Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] land zahm-umbirrende Bär hätte nie keinen
Menschen/ als das ihn wollüstig-betastende
Mägdlein beleidiget und zerrissen; die Göttin
Diana aber deßhalben die Einwohner gezwun-
gen ihr jährlich eine gewisse Anzahl Jung-
frauen zu wiedmen. Jn den Africanischen
Jungfrau-Spielen dörfte keine unreine Jung-
frau sich einmischen/ sondern die Minerva
schickte es/ daß alle Versehrten durch einen
Steinwurff getödtet würden. Alle Völcker-
Rechte erklärten die aus Jrrthum mit ihnen ge-
schlossenen Ehen für nichtig. Die Armeni-
schen Töchter aber meinten durch ihre Un-
keuschheit sich bey der Anaitis einzulieben/ und
durch ihre Schande so viel bessere Heyrathen zu
verdienen. Dieses wäre ein unausleschlicher
Schandfleck des gantzen Volckes/ eine Aerger-
nüß aller Ausländer/ ein ewiger Spott der
Herrschafft/ und eine Verhöhnung der Göt-
ter; also wolte sie entweder nicht Königin/
oder dieses abscheuliche Beginnen müste abge-
stellt seyn. Sie ließ auch noch selbigen Tag
die Lust-Bäder an dem Tempel/ oder vielmehr
die Hurenhäuser biß auf den Grund einreissen/
und war diß ihr erstes Gesetze: daß der mit sei-
ner Tochter derogleichen Uppigkeit fürzuneh-
men sich gelüsten lassen würde/ solte seiner Ehre
und Würden verlustig/ die Töchter aber mit
der Straffe der entweiheten Vestalischen
Jungfrauen belegt seyn. Alle Tugendhaffte
hoben diese heilsame Anstalt biß in Himmel/ a-
ber weil die Zahl der Boßhafften jene iederzeit
übertrifft/ machte sie sich bey den meisten ver-
hast; Wiewohl die Tugend ein solches Ansehen
hat/ daß sich auch die lasterhafftigsten schämen
müssen sie offentlich zu schmähen. Unterdes-
sen wie es Schlangen giebt/ die ihr Gifft auff
nichts als das schönste Geblüme speyen/ und
Hunde/ die den Monden nur/ wenn er voll ist/
anbellen/ also lästerten ihrer viel heimlich die
Königin in ihrem lobwürdigsten Fürnehmen/
[Spaltenumbruch] fürgebende: Fürsten solten ohne wichtige Ur-
sachen/ könten auch ohne Vermessenheit in de-
nen zum Gottesdienste gehörigen Dingen
nichts ändern. Diese Art wäre von uhralten
Zeiten in Armenien eingeführet/ von so viel klu-
gen Königen in ihrem Werthe gelassen/ von
vielen Völckern/ nehmlich den Lydiern/ Voll-
sinern/ einem grossen Theile Jndiens/ und in
Africa in dem Tempel Siccuth Benoths an-
genommen und gebilligt worden. Am aller-
unnützesten aber machten sich die abgeschafften
Anaitischen Priester/ welche bey ihrem abscheu-
lichen Gottesdienste sich nicht nur am sündlich-
sten befleckten/ sondern noch mit ihrer und an-
derer Uppigkeit wucherten; in dem nicht nur
die weltlichen Männer bey ihrem Eintritte/
sondern auch die von ihnen selbst gebrauchten
Jungfrauen ein gewisses für die Wollust zin-
sen musten. Diese liessen wider die so keusche
Königin ein so unverschämtes Buch heraus/
dessen Jnhalt zu melden ich mich schwerlich ü-
berwinden könte; wenn diß nicht die wichtig-
ste Ursache der Armenischen Unruh gewest wä-
re/ und ich mich nicht bescheidete/ daß keuschen
Ohren alles keusch/ und die Schamröthe/ wel-
che vielleicht so Erlauchter Fürstinnen Wan-
gen färben dörffte/ nur bey denen Lasterhaffter.
eine Schande/ bey denen Tugendhafften aber
eine Zierde sey; Sie auch auß Entwerffung
frembder Uppigkeit so wenig etwas böses/ als
die Bienen aus Napel Gifft saugen können.
Wie nun Erato Saloninen einen Winck gab/
fuhr sie fort diesen Jnhalt der Schrifft kürtzlich
zu entwerffen: Der Königin Erato angenom-
mener Eifer wäre eine blosse Scheinheiligkeit.
Die euserlichen Dinge des Gottesdienstes mü-
sten nicht nach seinen euserlichen Schalen/ son-
dern nach ihrer heiligen Bedeutung geurtheilt
werden/ sonst hätten die so klugen Egyptier
längst ihre Zwibel und Katzen/ die Syrer ihre
Fische aus dem Tempel werffen müssen. Ein

uner-
P p 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] land zahm-umbirrende Baͤr haͤtte nie keinen
Menſchen/ als das ihn wolluͤſtig-betaſtende
Maͤgdlein beleidiget und zerriſſen; die Goͤttin
Diana aber deßhalben die Einwohner gezwun-
gen ihr jaͤhrlich eine gewiſſe Anzahl Jung-
frauen zu wiedmen. Jn den Africaniſchen
Jungfrau-Spielen doͤrfte keine unreine Jung-
frau ſich einmiſchen/ ſondern die Minerva
ſchickte es/ daß alle Verſehrten durch einen
Steinwurff getoͤdtet wuͤrden. Alle Voͤlcker-
Rechte erklaͤrten die aus Jrrthum mit ihnen ge-
ſchloſſenen Ehen fuͤr nichtig. Die Armeni-
ſchen Toͤchter aber meinten durch ihre Un-
keuſchheit ſich bey der Anaitis einzulieben/ und
durch ihre Schande ſo viel beſſere Heyrathen zu
verdienen. Dieſes waͤre ein unausleſchlicher
Schandfleck des gantzen Volckes/ eine Aerger-
nuͤß aller Auslaͤnder/ ein ewiger Spott der
Herrſchafft/ und eine Verhoͤhnung der Goͤt-
ter; alſo wolte ſie entweder nicht Koͤnigin/
oder dieſes abſcheuliche Beginnen muͤſte abge-
ſtellt ſeyn. Sie ließ auch noch ſelbigen Tag
die Luſt-Baͤder an dem Tempel/ oder vielmehr
die Hurenhaͤuſer biß auf den Grund einreiſſen/
und war diß ihr erſtes Geſetze: daß der mit ſei-
ner Tochter derogleichen Uppigkeit fuͤrzuneh-
men ſich geluͤſten laſſen wuͤrde/ ſolte ſeiner Ehre
und Wuͤrden verluſtig/ die Toͤchter aber mit
der Straffe der entweiheten Veſtaliſchen
Jungfrauen belegt ſeyn. Alle Tugendhaffte
hoben dieſe heilſame Anſtalt biß in Himmel/ a-
ber weil die Zahl der Boßhafften jene iederzeit
uͤbertrifft/ machte ſie ſich bey den meiſten ver-
haſt; Wiewohl die Tugend ein ſolches Anſehen
hat/ daß ſich auch die laſterhafftigſten ſchaͤmen
muͤſſen ſie offentlich zu ſchmaͤhen. Unterdeſ-
ſen wie es Schlangen giebt/ die ihr Gifft auff
nichts als das ſchoͤnſte Gebluͤme ſpeyen/ und
Hunde/ die den Monden nur/ wenn er voll iſt/
anbellen/ alſo laͤſterten ihrer viel heimlich die
Koͤnigin in ihrem lobwuͤrdigſten Fuͤrnehmen/
[Spaltenumbruch] fuͤrgebende: Fuͤrſten ſolten ohne wichtige Ur-
ſachen/ koͤnten auch ohne Vermeſſenheit in de-
nen zum Gottesdienſte gehoͤrigen Dingen
nichts aͤndern. Dieſe Art waͤre von uhralten
Zeiten in Armenien eingefuͤhret/ von ſo viel klu-
gen Koͤnigen in ihrem Werthe gelaſſen/ von
vielen Voͤlckern/ nehmlich den Lydiern/ Voll-
ſinern/ einem groſſen Theile Jndiens/ und in
Africa in dem Tempel Siccuth Benoths an-
genommen und gebilligt worden. Am aller-
unnuͤtzeſten aber machten ſich die abgeſchafften
Anaitiſchen Prieſter/ welche bey ihrem abſcheu-
lichen Gottesdienſte ſich nicht nur am ſuͤndlich-
ſten befleckten/ ſondern noch mit ihrer und an-
derer Uppigkeit wucherten; in dem nicht nur
die weltlichen Maͤnner bey ihrem Eintritte/
ſondern auch die von ihnen ſelbſt gebrauchten
Jungfrauen ein gewiſſes fuͤr die Wolluſt zin-
ſen muſten. Dieſe lieſſen wider die ſo keuſche
Koͤnigin ein ſo unverſchaͤmtes Buch heraus/
deſſen Jnhalt zu melden ich mich ſchwerlich uͤ-
berwinden koͤnte; wenn diß nicht die wichtig-
ſte Urſache der Armeniſchen Unruh geweſt waͤ-
re/ und ich mich nicht beſcheidete/ daß keuſchen
Ohren alles keuſch/ und die Schamroͤthe/ wel-
che vielleicht ſo Erlauchter Fuͤrſtinnen Wan-
gen faͤrben doͤrffte/ nur bey denen Laſterhaffter.
eine Schande/ bey denen Tugendhafften aber
eine Zierde ſey; Sie auch auß Entwerffung
frembder Uppigkeit ſo wenig etwas boͤſes/ als
die Bienen aus Napel Gifft ſaugen koͤnnen.
Wie nun Erato Saloninen einen Winck gab/
fuhr ſie fort dieſen Jnhalt der Schrifft kuͤrtzlich
zu entwerffen: Der Koͤnigin Erato angenom-
mener Eifer waͤre eine bloſſe Scheinheiligkeit.
Die euſerlichen Dinge des Gottesdienſtes muͤ-
ſten nicht nach ſeinen euſerlichen Schalen/ ſon-
dern nach ihrer heiligen Bedeutung geurtheilt
werden/ ſonſt haͤtten die ſo klugen Egyptier
laͤngſt ihre Zwibel und Katzen/ die Syrer ihre
Fiſche aus dem Tempel werffen muͤſſen. Ein

uner-
P p 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0353" n="301"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
land zahm-umbirrende Ba&#x0364;r ha&#x0364;tte nie keinen<lb/>
Men&#x017F;chen/ als das ihn wollu&#x0364;&#x017F;tig-beta&#x017F;tende<lb/>
Ma&#x0364;gdlein beleidiget und zerri&#x017F;&#x017F;en; die Go&#x0364;ttin<lb/>
Diana aber deßhalben die Einwohner gezwun-<lb/>
gen ihr ja&#x0364;hrlich eine gewi&#x017F;&#x017F;e Anzahl Jung-<lb/>
frauen zu wiedmen. Jn den Africani&#x017F;chen<lb/>
Jungfrau-Spielen do&#x0364;rfte keine unreine Jung-<lb/>
frau &#x017F;ich einmi&#x017F;chen/ &#x017F;ondern die Minerva<lb/>
&#x017F;chickte es/ daß alle Ver&#x017F;ehrten durch einen<lb/>
Steinwurff geto&#x0364;dtet wu&#x0364;rden. Alle Vo&#x0364;lcker-<lb/>
Rechte erkla&#x0364;rten die aus Jrrthum mit ihnen ge-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Ehen fu&#x0364;r nichtig. Die Armeni-<lb/>
&#x017F;chen To&#x0364;chter aber meinten durch ihre Un-<lb/>
keu&#x017F;chheit &#x017F;ich bey der Anaitis einzulieben/ und<lb/>
durch ihre Schande &#x017F;o viel be&#x017F;&#x017F;ere Heyrathen zu<lb/>
verdienen. Die&#x017F;es wa&#x0364;re ein unausle&#x017F;chlicher<lb/>
Schandfleck des gantzen Volckes/ eine Aerger-<lb/>
nu&#x0364;ß aller Ausla&#x0364;nder/ ein ewiger Spott der<lb/>
Herr&#x017F;chafft/ und eine Verho&#x0364;hnung der Go&#x0364;t-<lb/>
ter; al&#x017F;o wolte &#x017F;ie entweder nicht Ko&#x0364;nigin/<lb/>
oder die&#x017F;es ab&#x017F;cheuliche Beginnen mu&#x0364;&#x017F;te abge-<lb/>
&#x017F;tellt &#x017F;eyn. Sie ließ auch noch &#x017F;elbigen Tag<lb/>
die Lu&#x017F;t-Ba&#x0364;der an dem Tempel/ oder vielmehr<lb/>
die Hurenha&#x0364;u&#x017F;er biß auf den Grund einrei&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
und war diß ihr er&#x017F;tes Ge&#x017F;etze: daß der mit &#x017F;ei-<lb/>
ner Tochter derogleichen Uppigkeit fu&#x0364;rzuneh-<lb/>
men &#x017F;ich gelu&#x0364;&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde/ &#x017F;olte &#x017F;einer Ehre<lb/>
und Wu&#x0364;rden verlu&#x017F;tig/ die To&#x0364;chter aber mit<lb/>
der Straffe der entweiheten Ve&#x017F;tali&#x017F;chen<lb/>
Jungfrauen belegt &#x017F;eyn. Alle Tugendhaffte<lb/>
hoben die&#x017F;e heil&#x017F;ame An&#x017F;talt biß in Himmel/ a-<lb/>
ber weil die Zahl der Boßhafften jene iederzeit<lb/>
u&#x0364;bertrifft/ machte &#x017F;ie &#x017F;ich bey den mei&#x017F;ten ver-<lb/>
ha&#x017F;t; Wiewohl die Tugend ein &#x017F;olches An&#x017F;ehen<lb/>
hat/ daß &#x017F;ich auch die la&#x017F;terhafftig&#x017F;ten &#x017F;cha&#x0364;men<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie offentlich zu &#x017F;chma&#x0364;hen. Unterde&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en wie es Schlangen giebt/ die ihr Gifft auff<lb/>
nichts als das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Geblu&#x0364;me &#x017F;peyen/ und<lb/>
Hunde/ die den Monden nur/ wenn er voll i&#x017F;t/<lb/>
anbellen/ al&#x017F;o la&#x0364;&#x017F;terten ihrer viel heimlich die<lb/>
Ko&#x0364;nigin in ihrem lobwu&#x0364;rdig&#x017F;ten Fu&#x0364;rnehmen/<lb/><cb/>
fu&#x0364;rgebende: Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;olten ohne wichtige Ur-<lb/>
&#x017F;achen/ ko&#x0364;nten auch ohne Verme&#x017F;&#x017F;enheit in de-<lb/>
nen zum Gottesdien&#x017F;te geho&#x0364;rigen Dingen<lb/>
nichts a&#x0364;ndern. Die&#x017F;e Art wa&#x0364;re von uhralten<lb/>
Zeiten in Armenien eingefu&#x0364;hret/ von &#x017F;o viel klu-<lb/>
gen Ko&#x0364;nigen in ihrem Werthe gela&#x017F;&#x017F;en/ von<lb/>
vielen Vo&#x0364;lckern/ nehmlich den Lydiern/ Voll-<lb/>
&#x017F;inern/ einem gro&#x017F;&#x017F;en Theile Jndiens/ und in<lb/>
Africa in dem Tempel Siccuth Benoths an-<lb/>
genommen und gebilligt worden. Am aller-<lb/>
unnu&#x0364;tze&#x017F;ten aber machten &#x017F;ich die abge&#x017F;chafften<lb/>
Anaiti&#x017F;chen Prie&#x017F;ter/ welche bey ihrem ab&#x017F;cheu-<lb/>
lichen Gottesdien&#x017F;te &#x017F;ich nicht nur am &#x017F;u&#x0364;ndlich-<lb/>
&#x017F;ten befleckten/ &#x017F;ondern noch mit ihrer und an-<lb/>
derer Uppigkeit wucherten; in dem nicht nur<lb/>
die weltlichen Ma&#x0364;nner bey ihrem Eintritte/<lb/>
&#x017F;ondern auch die von ihnen &#x017F;elb&#x017F;t gebrauchten<lb/>
Jungfrauen ein gewi&#x017F;&#x017F;es fu&#x0364;r die Wollu&#x017F;t zin-<lb/>
&#x017F;en mu&#x017F;ten. Die&#x017F;e lie&#x017F;&#x017F;en wider die &#x017F;o keu&#x017F;che<lb/>
Ko&#x0364;nigin ein &#x017F;o unver&#x017F;cha&#x0364;mtes Buch heraus/<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Jnhalt zu melden ich mich &#x017F;chwerlich u&#x0364;-<lb/>
berwinden ko&#x0364;nte; wenn diß nicht die wichtig-<lb/>
&#x017F;te Ur&#x017F;ache der Armeni&#x017F;chen Unruh gewe&#x017F;t wa&#x0364;-<lb/>
re/ und ich mich nicht be&#x017F;cheidete/ daß keu&#x017F;chen<lb/>
Ohren alles keu&#x017F;ch/ und die Schamro&#x0364;the/ wel-<lb/>
che vielleicht &#x017F;o Erlauchter Fu&#x0364;r&#x017F;tinnen Wan-<lb/>
gen fa&#x0364;rben do&#x0364;rffte/ nur bey denen La&#x017F;terhaffter.<lb/>
eine Schande/ bey denen Tugendhafften aber<lb/>
eine Zierde &#x017F;ey; Sie auch auß Entwerffung<lb/>
frembder Uppigkeit &#x017F;o wenig etwas bo&#x0364;&#x017F;es/ als<lb/>
die Bienen aus Napel Gifft &#x017F;augen ko&#x0364;nnen.<lb/>
Wie nun Erato Saloninen einen Winck gab/<lb/>
fuhr &#x017F;ie fort die&#x017F;en Jnhalt der Schrifft ku&#x0364;rtzlich<lb/>
zu entwerffen: Der Ko&#x0364;nigin Erato angenom-<lb/>
mener Eifer wa&#x0364;re eine blo&#x017F;&#x017F;e Scheinheiligkeit.<lb/>
Die eu&#x017F;erlichen Dinge des Gottesdien&#x017F;tes mu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten nicht nach &#x017F;einen eu&#x017F;erlichen Schalen/ &#x017F;on-<lb/>
dern nach ihrer heiligen Bedeutung geurtheilt<lb/>
werden/ &#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tten die &#x017F;o klugen Egyptier<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t ihre Zwibel und Katzen/ die Syrer ihre<lb/>
Fi&#x017F;che aus dem Tempel werffen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Ein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P p 3</fw><fw place="bottom" type="catch">uner-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0353] Arminius und Thußnelda. land zahm-umbirrende Baͤr haͤtte nie keinen Menſchen/ als das ihn wolluͤſtig-betaſtende Maͤgdlein beleidiget und zerriſſen; die Goͤttin Diana aber deßhalben die Einwohner gezwun- gen ihr jaͤhrlich eine gewiſſe Anzahl Jung- frauen zu wiedmen. Jn den Africaniſchen Jungfrau-Spielen doͤrfte keine unreine Jung- frau ſich einmiſchen/ ſondern die Minerva ſchickte es/ daß alle Verſehrten durch einen Steinwurff getoͤdtet wuͤrden. Alle Voͤlcker- Rechte erklaͤrten die aus Jrrthum mit ihnen ge- ſchloſſenen Ehen fuͤr nichtig. Die Armeni- ſchen Toͤchter aber meinten durch ihre Un- keuſchheit ſich bey der Anaitis einzulieben/ und durch ihre Schande ſo viel beſſere Heyrathen zu verdienen. Dieſes waͤre ein unausleſchlicher Schandfleck des gantzen Volckes/ eine Aerger- nuͤß aller Auslaͤnder/ ein ewiger Spott der Herrſchafft/ und eine Verhoͤhnung der Goͤt- ter; alſo wolte ſie entweder nicht Koͤnigin/ oder dieſes abſcheuliche Beginnen muͤſte abge- ſtellt ſeyn. Sie ließ auch noch ſelbigen Tag die Luſt-Baͤder an dem Tempel/ oder vielmehr die Hurenhaͤuſer biß auf den Grund einreiſſen/ und war diß ihr erſtes Geſetze: daß der mit ſei- ner Tochter derogleichen Uppigkeit fuͤrzuneh- men ſich geluͤſten laſſen wuͤrde/ ſolte ſeiner Ehre und Wuͤrden verluſtig/ die Toͤchter aber mit der Straffe der entweiheten Veſtaliſchen Jungfrauen belegt ſeyn. Alle Tugendhaffte hoben dieſe heilſame Anſtalt biß in Himmel/ a- ber weil die Zahl der Boßhafften jene iederzeit uͤbertrifft/ machte ſie ſich bey den meiſten ver- haſt; Wiewohl die Tugend ein ſolches Anſehen hat/ daß ſich auch die laſterhafftigſten ſchaͤmen muͤſſen ſie offentlich zu ſchmaͤhen. Unterdeſ- ſen wie es Schlangen giebt/ die ihr Gifft auff nichts als das ſchoͤnſte Gebluͤme ſpeyen/ und Hunde/ die den Monden nur/ wenn er voll iſt/ anbellen/ alſo laͤſterten ihrer viel heimlich die Koͤnigin in ihrem lobwuͤrdigſten Fuͤrnehmen/ fuͤrgebende: Fuͤrſten ſolten ohne wichtige Ur- ſachen/ koͤnten auch ohne Vermeſſenheit in de- nen zum Gottesdienſte gehoͤrigen Dingen nichts aͤndern. Dieſe Art waͤre von uhralten Zeiten in Armenien eingefuͤhret/ von ſo viel klu- gen Koͤnigen in ihrem Werthe gelaſſen/ von vielen Voͤlckern/ nehmlich den Lydiern/ Voll- ſinern/ einem groſſen Theile Jndiens/ und in Africa in dem Tempel Siccuth Benoths an- genommen und gebilligt worden. Am aller- unnuͤtzeſten aber machten ſich die abgeſchafften Anaitiſchen Prieſter/ welche bey ihrem abſcheu- lichen Gottesdienſte ſich nicht nur am ſuͤndlich- ſten befleckten/ ſondern noch mit ihrer und an- derer Uppigkeit wucherten; in dem nicht nur die weltlichen Maͤnner bey ihrem Eintritte/ ſondern auch die von ihnen ſelbſt gebrauchten Jungfrauen ein gewiſſes fuͤr die Wolluſt zin- ſen muſten. Dieſe lieſſen wider die ſo keuſche Koͤnigin ein ſo unverſchaͤmtes Buch heraus/ deſſen Jnhalt zu melden ich mich ſchwerlich uͤ- berwinden koͤnte; wenn diß nicht die wichtig- ſte Urſache der Armeniſchen Unruh geweſt waͤ- re/ und ich mich nicht beſcheidete/ daß keuſchen Ohren alles keuſch/ und die Schamroͤthe/ wel- che vielleicht ſo Erlauchter Fuͤrſtinnen Wan- gen faͤrben doͤrffte/ nur bey denen Laſterhaffter. eine Schande/ bey denen Tugendhafften aber eine Zierde ſey; Sie auch auß Entwerffung frembder Uppigkeit ſo wenig etwas boͤſes/ als die Bienen aus Napel Gifft ſaugen koͤnnen. Wie nun Erato Saloninen einen Winck gab/ fuhr ſie fort dieſen Jnhalt der Schrifft kuͤrtzlich zu entwerffen: Der Koͤnigin Erato angenom- mener Eifer waͤre eine bloſſe Scheinheiligkeit. Die euſerlichen Dinge des Gottesdienſtes muͤ- ſten nicht nach ſeinen euſerlichen Schalen/ ſon- dern nach ihrer heiligen Bedeutung geurtheilt werden/ ſonſt haͤtten die ſo klugen Egyptier laͤngſt ihre Zwibel und Katzen/ die Syrer ihre Fiſche aus dem Tempel werffen muͤſſen. Ein uner- P p 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/353
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/353>, abgerufen am 22.11.2024.