen in den
Dalmatischen/ und folgends in den deutschen
Krieg. Aber der erfreute Ausgang hat mich
auch in meinem Unglücke und in meiner Ge-
fängniß unterwiesen: daß der Mäßstab un-
sers Verstandes/ wenn er unsern künfftigen
Wohlstand abzirckeln wil/ ein krummes Richt-
scheit/ und das Licht unserer Seele/ wenn sie in
die Sonne des Verhängnisses sehen will/ eine
schwartze Finsterniß sey. Jch lache der Men-
schen/ die einen glückseligen Streich für eine
Frucht ihrer Klugheit rühmen; da doch alles
unser Beginnen sich nur mit dem ersten Bewe-
gungs-Zirckel der Göttlichen Versehung her-
um drehet. Wir können ja wohl die Segel
ausspannen/ aber nicht den Wind machen; der
uns bey allen Klippen vorbey in den verlangten
Hafen führet. Jene muß so wohl uns vom
Strande treiben/ als einen Leitstern abgeben.

Und
X x x x 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] graben: Hier iſt verwahrt die Aſche des
Jndiſchen Prieſters Zarmar von Bar-
goſa/ der nach ſeiner Landes-Art zu
Beſtetigung der Warheit ſich ſelbſt le-
bendig verbrennet.

Jch gerieth hieruͤber in die Liebe der Ein-
ſamkeit/ und baute dieſem groſſen Weltweiſen
taͤglich in meinem Gemuͤthe ein neues Ehren-
mahl. Jch betrachtete: wie ein Weiſer ſo
wohl in ſeinem Abſterben/ als die Sonne/
wenn ſie zu Golde gehet/ ſeinen Glantz behal-
te. Wie ein tugendhafftes Leben einem froͤli-
chen Tode ſo annehmlich zu Grabe leuchte.
Abſonderlich aber dachte ich dem Geheimniße
nach/ welches der ſterbende Zarmar bey ſeinem
Tods/ ich weiß nicht/ ob entdeckte oder verhoͤle-
te. Jch ſeuffzete nach dem Erkaͤntniße der-
ſelben Warheit/ welche er mit ſeinem Tode be-
ſtetigte. Jch verehrtt ſelbte/ wiewohl voller
Unwiſſenheit/ als eine Gottheit. Denn mich
beduͤnckte; daß ich nunmehr erſt ein wenig
Licht uͤber des Pythagoras Lehre bekommen;
welche dem groſſen Oromaſdes/ oder dem all-
maͤchtigen Gotte das Licht zu einem Leibe/ und
die Warheit zur Seele zueignet; Und daß ich
einen Blick in des Plato Meinung gethan/
der der Warheit ihre Wohnſtatt nicht in dieſer
irrdiſchen/ ſondern in einer andern Welt ein-
raͤumet; oder ſo viel ſagen will: daß ſie weſent-
lich nur in GOtt/ ihr Schatten aber nur bey
Menſchen gefunden werde. Sintemal doch
auch der weiſeſten Leute vernuͤnfftigſte Schluͤſſe
nur einen Schein der Warheit haben. Je
laͤnger ich aber hieruͤber nachſann; iemehr mu-
ſte ich dem Democritus beypflichten: daß die
Findung der Warheit in einem tieffen Brun-
nen/ nehmlich der menſchlichen Bloͤdigkeit
verborgen laͤge; und daß derſelben Offenbah-
rung von GOtt dem hoͤchſten Weſen zu er-
[Spaltenumbruch] bitten/ und mit der Zeit zu erwarten waͤre. Jn
welchem Abſehen vielleicht die Alten dem hoͤch-
ſten Jrr-Sterne dem Saturn als dem Schutz-
Geiſte der Warheit eitel Koͤpffe geopffert ha-
ben.

Nach etlichen Wochen ward Maſulipat
vom Kaͤyſer mit guter Verrichtung abgefer-
tigt/ welcher ſich denn auch nach Rom erhob.
Jch aber blieb nach allerſeits genommenem
Abſchiede/ ungeachtet mich Zarmar in Jndien/
Mecenas nach Rom mit Maſulipat bewegen
wolte/ zu Athen/ und machte mit denen be-
ruͤhmteſten Weltweiſen Kundſchafft. Denn
es hatte die Gemeinſchafft und der Tod dieſes
Jndiſchen Weltweiſen mir gleichſam alle Luſt
zu irrdiſchen Dingen vergaͤllet. Von dar
durchreiſete ich gantz Griechenland/ und ſuchte
meine Vergnuͤgung in der Weltweißheit. Aber
das ſtete Andencken meiner Erato war mir ei-
ne ſtete Unruhe des Lebens/ und ein Fuͤrbild
meiner Traͤume. Endlich verwickelte mich
das Verhaͤngniß mit meinem Unwillen in den
Dalmatiſchen/ und folgends in den deutſchen
Krieg. Aber der erfreute Ausgang hat mich
auch in meinem Ungluͤcke und in meiner Ge-
faͤngniß unterwieſen: daß der Maͤßſtab un-
ſers Verſtandes/ wenn er unſern kuͤnfftigen
Wohlſtand abzirckeln wil/ ein krummes Richt-
ſcheit/ und das Licht unſerer Seele/ wenn ſie in
die Sonne des Verhaͤngniſſes ſehen will/ eine
ſchwartze Finſterniß ſey. Jch lache der Men-
ſchen/ die einen gluͤckſeligen Streich fuͤr eine
Frucht ihrer Klugheit ruͤhmen; da doch alles
unſer Beginnen ſich nur mit dem erſten Bewe-
gungs-Zirckel der Goͤttlichen Verſehung her-
um drehet. Wir koͤnnen ja wohl die Segel
ausſpannen/ aber nicht den Wind machen; der
uns bey allen Klippen vorbey in den verlangten
Hafen fuͤhret. Jene muß ſo wohl uns vom
Strande treiben/ als einen Leitſtern abgeben.

Und
X x x x 2
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/771>, abgerufen am 23.11.2024.