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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] het/ beliebet/ in Person die Seinigen zum
Sturm anführete/ den Feind durch unaufhör-
liches Anlauffen abmattete/ und endlich sich der
Stadt stürmender Hand bemächtigte. Jch
hatte das Glücke der erste auff der Mauer zu
seyn; aber den Unfall/ daß der verzweiffelte
Pingli/ weil er sich alles Ermahnens unerach-
tet/ nicht ergeben wolte/ als gleich schon die ero-
berte Stadt in ihrer eigenen Beschirmer Blute
schwam/ er aber für Mattigkeit und von em-
pfangenen Wunden lächsete/ von meinem De-
gen fiel. Huhansien setzte mir in dem Gesich-
te des gantzen Heeres einen Lorber-Krantz/ dem
für der Zeitaber entseelten Pingli eine Ehren-
Säule auf/ mit der Uberschrifft:

Zollt diesem Helden-Lob/ nicht unglücksel' ge Zehren/
Mit diesem balsamt nur die Liebe Gräber ein.
Aus Helden-Asche blühn die güldnen Ehren-Aehren/
Die ein ver nünfftig Feind sich schämet abzumey'n.
Klagt nicht den frühen Todt/ das kurtze Ziel der Jahre;
Sein ewig Ruhm verträgt der Zeiten Mäßstab nicht.
Glückselig! dem sein Volck pflantzt Lorbern auf die Bahre;
Noch seliger/ den selbst sein Feind hebt an das Licht!

Die Scythen waren noch in Blutstürtz- und
Plünderung dieser grossen Stadt begriffen;
als dem Huhansien angedeutet ward/ daß die
Serer/ welche die Belägerung dieser Stadt
von den Flüchtigen erfahren/ beym Berge
Tung zurücke über den Fluß Han gesetzt/ die
Scythische Vorwache zurücke getrieben hät-
ten/ und in voller Schlacht-Ordnung gegen die
Stadt anzügen. Der König befahl mir also
fort mit denen noch im Läger auff allen Fall un-
verrückt gebliebenen Kriegs-Völckern dem
Feinde die Stirne zu bieten. Jnzwischen
brachte er in der Stadt durch gewöhnliche
Kriegs-Zeichen sein Volck unter ihre Fahnen.
Jch war kaum ein paar Stadien aus dem Läger
fortgerückt/ als der Serer Vortrab auff mich
mit grosser Ungestüm zu treffen kam. Sie ver-
folgten auch ihren Angriff mit einer so bestän-
digen Tapfferkeit/ daß einer nicht unbillich ge-
zweiffelt hätte: ob wir hier eine gantz andere Art
[Spaltenumbruch] Feinde gefunden/ oder ein neuer Helden-Geist
nach so grossem Verlust in die Serer gefahren
wäre. Also ist die Verzweiffelung der rechte
Wetzstein der Tapfferkeit/ und die euserste Noth
machet einen ungewaffneten wider vier ge-
harnschte zu fechten fähig. Hingegen reitzte
der mehrmals erhaltene Sieg/ welcher auch die
Verzagten endlich behertzt macht/ die Scythen
zu grösserer Tugend an. Jch drang nach blu-
tigem Gefechte endlich in die Mitte dieses Vor-
zugs/ und riß dem Feinde die Haupt-Fahne/ an
welcher zweiffels-frey eine rechtmäßige Be-
schirmung anzudeuten/ ein mit einem Adler
kämpffender Schwan nebst diesen Worten:
Jch fordere nicht/ aber ich schlags nicht
aus/
gemahlet war/ aus den Händen. Aber
das grosse Heer der Serer/ welches deserlegten
Königs Juen Bruder der unverzagte Zinem
führete/ brachte den Vortrab bald wieder in
Ordnung und uns ins Gedränge; also/ daß ich
zu rechter Zeit vom Könige Huhansien und der
streitbaren Syrmanis entsetzt ward. Jn sei-
ner Haupt-Fahne führte Zinem einen gekrön-
ten Drachen der Serischen Könige Kennzei-
chen/ welcher etliche ihn antastende Schlangen
verschlang/ mit der Beyschrifft: Ohne euch/
wäre ich nicht/ was ich bin.
Beyderseits
war so grimmig gefochten/ daß ich gestehe/ nie-
mals sonst auser nechsthin unter dem Varus in
einem heisseren Bade gewesen zu seyn. Jch
kriegte für der Sonnen Untergange drey Wun-
den; Huhansien und Syrmanis/ welche Wun-
der thaten/ und mehrmals unter den Feinden
verwickelt waren/ daß man sie nicht wuste/ wur-
den gleichfals verletzt; und dennoch vermochte
weder die Mattigkeit noch die Nacht die verbit-
terten Feinde von einander zu trennen/ biß sich
nach Mitternacht entweder der Himmel beyder
erbarmte/ oder so vielem Blutvergiessen nicht
länger zuschauen konte/ indem es mit einer kohl-
schwartzen Wolcke das Monden-Licht verhüll-

te/

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] het/ beliebet/ in Perſon die Seinigen zum
Sturm anfuͤhrete/ den Feind durch unaufhoͤr-
liches Anlauffen abmattete/ und endlich ſich der
Stadt ſtuͤrmender Hand bemaͤchtigte. Jch
hatte das Gluͤcke der erſte auff der Mauer zu
ſeyn; aber den Unfall/ daß der verzweiffelte
Pingli/ weil er ſich alles Ermahnens unerach-
tet/ nicht ergeben wolte/ als gleich ſchon die ero-
berte Stadt in ihrer eigenen Beſchirmer Blute
ſchwam/ er aber fuͤr Mattigkeit und von em-
pfangenen Wunden laͤchſete/ von meinem De-
gen fiel. Huhanſien ſetzte mir in dem Geſich-
te des gantzen Heeres einen Lorber-Krantz/ dem
fuͤr der Zeitaber entſeelten Pingli eine Ehren-
Saͤule auf/ mit der Uberſchrifft:

Zollt dieſem Helden-Lob/ nicht ungluͤckſel’ ge Zehren/
Mit dieſem balſamt nur die Liebe Graͤber ein.
Aus Helden-Aſche bluͤhn die guͤldnen Ehren-Aehren/
Die ein ver nuͤnfftig Feind ſich ſchaͤmet abzumey’n.
Klagt nicht den fruͤhen Todt/ das kurtze Ziel der Jahre;
Sein ewig Ruhm vertraͤgt der Zeiten Maͤßſtab nicht.
Gluͤckſelig! dem ſein Volck pflantzt Lorbern auf die Bahre;
Noch ſeliger/ den ſelbſt ſein Feind hebt an das Licht!

Die Scythen waren noch in Blutſtuͤrtz- und
Pluͤnderung dieſer groſſen Stadt begriffen;
als dem Huhanſien angedeutet ward/ daß die
Serer/ welche die Belaͤgerung dieſer Stadt
von den Fluͤchtigen erfahren/ beym Berge
Tung zuruͤcke uͤber den Fluß Han geſetzt/ die
Scythiſche Vorwache zuruͤcke getrieben haͤt-
ten/ und in voller Schlacht-Ordnung gegen die
Stadt anzuͤgen. Der Koͤnig befahl mir alſo
fort mit denen noch im Laͤger auff allen Fall un-
verruͤckt gebliebenen Kriegs-Voͤlckern dem
Feinde die Stirne zu bieten. Jnzwiſchen
brachte er in der Stadt durch gewoͤhnliche
Kriegs-Zeichen ſein Volck unter ihre Fahnen.
Jch war kaum ein paar Stadien aus dem Laͤger
fortgeruͤckt/ als der Serer Vortrab auff mich
mit groſſer Ungeſtuͤm zu treffen kam. Sie ver-
folgten auch ihren Angriff mit einer ſo beſtaͤn-
digen Tapfferkeit/ daß einer nicht unbillich ge-
zweiffelt haͤtte: ob wir hier eine gantz andere Art
[Spaltenumbruch] Feinde gefunden/ oder ein neuer Helden-Geiſt
nach ſo groſſem Verluſt in die Serer gefahren
waͤre. Alſo iſt die Verzweiffelung der rechte
Wetzſtein der Tapfferkeit/ und die euſerſte Noth
machet einen ungewaffneten wider vier ge-
harnſchte zu fechten faͤhig. Hingegen reitzte
der mehrmals erhaltene Sieg/ welcher auch die
Verzagten endlich behertzt macht/ die Scythen
zu groͤſſerer Tugend an. Jch drang nach blu-
tigem Gefechte endlich in die Mitte dieſes Vor-
zugs/ und riß dem Feinde die Haupt-Fahne/ an
welcher zweiffels-frey eine rechtmaͤßige Be-
ſchirmung anzudeuten/ ein mit einem Adler
kaͤmpffender Schwan nebſt dieſen Worten:
Jch fordere nicht/ aber ich ſchlags nicht
aus/
gemahlet war/ aus den Haͤnden. Aber
das groſſe Heer der Serer/ welches deserlegten
Koͤnigs Juen Bruder der unverzagte Zinem
fuͤhrete/ brachte den Vortrab bald wieder in
Ordnung und uns ins Gedraͤnge; alſo/ daß ich
zu rechter Zeit vom Koͤnige Huhanſien und der
ſtreitbaren Syrmanis entſetzt ward. Jn ſei-
ner Haupt-Fahne fuͤhrte Zinem einen gekroͤn-
ten Drachen der Seriſchen Koͤnige Kennzei-
chen/ welcher etliche ihn antaſtende Schlangen
verſchlang/ mit der Beyſchrifft: Ohne euch/
waͤre ich nicht/ was ich bin.
Beyderſeits
war ſo grimmig gefochten/ daß ich geſtehe/ nie-
mals ſonſt auſer nechſthin unter dem Varus in
einem heiſſeren Bade geweſen zu ſeyn. Jch
kriegte fuͤr der Sonnen Untergange drey Wun-
den; Huhanſien und Syrmanis/ welche Wun-
der thaten/ und mehrmals unter den Feinden
verwickelt waren/ daß man ſie nicht wuſte/ wur-
den gleichfals verletzt; und dennoch vermochte
weder die Mattigkeit noch die Nacht die verbit-
terten Feinde von einander zu trennen/ biß ſich
nach Mitternacht entweder der Himmel beyder
erbarmte/ oder ſo vielem Blutvergieſſen nicht
laͤnger zuſchauen konte/ indem es mit einer kohl-
ſchwartzen Wolcke das Monden-Licht verhuͤll-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/680>, abgerufen am 22.11.2024.