Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
eingehändigt. Der Käyser nahm den Both-schaffter mit angebohrner Freundligkeit an/ hörte ihn mit Gedult/ beantwortete ihn/ nach dem der vorhin lange Zeit in Egypten und Griechenland gereisete Brahman Zarmar des Jndianers Sprache Griechisch erkläret hatte/ mit sonderbarer Anmuth/ fragte umb den Wohlstand seines Bruders des Königs Pirimal/ und verwieß ihn völlig an den Me- cenas/ der mit ihm handeln und einen gewis- sen Schluß machen würde. Nach geendig- ter Verhör führte Mecenas ihn und uns auff Käyserliche Verordnung zu einem herrlichen Gastmahle/ welches in einem köstlichen Spa- tzier-Saale des vom Lycurgus erbauten Zeug- hauses bereitet war; bey welchem sich für Zeiten Egeus herab gestürtzet hatte/ als er das den Theseus nach Creta überführende Schiff mit schwartzen Segeln zurück kommen sah/ und ihm einbildete: er wäre vom Minotaurus aufgerie- ben worden. Jn diesem Gastmahle vergnüg- te uns nicht so wohl die Pracht aller seltzamen von vielen Enden des Römischen Reiches und denen entlegensten Eylanden zusammen ver- schriebener Speisen und Geträncke/ als das Aussehen auf das mit Jnseln gleichsam besäe- te Meer/ und die uns von daher anwehenden Lüffte; am meisten aber die unvergleichliche Annehmligkeit des Mecenas. Und kan ich in Wahrheit sagen: daß auf des Mecenas Taffel Samos seine Pfauen/ Phrygien die Haselhü- ner/ Tarpessus die Murenen/ Pessinunt seine Zante/ Tarent seine Austern/ Cilicien seine Scarus/ Colchis seine Fasanen gezinset hatten. Seine Freundligkeit aber war die edelste Wür- tze dieser Speisen/ oder vielmehr das beste Ge- richte. Denn darmit übertraff er alle De- muth derer/ die ihn gleichsam für Verwunde- rung anbeteten; die Redligkeit aber sahe ihm aus den Augen/ und überredete also fort einen ieden: daß diese Anmuth keine Larve eines fal- [Spaltenumbruch] schen Hertzens/ noch seine Beredsamkeit eine Schmincke betrüglicher Anschläge wäre. Jch hatte ihn zwar vorhin vor den redlichsten Mann in der Welt/ ja für ein Meister-Stücke der Na- tur und der Kunst rühmen hören; aber ich er- kennte ihn allererst für ein Wunderwerck/ als ich an ihm alle Annehmligkeiten des Hofes/ keines aber seiner Laster fand. Zumal da er so viel Jahre auf dieser gefährlichen Höhe ge- standen/ und bey so vielfältiger Abwechselung des Glückes gantz unverändert geblieben war. Er hatte niemals eine andere Flacke aufgeste- cket/ als die er zum ersten bey seinem Eintritte in die Burg geführet; und der Hof/ welcher sonst auch die Heiligen verführet/ vermochte biß auf diesen Tag ihn mit seinen Kohlen nicht zu berämen. Er konte in seiner gelehrten Ein- samkeit/ und bey seiner Musen-Gesellschafft wohl des Hofes/ aber der Hof nicht seiner ent- behren. Dieser sehnete sich nach seinen Lust- Gärten/ der Käyser ward lüstern nach seinem Vorwerge; und alle diese nahmen daselbst sei- ne unschuldige Sitten an/ und legten so wohl ihre Laster als Sorgen ab; aber Mecenas blieb bey Hofe was er in seinen vier Pfälen war. Denn sein Gemüthe war so feste gesetzet: daß es die Verdrüßligkeiten so wenig herbe; als so viel Flüsse das saltzichte Meer süsse machen kunten. Verleumbdung und Heucheley wa- ren bey ihm unbekandte Ungeheuer. Denn seine Zunge machte niemand weisses schwartz/ und seine Geberden nichts schwartzes an ihm selbst weiß; sondern seine Redligkeit bemühte sich vielmehr mit Fleisse äuserlich zu zeugen/ was er inwendig war. Seine Geburts-Art schien von solcher Güte zu seyn: daß wenn er gleich seinen Gemüts-Bewegungen den freyen Zügel ließ/ selbte doch nirgendshin als auf das Mittel der Tugend verfielen. Er beging nie- mals keinen Fehler/ weder aus Schwachheit noch aus Vorsatz. Seine Aufrichtigkeit ließ ihn S s s s 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
eingehaͤndigt. Der Kaͤyſer nahm den Both-ſchaffter mit angebohrner Freundligkeit an/ hoͤrte ihn mit Gedult/ beantwortete ihn/ nach dem der vorhin lange Zeit in Egypten und Griechenland gereiſete Brahman Zarmar des Jndianers Sprache Griechiſch erklaͤret hatte/ mit ſonderbarer Anmuth/ fragte umb den Wohlſtand ſeines Bruders des Koͤnigs Pirimal/ und verwieß ihn voͤllig an den Me- cenas/ der mit ihm handeln und einen gewiſ- ſen Schluß machen wuͤrde. Nach geendig- ter Verhoͤr fuͤhrte Mecenas ihn und uns auff Kaͤyſerliche Verordnung zu einem herrlichen Gaſtmahle/ welches in einem koͤſtlichen Spa- tzier-Saale des vom Lycurgus erbauten Zeug- hauſes bereitet war; bey welchem ſich fuͤr Zeiten Egeus herab geſtuͤrtzet hatte/ als er das den Theſeus nach Creta uͤberfuͤhrende Schiff mit ſchwartzen Segeln zuruͤck kommen ſah/ und ihm einbildete: er waͤre vom Minotaurus aufgerie- ben worden. Jn dieſem Gaſtmahle vergnuͤg- te uns nicht ſo wohl die Pracht aller ſeltzamen von vielen Enden des Roͤmiſchen Reiches und denen entlegenſten Eylanden zuſammen ver- ſchriebener Speiſen und Getraͤncke/ als das Ausſehen auf das mit Jnſeln gleichſam beſaͤe- te Meer/ und die uns von daher anwehenden Luͤffte; am meiſten aber die unvergleichliche Annehmligkeit des Mecenas. Und kan ich in Wahrheit ſagen: daß auf des Mecenas Taffel Samos ſeine Pfauen/ Phrygien die Haſelhuͤ- ner/ Tarpeſſus die Murenen/ Peſſinunt ſeine Zante/ Tarent ſeine Auſtern/ Cilicien ſeine Scarus/ Colchis ſeine Faſanen gezinſet hatten. Seine Freundligkeit aber war die edelſte Wuͤr- tze dieſer Speiſen/ oder vielmehr das beſte Ge- richte. Denn darmit uͤbertraff er alle De- muth derer/ die ihn gleichſam fuͤr Verwunde- rung anbeteten; die Redligkeit aber ſahe ihm aus den Augen/ und uͤberredete alſo fort einen ieden: daß dieſe Anmuth keine Larve eines fal- [Spaltenumbruch] ſchen Hertzens/ noch ſeine Beredſamkeit eine Schmincke betruͤglicher Anſchlaͤge waͤre. Jch hatte ihn zwar vorhin vor den redlichſten Mann in der Welt/ ja fuͤr ein Meiſter-Stuͤcke der Na- tur und der Kunſt ruͤhmen hoͤren; aber ich er- kennte ihn allererſt fuͤr ein Wunderwerck/ als ich an ihm alle Annehmligkeiten des Hofes/ keines aber ſeiner Laſter fand. Zumal da er ſo viel Jahre auf dieſer gefaͤhrlichen Hoͤhe ge- ſtanden/ und bey ſo vielfaͤltiger Abwechſelung des Gluͤckes gantz unveraͤndert geblieben war. Er hatte niemals eine andere Flacke aufgeſte- cket/ als die er zum erſten bey ſeinem Eintritte in die Burg gefuͤhret; und der Hof/ welcher ſonſt auch die Heiligen verfuͤhret/ vermochte biß auf dieſen Tag ihn mit ſeinen Kohlen nicht zu beraͤmen. Er konte in ſeiner gelehrten Ein- ſamkeit/ und bey ſeiner Muſen-Geſellſchafft wohl des Hofes/ aber der Hof nicht ſeiner ent- behren. Dieſer ſehnete ſich nach ſeinen Luſt- Gaͤrten/ der Kaͤyſer ward luͤſtern nach ſeinem Vorwerge; und alle dieſe nahmen daſelbſt ſei- ne unſchuldige Sitten an/ und legten ſo wohl ihre Laſter als Sorgen ab; aber Mecenas blieb bey Hofe was er in ſeinen vier Pfaͤlen war. Denn ſein Gemuͤthe war ſo feſte geſetzet: daß es die Verdruͤßligkeiten ſo wenig herbe; als ſo viel Fluͤſſe das ſaltzichte Meer ſuͤſſe machen kunten. Verleumbdung und Heucheley wa- ren bey ihm unbekandte Ungeheuer. Denn ſeine Zunge machte niemand weiſſes ſchwartz/ und ſeine Geberden nichts ſchwartzes an ihm ſelbſt weiß; ſondern ſeine Redligkeit bemuͤhte ſich vielmehr mit Fleiſſe aͤuſerlich zu zeugen/ was er inwendig war. Seine Geburts-Art ſchien von ſolcher Guͤte zu ſeyn: daß wenn er gleich ſeinen Gemuͤts-Bewegungen den freyen Zuͤgel ließ/ ſelbte doch nirgendshin als auf das Mittel der Tugend verfielen. Er beging nie- mals keinen Fehler/ weder aus Schwachheit noch aus Vorſatz. Seine Aufrichtigkeit ließ ihn S s s s 2
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Arminius und Thußnelda.
eingehaͤndigt. Der Kaͤyſer nahm den Both-
ſchaffter mit angebohrner Freundligkeit an/
hoͤrte ihn mit Gedult/ beantwortete ihn/ nach
dem der vorhin lange Zeit in Egypten und
Griechenland gereiſete Brahman Zarmar
des Jndianers Sprache Griechiſch erklaͤret
hatte/ mit ſonderbarer Anmuth/ fragte umb
den Wohlſtand ſeines Bruders des Koͤnigs
Pirimal/ und verwieß ihn voͤllig an den Me-
cenas/ der mit ihm handeln und einen gewiſ-
ſen Schluß machen wuͤrde. Nach geendig-
ter Verhoͤr fuͤhrte Mecenas ihn und uns auff
Kaͤyſerliche Verordnung zu einem herrlichen
Gaſtmahle/ welches in einem koͤſtlichen Spa-
tzier-Saale des vom Lycurgus erbauten Zeug-
hauſes bereitet war; bey welchem ſich fuͤr Zeiten
Egeus herab geſtuͤrtzet hatte/ als er das den
Theſeus nach Creta uͤberfuͤhrende Schiff mit
ſchwartzen Segeln zuruͤck kommen ſah/ und ihm
einbildete: er waͤre vom Minotaurus aufgerie-
ben worden. Jn dieſem Gaſtmahle vergnuͤg-
te uns nicht ſo wohl die Pracht aller ſeltzamen
von vielen Enden des Roͤmiſchen Reiches und
denen entlegenſten Eylanden zuſammen ver-
ſchriebener Speiſen und Getraͤncke/ als das
Ausſehen auf das mit Jnſeln gleichſam beſaͤe-
te Meer/ und die uns von daher anwehenden
Luͤffte; am meiſten aber die unvergleichliche
Annehmligkeit des Mecenas. Und kan ich in
Wahrheit ſagen: daß auf des Mecenas Taffel
Samos ſeine Pfauen/ Phrygien die Haſelhuͤ-
ner/ Tarpeſſus die Murenen/ Peſſinunt ſeine
Zante/ Tarent ſeine Auſtern/ Cilicien ſeine
Scarus/ Colchis ſeine Faſanen gezinſet hatten.
Seine Freundligkeit aber war die edelſte Wuͤr-
tze dieſer Speiſen/ oder vielmehr das beſte Ge-
richte. Denn darmit uͤbertraff er alle De-
muth derer/ die ihn gleichſam fuͤr Verwunde-
rung anbeteten; die Redligkeit aber ſahe ihm
aus den Augen/ und uͤberredete alſo fort einen
ieden: daß dieſe Anmuth keine Larve eines fal-
ſchen Hertzens/ noch ſeine Beredſamkeit eine
Schmincke betruͤglicher Anſchlaͤge waͤre. Jch
hatte ihn zwar vorhin vor den redlichſten Mann
in der Welt/ ja fuͤr ein Meiſter-Stuͤcke der Na-
tur und der Kunſt ruͤhmen hoͤren; aber ich er-
kennte ihn allererſt fuͤr ein Wunderwerck/ als
ich an ihm alle Annehmligkeiten des Hofes/
keines aber ſeiner Laſter fand. Zumal da er
ſo viel Jahre auf dieſer gefaͤhrlichen Hoͤhe ge-
ſtanden/ und bey ſo vielfaͤltiger Abwechſelung
des Gluͤckes gantz unveraͤndert geblieben war.
Er hatte niemals eine andere Flacke aufgeſte-
cket/ als die er zum erſten bey ſeinem Eintritte
in die Burg gefuͤhret; und der Hof/ welcher
ſonſt auch die Heiligen verfuͤhret/ vermochte biß
auf dieſen Tag ihn mit ſeinen Kohlen nicht zu
beraͤmen. Er konte in ſeiner gelehrten Ein-
ſamkeit/ und bey ſeiner Muſen-Geſellſchafft
wohl des Hofes/ aber der Hof nicht ſeiner ent-
behren. Dieſer ſehnete ſich nach ſeinen Luſt-
Gaͤrten/ der Kaͤyſer ward luͤſtern nach ſeinem
Vorwerge; und alle dieſe nahmen daſelbſt ſei-
ne unſchuldige Sitten an/ und legten ſo wohl
ihre Laſter als Sorgen ab; aber Mecenas blieb
bey Hofe was er in ſeinen vier Pfaͤlen war.
Denn ſein Gemuͤthe war ſo feſte geſetzet: daß
es die Verdruͤßligkeiten ſo wenig herbe; als ſo
viel Fluͤſſe das ſaltzichte Meer ſuͤſſe machen
kunten. Verleumbdung und Heucheley wa-
ren bey ihm unbekandte Ungeheuer. Denn
ſeine Zunge machte niemand weiſſes ſchwartz/
und ſeine Geberden nichts ſchwartzes an ihm
ſelbſt weiß; ſondern ſeine Redligkeit bemuͤhte
ſich vielmehr mit Fleiſſe aͤuſerlich zu zeugen/
was er inwendig war. Seine Geburts-Art
ſchien von ſolcher Guͤte zu ſeyn: daß wenn er
gleich ſeinen Gemuͤts-Bewegungen den freyen
Zuͤgel ließ/ ſelbte doch nirgendshin als auf das
Mittel der Tugend verfielen. Er beging nie-
mals keinen Fehler/ weder aus Schwachheit
noch aus Vorſatz. Seine Aufrichtigkeit ließ
ihn
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/747>, abgerufen am 03.07.2024. |