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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der/ rauschende Bäche/ gesunde Brunnen in ei-
nem Kreiß versammlet; die Kunst aber mühte
sich mit Einpfropffung allerhand ausländischer
Gewächse/ zierlicher Eintheilung des Baum-
wercks und Blumenstücke/ mit Bereitung sel-
tzamer Felsen und Klüffte/ von den höchsten Gi-
pfeln abstürtzender Wasser/ spielender Wasser-
Künste der Natur ihrer Mutter einen Rang ab-
zurennen. Das Lusthaus war aus weissem Mar-
mel gebaut/ die Decken waren mit Helffenbein
übertäffelt/ die Fenster aus Berg-Kristallen/ die
Tische aus flasernem Zitron- und Zeder-Holtze/
welche meist gleichsam mit Augen eines Pfauen-
Schwantzes beworffen waren. Die Bödeme
waren mit Aßyrischen/ die Wände mit Seri-
schen Teppichten/ oder Persischen Goldstücken
bekleidet/ welche noch darzu von Perlen starrten/
und mit Edelgesteinen flammeten. Wiewol nun
diese mehr als Königliche Pracht aller Augen
gleichsam verblendete/ so hatte doch Mecenas in
diesem seinem Eigenthume alles Ansehen seiner
Würde/ und alles Gepränge des Hofes von sich
weggeleget; und dahero schiene die Wollust hier so
wenig schädlich/ als die Schlangen auff Cypern
gifftig zu seyn. Seine Höffligkeit machten seine
unüberfirnste Gemüths-Gaben desto scheinba-
rer/ also/ daß wir bey Hofe nur die Helffte des
Mecenas/ in dieser Einsamkeit aber seine gantze
Vollkommenheit gesehen zu haben uns bedün-
cken liessen. Denn seine vorige Freundligkeit
verwandelte er nunmehr in eine offenhertzige
Verträuligkeit. Er hatte von den Grossen des
Hofes keinen bey sich/ ob schon seine Taffel täg-
lich iedermann offen stand; indem er mit dem E-
picur eine einsame Mahlzeit für eine Zerflei-
schung roher Thiere/ und eine Lebens-Art der
Löwen und Wölffe hielt. Gleichwol wäre seine
Taffel dißmal auch für den Käyser selbst nicht zu
geringe gewest/ so wohl wegen der kostbaren Zu-
bereitung/ als wegen Seltzamkeit der Gerichte;
unter welchen aber zu unserer Verwunderung
[Spaltenumbruch] ein Viertel von einem jungen Esel befindlich
war; welches Mecenas seinen Gästen allezeit
fürzusetzen soll gewohnt gewesen seyn. Maro und
Horatz waren wie sonst täglich/ also auch dißmal
seine Gäste; wormit er durch Anleitung ihrer
Getichte auch bey annehmlichem Zeitvertreib
unvermerckt zu der Liebe der Tugend und Weiß-
heit auffgemuntert würde. Aller dieser meiste
Unterredungen waren eitel Lobopffer des Käy-
sers; oder Lehren/ wie man durch Tugend ein Le-
ben bey der Nachwelt erhalten solte. Unter die-
ser Verträuligkeit nahm ich wahr/ wie Mecenas
ihm selbst ein Stücke von dem Esel-Viertel ab-
schnitt/ und bey dessen begieriger Verzehrung al-
ler andern Köstligkeiten vergaß. Diesemnach
ich von dem Vorschneider selbst ein Theil von
diesem neuen Gerichte verlangte; welches mir/
ich weiß nicht ob aus einem Zuge gegen dem Me-
cenas/ oder seiner Gütigkeit halber überaus wol
schmeckte; und daher anfing: Jch wünschte mir
nun auch auf eine kurtze Zeit einen Kranchs oder
Kamel-Hals mit dem Philoxenus; oder daß ich
wie Pithyllus meine Zunge in ein Futter einge-
schlossen gehabt hätte/ um diese Süßigkeit so viel
eigentlicher zu schmecken. Mecenas veranlaste
den Jndianischen Gesandten hiervon auch et-
was zu geniessen; aber er war hierzu nicht zu be-
reden; weßwegen ich ihn schertzweise entschuldig-
te: Jn Jndien äße man keine Hasen/ daher mü-
ste der Gesandte auch der Aehnligkeit halber sich
der Esel enthalten. Horatius begegnete mim wenn
des Römischen Frauen zimmers Glaube wahr
wäre: daß das Hasenfleisch schön machte/ müste es
in Jndien Mangel an schönem Frauenzimmer ge-
benn. Der Gesandte antwortete mit einem gleich-
mäßigen Schertze: die Jndianer wüsten zwar
die Eigenschafft beyderley Fleisches; alleine wie
die Einwohner der Atlantischen Eylande kein
Schwein/ aus Beysorge/ sie möchten kleine Au-
gen bekommen/ wie auch keine Schildkröte äßen/
aus Furcht nicht so schlammig zu werden; also

ent-
S s s s 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der/ rauſchende Baͤche/ geſunde Brunnen in ei-
nem Kreiß verſammlet; die Kunſt aber muͤhte
ſich mit Einpfropffung allerhand auslaͤndiſcher
Gewaͤchſe/ zierlicher Eintheilung des Baum-
wercks und Blumenſtuͤcke/ mit Bereitung ſel-
tzamer Felſen und Kluͤffte/ von den hoͤchſten Gi-
pfeln abſtuͤrtzender Waſſer/ ſpielender Waſſer-
Kuͤnſte der Natur ihrer Mutter einen Rang ab-
zurennen. Das Luſthaus war aus weiſſem Mar-
mel gebaut/ die Decken waren mit Helffenbein
uͤbertaͤffelt/ die Fenſter aus Berg-Kriſtallen/ die
Tiſche aus flaſernem Zitron- und Zeder-Holtze/
welche meiſt gleichſam mit Augen eines Pfauen-
Schwantzes beworffen waren. Die Boͤdeme
waren mit Aßyriſchen/ die Waͤnde mit Seri-
ſchen Teppichten/ oder Perſiſchen Goldſtuͤcken
bekleidet/ welche noch darzu von Perlen ſtarrten/
und mit Edelgeſteinen flammeten. Wiewol nun
dieſe mehr als Koͤnigliche Pracht aller Augen
gleichſam verblendete/ ſo hatte doch Mecenas in
dieſem ſeinem Eigenthume alles Anſehen ſeiner
Wuͤrde/ und alles Gepraͤnge des Hofes von ſich
weggeleget; uñ dahero ſchiene die Wolluſt hier ſo
wenig ſchaͤdlich/ als die Schlangen auff Cypern
gifftig zu ſeyn. Seine Hoͤffligkeit machten ſeine
unuͤberfirnſte Gemuͤths-Gaben deſto ſcheinba-
rer/ alſo/ daß wir bey Hofe nur die Helffte des
Mecenas/ in dieſer Einſamkeit aber ſeine gantze
Vollkommenheit geſehen zu haben uns beduͤn-
cken lieſſen. Denn ſeine vorige Freundligkeit
verwandelte er nunmehr in eine offenhertzige
Vertraͤuligkeit. Er hatte von den Groſſen des
Hofes keinen bey ſich/ ob ſchon ſeine Taffel taͤg-
lich iedermann offen ſtand; indem er mit dem E-
picur eine einſame Mahlzeit fuͤr eine Zerflei-
ſchung roher Thiere/ und eine Lebens-Art der
Loͤwen und Woͤlffe hielt. Gleichwol waͤre ſeine
Taffel dißmal auch fuͤr den Kaͤyſer ſelbſt nicht zu
geringe geweſt/ ſo wohl wegen der koſtbaren Zu-
bereitung/ als wegen Seltzamkeit der Gerichte;
unter welchen aber zu unſerer Verwunderung
[Spaltenumbruch] ein Viertel von einem jungen Eſel befindlich
war; welches Mecenas ſeinen Gaͤſten allezeit
fuͤrzuſetzen ſoll gewohnt geweſen ſeyn. Maro uñ
Horatz waren wie ſonſt taͤglich/ alſo auch dißmal
ſeine Gaͤſte; wormit er durch Anleitung ihrer
Getichte auch bey annehmlichem Zeitvertreib
unvermerckt zu der Liebe deꝛ Tugend und Weiß-
heit auffgemuntert wuͤrde. Aller dieſer meiſte
Unterredungen waren eitel Lobopffer des Kaͤy-
ſers; oder Lehren/ wie man durch Tugend ein Le-
ben bey der Nachwelt erhalten ſolte. Unter die-
ſer Vertraͤuligkeit nahm ich wahr/ wie Mecenas
ihm ſelbſt ein Stuͤcke von dem Eſel-Viertel ab-
ſchnitt/ und bey deſſen begieriger Verzehrung al-
ler andern Koͤſtligkeiten vergaß. Dieſemnach
ich von dem Vorſchneider ſelbſt ein Theil von
dieſem neuen Gerichte verlangte; welches mir/
ich weiß nicht ob aus einem Zuge gegen dem Me-
cenas/ oder ſeiner Guͤtigkeit halber uͤberaus wol
ſchmeckte; und daher anfing: Jch wuͤnſchte mir
nun auch auf eine kurtze Zeit einen Kranchs odeꝛ
Kamel-Hals mit dem Philoxenus; oder daß ich
wie Pithyllus meine Zunge in ein Futter einge-
ſchloſſen gehabt haͤtte/ um dieſe Suͤßigkeit ſo viel
eigentlicher zu ſchmecken. Mecenas veranlaſte
den Jndianiſchen Geſandten hiervon auch et-
was zu genieſſen; aber er war hierzu nicht zu be-
reden; weßwegen ich ihn ſchertzweiſe entſchuldig-
te: Jn Jndien aͤße man keine Haſen/ daher muͤ-
ſte der Geſandte auch der Aehnligkeit halber ſich
der Eſel enthalten. Horatius begegnete mim weñ
des Roͤmiſchen Frauen zimmers Glaube wahr
waͤre: daß das Haſenfleiſch ſchoͤn machte/ muͤſte es
in Jndien Mangel an ſchoͤnem Frauenzim̃er ge-
beñ. Der Geſandte antwortete mit einem gleich-
maͤßigen Schertze: die Jndianer wuͤſten zwar
die Eigenſchafft beyderley Fleiſches; alleine wie
die Einwohner der Atlantiſchen Eylande kein
Schwein/ aus Beyſorge/ ſie moͤchten kleine Au-
gen bekom̃en/ wie auch keine Schildkroͤte aͤßen/
aus Furcht nicht ſo ſchlammig zu werden; alſo

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S s s s 3
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[693/0749] Arminius und Thußnelda. der/ rauſchende Baͤche/ geſunde Brunnen in ei- nem Kreiß verſammlet; die Kunſt aber muͤhte ſich mit Einpfropffung allerhand auslaͤndiſcher Gewaͤchſe/ zierlicher Eintheilung des Baum- wercks und Blumenſtuͤcke/ mit Bereitung ſel- tzamer Felſen und Kluͤffte/ von den hoͤchſten Gi- pfeln abſtuͤrtzender Waſſer/ ſpielender Waſſer- Kuͤnſte der Natur ihrer Mutter einen Rang ab- zurennen. Das Luſthaus war aus weiſſem Mar- mel gebaut/ die Decken waren mit Helffenbein uͤbertaͤffelt/ die Fenſter aus Berg-Kriſtallen/ die Tiſche aus flaſernem Zitron- und Zeder-Holtze/ welche meiſt gleichſam mit Augen eines Pfauen- Schwantzes beworffen waren. Die Boͤdeme waren mit Aßyriſchen/ die Waͤnde mit Seri- ſchen Teppichten/ oder Perſiſchen Goldſtuͤcken bekleidet/ welche noch darzu von Perlen ſtarrten/ und mit Edelgeſteinen flammeten. Wiewol nun dieſe mehr als Koͤnigliche Pracht aller Augen gleichſam verblendete/ ſo hatte doch Mecenas in dieſem ſeinem Eigenthume alles Anſehen ſeiner Wuͤrde/ und alles Gepraͤnge des Hofes von ſich weggeleget; uñ dahero ſchiene die Wolluſt hier ſo wenig ſchaͤdlich/ als die Schlangen auff Cypern gifftig zu ſeyn. Seine Hoͤffligkeit machten ſeine unuͤberfirnſte Gemuͤths-Gaben deſto ſcheinba- rer/ alſo/ daß wir bey Hofe nur die Helffte des Mecenas/ in dieſer Einſamkeit aber ſeine gantze Vollkommenheit geſehen zu haben uns beduͤn- cken lieſſen. Denn ſeine vorige Freundligkeit verwandelte er nunmehr in eine offenhertzige Vertraͤuligkeit. Er hatte von den Groſſen des Hofes keinen bey ſich/ ob ſchon ſeine Taffel taͤg- lich iedermann offen ſtand; indem er mit dem E- picur eine einſame Mahlzeit fuͤr eine Zerflei- ſchung roher Thiere/ und eine Lebens-Art der Loͤwen und Woͤlffe hielt. Gleichwol waͤre ſeine Taffel dißmal auch fuͤr den Kaͤyſer ſelbſt nicht zu geringe geweſt/ ſo wohl wegen der koſtbaren Zu- bereitung/ als wegen Seltzamkeit der Gerichte; unter welchen aber zu unſerer Verwunderung ein Viertel von einem jungen Eſel befindlich war; welches Mecenas ſeinen Gaͤſten allezeit fuͤrzuſetzen ſoll gewohnt geweſen ſeyn. Maro uñ Horatz waren wie ſonſt taͤglich/ alſo auch dißmal ſeine Gaͤſte; wormit er durch Anleitung ihrer Getichte auch bey annehmlichem Zeitvertreib unvermerckt zu der Liebe deꝛ Tugend und Weiß- heit auffgemuntert wuͤrde. Aller dieſer meiſte Unterredungen waren eitel Lobopffer des Kaͤy- ſers; oder Lehren/ wie man durch Tugend ein Le- ben bey der Nachwelt erhalten ſolte. Unter die- ſer Vertraͤuligkeit nahm ich wahr/ wie Mecenas ihm ſelbſt ein Stuͤcke von dem Eſel-Viertel ab- ſchnitt/ und bey deſſen begieriger Verzehrung al- ler andern Koͤſtligkeiten vergaß. Dieſemnach ich von dem Vorſchneider ſelbſt ein Theil von dieſem neuen Gerichte verlangte; welches mir/ ich weiß nicht ob aus einem Zuge gegen dem Me- cenas/ oder ſeiner Guͤtigkeit halber uͤberaus wol ſchmeckte; und daher anfing: Jch wuͤnſchte mir nun auch auf eine kurtze Zeit einen Kranchs odeꝛ Kamel-Hals mit dem Philoxenus; oder daß ich wie Pithyllus meine Zunge in ein Futter einge- ſchloſſen gehabt haͤtte/ um dieſe Suͤßigkeit ſo viel eigentlicher zu ſchmecken. Mecenas veranlaſte den Jndianiſchen Geſandten hiervon auch et- was zu genieſſen; aber er war hierzu nicht zu be- reden; weßwegen ich ihn ſchertzweiſe entſchuldig- te: Jn Jndien aͤße man keine Haſen/ daher muͤ- ſte der Geſandte auch der Aehnligkeit halber ſich der Eſel enthalten. Horatius begegnete mim weñ des Roͤmiſchen Frauen zimmers Glaube wahr waͤre: daß das Haſenfleiſch ſchoͤn machte/ muͤſte es in Jndien Mangel an ſchoͤnem Frauenzim̃er ge- beñ. Der Geſandte antwortete mit einem gleich- maͤßigen Schertze: die Jndianer wuͤſten zwar die Eigenſchafft beyderley Fleiſches; alleine wie die Einwohner der Atlantiſchen Eylande kein Schwein/ aus Beyſorge/ ſie moͤchten kleine Au- gen bekom̃en/ wie auch keine Schildkroͤte aͤßen/ aus Furcht nicht ſo ſchlammig zu werden; alſo ent- S s s s 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/749>, abgerufen am 23.11.2024.