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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] land zahm-umbirrende Bär hätte nie keinen
Menschen/ als das ihn wollüstig-betastende
Mägdlein beleidiget und zerrissen; die Göttin
Diana aber deßhalben die Einwohner gezwun-
gen ihr jährlich eine gewisse Anzahl Jung-
frauen zu wiedmen. Jn den Africanischen
Jungfrau-Spielen dörfte keine unreine Jung-
frau sich einmischen/ sondern die Minerva
schickte es/ daß alle Versehrten durch einen
Steinwurff getödtet würden. Alle Völcker-
Rechte erklärten die aus Jrrthum mit ihnen ge-
schlossenen Ehen für nichtig. Die Armeni-
schen Töchter aber meinten durch ihre Un-
keuschheit sich bey der Anaitis einzulieben/ und
durch ihre Schande so viel bessere Heyrathen zu
verdienen. Dieses wäre ein unausleschlicher
Schandfleck des gantzen Volckes/ eine Aerger-
nüß aller Ausländer/ ein ewiger Spott der
Herrschafft/ und eine Verhöhnung der Göt-
ter; also wolte sie entweder nicht Königin/
oder dieses abscheuliche Beginnen müste abge-
stellt seyn. Sie ließ auch noch selbigen Tag
die Lust-Bäder an dem Tempel/ oder vielmehr
die Hurenhäuser biß auf den Grund einreissen/
und war diß ihr erstes Gesetze: daß der mit sei-
ner Tochter derogleichen Uppigkeit fürzuneh-
men sich gelüsten lassen würde/ solte seiner Ehre
und Würden verlustig/ die Töchter aber mit
der Straffe der entweiheten Vestalischen
Jungfrauen belegt seyn. Alle Tugendhaffte
hoben diese heilsame Anstalt biß in Himmel/ a-
ber weil die Zahl der Boßhafften jene iederzeit
übertrifft/ machte sie sich bey den meisten ver-
hast; Wiewohl die Tugend ein solches Ansehen
hat/ daß sich auch die lasterhafftigsten schämen
müssen sie offentlich zu schmähen. Unterdes-
sen wie es Schlangen giebt/ die ihr Gifft auff
nichts als das schönste Geblüme speyen/ und
Hunde/ die den Monden nur/ wenn er voll ist/
anbellen/ also lästerten ihrer viel heimlich die
Königin in ihrem lobwürdigsten Fürnehmen/
[Spaltenumbruch] fürgebende: Fürsten solten ohne wichtige Ur-
sachen/ könten auch ohne Vermessenheit in de-
nen zum Gottesdienste gehörigen Dingen
nichts ändern. Diese Art wäre von uhralten
Zeiten in Armenien eingeführet/ von so viel klu-
gen Königen in ihrem Werthe gelassen/ von
vielen Völckern/ nehmlich den Lydiern/ Voll-
sinern/ einem grossen Theile Jndiens/ und in
Africa in dem Tempel Siccuth Benoths an-
genommen und gebilligt worden. Am aller-
unnützesten aber machten sich die abgeschafften
Anaitischen Priester/ welche bey ihrem abscheu-
lichen Gottesdienste sich nicht nur am sündlich-
sten befleckten/ sondern noch mit ihrer und an-
derer Uppigkeit wucherten; in dem nicht nur
die weltlichen Männer bey ihrem Eintritte/
sondern auch die von ihnen selbst gebrauchten
Jungfrauen ein gewisses für die Wollust zin-
sen musten. Diese liessen wider die so keusche
Königin ein so unverschämtes Buch heraus/
dessen Jnhalt zu melden ich mich schwerlich ü-
berwinden könte; wenn diß nicht die wichtig-
ste Ursache der Armenischen Unruh gewest wä-
re/ und ich mich nicht bescheidete/ daß keuschen
Ohren alles keusch/ und die Schamröthe/ wel-
che vielleicht so Erlauchter Fürstinnen Wan-
gen färben dörffte/ nur bey denen Lasterhaffter.
eine Schande/ bey denen Tugendhafften aber
eine Zierde sey; Sie auch auß Entwerffung
frembder Uppigkeit so wenig etwas böses/ als
die Bienen aus Napel Gifft saugen können.
Wie nun Erato Saloninen einen Winck gab/
fuhr sie fort diesen Jnhalt der Schrifft kürtzlich
zu entwerffen: Der Königin Erato angenom-
mener Eifer wäre eine blosse Scheinheiligkeit.
Die euserlichen Dinge des Gottesdienstes mü-
sten nicht nach seinen euserlichen Schalen/ son-
dern nach ihrer heiligen Bedeutung geurtheilt
werden/ sonst hätten die so klugen Egyptier
längst ihre Zwibel und Katzen/ die Syrer ihre
Fische aus dem Tempel werffen müssen. Ein

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P p 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] land zahm-umbirrende Baͤr haͤtte nie keinen
Menſchen/ als das ihn wolluͤſtig-betaſtende
Maͤgdlein beleidiget und zerriſſen; die Goͤttin
Diana aber deßhalben die Einwohner gezwun-
gen ihr jaͤhrlich eine gewiſſe Anzahl Jung-
frauen zu wiedmen. Jn den Africaniſchen
Jungfrau-Spielen doͤrfte keine unreine Jung-
frau ſich einmiſchen/ ſondern die Minerva
ſchickte es/ daß alle Verſehrten durch einen
Steinwurff getoͤdtet wuͤrden. Alle Voͤlcker-
Rechte erklaͤrten die aus Jrrthum mit ihnen ge-
ſchloſſenen Ehen fuͤr nichtig. Die Armeni-
ſchen Toͤchter aber meinten durch ihre Un-
keuſchheit ſich bey der Anaitis einzulieben/ und
durch ihre Schande ſo viel beſſere Heyrathen zu
verdienen. Dieſes waͤre ein unausleſchlicher
Schandfleck des gantzen Volckes/ eine Aerger-
nuͤß aller Auslaͤnder/ ein ewiger Spott der
Herrſchafft/ und eine Verhoͤhnung der Goͤt-
ter; alſo wolte ſie entweder nicht Koͤnigin/
oder dieſes abſcheuliche Beginnen muͤſte abge-
ſtellt ſeyn. Sie ließ auch noch ſelbigen Tag
die Luſt-Baͤder an dem Tempel/ oder vielmehr
die Hurenhaͤuſer biß auf den Grund einreiſſen/
und war diß ihr erſtes Geſetze: daß der mit ſei-
ner Tochter derogleichen Uppigkeit fuͤrzuneh-
men ſich geluͤſten laſſen wuͤrde/ ſolte ſeiner Ehre
und Wuͤrden verluſtig/ die Toͤchter aber mit
der Straffe der entweiheten Veſtaliſchen
Jungfrauen belegt ſeyn. Alle Tugendhaffte
hoben dieſe heilſame Anſtalt biß in Himmel/ a-
ber weil die Zahl der Boßhafften jene iederzeit
uͤbertrifft/ machte ſie ſich bey den meiſten ver-
haſt; Wiewohl die Tugend ein ſolches Anſehen
hat/ daß ſich auch die laſterhafftigſten ſchaͤmen
muͤſſen ſie offentlich zu ſchmaͤhen. Unterdeſ-
ſen wie es Schlangen giebt/ die ihr Gifft auff
nichts als das ſchoͤnſte Gebluͤme ſpeyen/ und
Hunde/ die den Monden nur/ wenn er voll iſt/
anbellen/ alſo laͤſterten ihrer viel heimlich die
Koͤnigin in ihrem lobwuͤrdigſten Fuͤrnehmen/
[Spaltenumbruch] fuͤrgebende: Fuͤrſten ſolten ohne wichtige Ur-
ſachen/ koͤnten auch ohne Vermeſſenheit in de-
nen zum Gottesdienſte gehoͤrigen Dingen
nichts aͤndern. Dieſe Art waͤre von uhralten
Zeiten in Armenien eingefuͤhret/ von ſo viel klu-
gen Koͤnigen in ihrem Werthe gelaſſen/ von
vielen Voͤlckern/ nehmlich den Lydiern/ Voll-
ſinern/ einem groſſen Theile Jndiens/ und in
Africa in dem Tempel Siccuth Benoths an-
genommen und gebilligt worden. Am aller-
unnuͤtzeſten aber machten ſich die abgeſchafften
Anaitiſchen Prieſter/ welche bey ihrem abſcheu-
lichen Gottesdienſte ſich nicht nur am ſuͤndlich-
ſten befleckten/ ſondern noch mit ihrer und an-
derer Uppigkeit wucherten; in dem nicht nur
die weltlichen Maͤnner bey ihrem Eintritte/
ſondern auch die von ihnen ſelbſt gebrauchten
Jungfrauen ein gewiſſes fuͤr die Wolluſt zin-
ſen muſten. Dieſe lieſſen wider die ſo keuſche
Koͤnigin ein ſo unverſchaͤmtes Buch heraus/
deſſen Jnhalt zu melden ich mich ſchwerlich uͤ-
berwinden koͤnte; wenn diß nicht die wichtig-
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re/ und ich mich nicht beſcheidete/ daß keuſchen
Ohren alles keuſch/ und die Schamroͤthe/ wel-
che vielleicht ſo Erlauchter Fuͤrſtinnen Wan-
gen faͤrben doͤrffte/ nur bey denen Laſterhaffter.
eine Schande/ bey denen Tugendhafften aber
eine Zierde ſey; Sie auch auß Entwerffung
frembder Uppigkeit ſo wenig etwas boͤſes/ als
die Bienen aus Napel Gifft ſaugen koͤnnen.
Wie nun Erato Saloninen einen Winck gab/
fuhr ſie fort dieſen Jnhalt der Schrifft kuͤrtzlich
zu entwerffen: Der Koͤnigin Erato angenom-
mener Eifer waͤre eine bloſſe Scheinheiligkeit.
Die euſerlichen Dinge des Gottesdienſtes muͤ-
ſten nicht nach ſeinen euſerlichen Schalen/ ſon-
dern nach ihrer heiligen Bedeutung geurtheilt
werden/ ſonſt haͤtten die ſo klugen Egyptier
laͤngſt ihre Zwibel und Katzen/ die Syrer ihre
Fiſche aus dem Tempel werffen muͤſſen. Ein

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[301/0353] Arminius und Thußnelda. land zahm-umbirrende Baͤr haͤtte nie keinen Menſchen/ als das ihn wolluͤſtig-betaſtende Maͤgdlein beleidiget und zerriſſen; die Goͤttin Diana aber deßhalben die Einwohner gezwun- gen ihr jaͤhrlich eine gewiſſe Anzahl Jung- frauen zu wiedmen. Jn den Africaniſchen Jungfrau-Spielen doͤrfte keine unreine Jung- frau ſich einmiſchen/ ſondern die Minerva ſchickte es/ daß alle Verſehrten durch einen Steinwurff getoͤdtet wuͤrden. Alle Voͤlcker- Rechte erklaͤrten die aus Jrrthum mit ihnen ge- ſchloſſenen Ehen fuͤr nichtig. Die Armeni- ſchen Toͤchter aber meinten durch ihre Un- keuſchheit ſich bey der Anaitis einzulieben/ und durch ihre Schande ſo viel beſſere Heyrathen zu verdienen. Dieſes waͤre ein unausleſchlicher Schandfleck des gantzen Volckes/ eine Aerger- nuͤß aller Auslaͤnder/ ein ewiger Spott der Herrſchafft/ und eine Verhoͤhnung der Goͤt- ter; alſo wolte ſie entweder nicht Koͤnigin/ oder dieſes abſcheuliche Beginnen muͤſte abge- ſtellt ſeyn. Sie ließ auch noch ſelbigen Tag die Luſt-Baͤder an dem Tempel/ oder vielmehr die Hurenhaͤuſer biß auf den Grund einreiſſen/ und war diß ihr erſtes Geſetze: daß der mit ſei- ner Tochter derogleichen Uppigkeit fuͤrzuneh- men ſich geluͤſten laſſen wuͤrde/ ſolte ſeiner Ehre und Wuͤrden verluſtig/ die Toͤchter aber mit der Straffe der entweiheten Veſtaliſchen Jungfrauen belegt ſeyn. Alle Tugendhaffte hoben dieſe heilſame Anſtalt biß in Himmel/ a- ber weil die Zahl der Boßhafften jene iederzeit uͤbertrifft/ machte ſie ſich bey den meiſten ver- haſt; Wiewohl die Tugend ein ſolches Anſehen hat/ daß ſich auch die laſterhafftigſten ſchaͤmen muͤſſen ſie offentlich zu ſchmaͤhen. Unterdeſ- ſen wie es Schlangen giebt/ die ihr Gifft auff nichts als das ſchoͤnſte Gebluͤme ſpeyen/ und Hunde/ die den Monden nur/ wenn er voll iſt/ anbellen/ alſo laͤſterten ihrer viel heimlich die Koͤnigin in ihrem lobwuͤrdigſten Fuͤrnehmen/ fuͤrgebende: Fuͤrſten ſolten ohne wichtige Ur- ſachen/ koͤnten auch ohne Vermeſſenheit in de- nen zum Gottesdienſte gehoͤrigen Dingen nichts aͤndern. Dieſe Art waͤre von uhralten Zeiten in Armenien eingefuͤhret/ von ſo viel klu- gen Koͤnigen in ihrem Werthe gelaſſen/ von vielen Voͤlckern/ nehmlich den Lydiern/ Voll- ſinern/ einem groſſen Theile Jndiens/ und in Africa in dem Tempel Siccuth Benoths an- genommen und gebilligt worden. Am aller- unnuͤtzeſten aber machten ſich die abgeſchafften Anaitiſchen Prieſter/ welche bey ihrem abſcheu- lichen Gottesdienſte ſich nicht nur am ſuͤndlich- ſten befleckten/ ſondern noch mit ihrer und an- derer Uppigkeit wucherten; in dem nicht nur die weltlichen Maͤnner bey ihrem Eintritte/ ſondern auch die von ihnen ſelbſt gebrauchten Jungfrauen ein gewiſſes fuͤr die Wolluſt zin- ſen muſten. Dieſe lieſſen wider die ſo keuſche Koͤnigin ein ſo unverſchaͤmtes Buch heraus/ deſſen Jnhalt zu melden ich mich ſchwerlich uͤ- berwinden koͤnte; wenn diß nicht die wichtig- ſte Urſache der Armeniſchen Unruh geweſt waͤ- re/ und ich mich nicht beſcheidete/ daß keuſchen Ohren alles keuſch/ und die Schamroͤthe/ wel- che vielleicht ſo Erlauchter Fuͤrſtinnen Wan- gen faͤrben doͤrffte/ nur bey denen Laſterhaffter. eine Schande/ bey denen Tugendhafften aber eine Zierde ſey; Sie auch auß Entwerffung frembder Uppigkeit ſo wenig etwas boͤſes/ als die Bienen aus Napel Gifft ſaugen koͤnnen. Wie nun Erato Saloninen einen Winck gab/ fuhr ſie fort dieſen Jnhalt der Schrifft kuͤrtzlich zu entwerffen: Der Koͤnigin Erato angenom- mener Eifer waͤre eine bloſſe Scheinheiligkeit. Die euſerlichen Dinge des Gottesdienſtes muͤ- ſten nicht nach ſeinen euſerlichen Schalen/ ſon- dern nach ihrer heiligen Bedeutung geurtheilt werden/ ſonſt haͤtten die ſo klugen Egyptier laͤngſt ihre Zwibel und Katzen/ die Syrer ihre Fiſche aus dem Tempel werffen muͤſſen. Ein uner- P p 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/353>, abgerufen am 10.05.2024.