Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
noen glücklich überbracht/ und in ein absonder-lich Zimmer zur Ruh gelegt hätte. Wir ent- schlugen uns zu Verhütung allen Verdachts bey den Schiffleuten/ und alles Aufsehens aus den nah-anliegenden Schiffen/ der Bewillkom- mung/ sonderlich weil Arsinoe mehr als wir des Schlaffes benöthigt war. Artafernes ließ die Segel aufziehen/ und weil wir ihm freygestellet hatten zu fahren/ wohin ihm beliebte/ schiffte er mit gutem Winde immer der Thracischen See- Enge zu. Wir schlieffen die übrige Nacht und ein Stücke des Tages durch/ biß uns Artafer- nes aufweckte/ und anzeigte: Arsinoe wäre schon etliche Stunden wachend. Erato und ich eil- ten mit unser Ankleidung/ und/ wormit uns Arsinoe nicht zuvor käme/ eilten wir ihrem Ge- mache zu. Wir erstarreten aber als steinerne Bilder/ als wir statt Arsinoens ihre Kammer- Jungfrau Monime für uns fanden. Erato erholte sich gleichwohl/ und meynte/ daß sie viel- leicht mit Arsinoen kommen wäre; fragte da- her: Was sie hier machte? Alleine Monime/ welche über unser Erblickung steinerner als wir war/ verstummte. Nach etlicher Zeit erholete sie sich gleichwohl/ und weil sie die Fürstin Erato erkennte/ fiel sie ihr zu Füssen/ und bat umb Gnade/ sie wolte ihr Verbrechen willigst beken- nen. Weder Erato noch ich wusten uns hier- ein zu schicken. Gleichwohl wuste die Fürstin alsofort aus dem Stegereiffen eine kluge Ent- schlüssung zu machen/ nahm daher eine ernst- haffte Geberdung an sich/ und befahl ihr: Sie solte ihre Schuld aufrichtig heraus beichten/ so wolte sie bey ihrer Fräulein für sie eine Vor- bitte einlegen. Monime bekante hierauf: Es hätte Armidas/ ein Edelmann des Ariobarza- nes/ welchem sie die Ehe versprochen/ ihr Vater Maxartes aber nicht hätte zugeben wollen/ mit ihr abgeredet/ daß er sie in dem Königlichen Gar- ten diese Nacht/ da wegen der auf den Morgen bestimmten Königlichen Vermählung alles un- tereinander ginge/ abholen/ und auf einem dazu bestellten Schiffe nach Armenien entführen [Spaltenumbruch] hätte wollen. Jn dieser Meynung wäre sie auf diß Schiff kommen; sie sehe aber/ daß ein glücklicher Jrrthum sie von dem fürgehabten Verbrechen/ welchem sie ietzt allererst nachdäch- te/ abgezogen habe. Erato verwieß ihr ihr Fürha- ben/ gab ihr aber noch einen guten Trost zu ihrer Aussohnung. Wir gediegen hiermit nebst dem Artafernes wieder in unser Gemach/ und wegen Arsinoens in unaussprechlichen Kum- mer; nachdem wir ihm auch kürtzlich unsere Ebentheuer erzehlet/ berathschlagten wir: Was bey so verwirreten Dingen zu thun? Artafer- nes erkundigte beym Schiffer: Ob man nicht irgendswo an einem unentfernten Ufer anlän- den könte? welcher als er es verjahete/ erbot er sich in Sinope/ welches wegen des umbschifften Leptischen Vorgebürges kaum zehen Stadien vom Ufer entfernt wäre/ zurück zu kehren/ und der Sachen Beschaffenheit auszuforschen. Wir kamen ans Ufer/ fanden auch daselbst einen be- quemen Felsen/ hinter dem wir nicht alleine für allem Sturme/ sondern auch für allen Augen des Landvolcks sicher liegen bleiben konten. Ar- tafernes ging zu Fusse nebst seinem getreuesten Diener gerade auf Sinope zu/ und nahm von der Fürstin Erato an Arsinoen und die Königin Dynamis ein Schreiben mit/ worinnen sie dem Artafernes in allem sich zu vertrauen ersucht ward. Nach dem Mittage kam Damon des Artafernes Getreuer zu uns zurücke/ mit dem Berichte/ daß/ als Ariobarzanes und Polemon sich schon in dem Tempel der Derceto befunden/ und alles zur Vermählung fertig gewest wäre/ hätte man allererst Arsinoen vermisset/ welche zwar allenthalben gesucht/ aber nirgends gefun- den würde. Mit dieser Nachricht kehrte er zu- rücke nach Sinope/ stellte sich aber mit dem an- brechenden Morgen wieder ein/ und verständig- te uns/ es hätte noch vorhergehenden Tag ein Medischer Edelmann Arsinoen auf einen Schiffe zurücke und in den Tempel bracht. Wie nun die Priester auf des König Polemons Befehl der Göttin Derceto oder Adargatis die Fische und Tau-
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
noen gluͤcklich uͤberbracht/ und in ein abſonder-lich Zimmer zur Ruh gelegt haͤtte. Wir ent- ſchlugen uns zu Verhuͤtung allen Verdachts bey den Schiffleuten/ und alles Aufſehens aus den nah-anliegenden Schiffen/ der Bewillkom- mung/ ſonderlich weil Arſinoe mehr als wir des Schlaffes benoͤthigt war. Artafernes ließ die Segel aufziehen/ und weil wir ihm freygeſtellet hatten zu fahren/ wohin ihm beliebte/ ſchiffte er mit gutem Winde immer der Thraciſchen See- Enge zu. Wir ſchlieffen die uͤbrige Nacht und ein Stuͤcke des Tages durch/ biß uns Artafer- nes aufweckte/ und anzeigte: Arſinoe waͤre ſchon etliche Stunden wachend. Erato und ich eil- ten mit unſer Ankleidung/ und/ wormit uns Arſinoe nicht zuvor kaͤme/ eilten wir ihrem Ge- mache zu. Wir erſtarreten aber als ſteinerne Bilder/ als wir ſtatt Arſinoens ihre Kammer- Jungfrau Monime fuͤr uns fanden. Erato erholte ſich gleichwohl/ und meynte/ daß ſie viel- leicht mit Arſinoen kommen waͤre; fragte da- her: Was ſie hier machte? Alleine Monime/ welche uͤber unſer Erblickung ſteinerner als wir war/ verſtummte. Nach etlicher Zeit erholete ſie ſich gleichwohl/ und weil ſie die Fuͤrſtin Erato erkennte/ fiel ſie ihr zu Fuͤſſen/ und bat umb Gnade/ ſie wolte ihr Verbrechen willigſt beken- nen. Weder Erato noch ich wuſten uns hier- ein zu ſchicken. Gleichwohl wuſte die Fuͤrſtin alſofort aus dem Stegereiffen eine kluge Ent- ſchluͤſſung zu machen/ nahm daher eine ernſt- haffte Geberdung an ſich/ und befahl ihr: Sie ſolte ihre Schuld aufrichtig heraus beichten/ ſo wolte ſie bey ihrer Fraͤulein fuͤr ſie eine Vor- bitte einlegen. Monime bekante hierauf: Es haͤtte Armidas/ ein Edelmann des Ariobarza- nes/ welchem ſie die Ehe verſprochen/ ihr Vater Maxartes aber nicht haͤtte zugeben wollen/ mit ihr abgeredet/ daß er ſie in dem Koͤniglichen Gar- ten dieſe Nacht/ da wegen der auf den Morgen beſtimmten Koͤniglichen Vermaͤhlung alles un- tereinander ginge/ abholen/ und auf einem dazu beſtellten Schiffe nach Armenien entfuͤhren [Spaltenumbruch] haͤtte wollen. Jn dieſer Meynung waͤre ſie auf diß Schiff kommen; ſie ſehe aber/ daß ein gluͤcklicher Jrrthum ſie von dem fuͤrgehabten Verbrechen/ welchem ſie ietzt allererſt nachdaͤch- te/ abgezogen habe. Erato verwieß ihr ihr Fuͤrha- ben/ gab ihr aber noch einen guten Troſt zu ihrer Ausſohnung. Wir gediegen hiermit nebſt dem Artafernes wieder in unſer Gemach/ und wegen Arſinoens in unausſprechlichen Kum- mer; nachdem wir ihm auch kuͤrtzlich unſere Ebentheuer erzehlet/ berathſchlagten wir: Was bey ſo verwirreten Dingen zu thun? Artafer- nes erkundigte beym Schiffer: Ob man nicht irgendswo an einem unentfernten Ufer anlaͤn- den koͤnte? welcher als er es verjahete/ erbot er ſich in Sinope/ welches wegen des umbſchifften Leptiſchen Vorgebuͤrges kaum zehen Stadien vom Ufer entfernt waͤre/ zuruͤck zu kehren/ und der Sachen Beſchaffenheit auszuforſchen. Wir kamen ans Ufer/ fanden auch daſelbſt einen be- quemen Felſen/ hinter dem wir nicht alleine fuͤr allem Sturme/ ſondern auch fuͤr allen Augen des Landvolcks ſicher liegen bleiben konten. Ar- tafernes ging zu Fuſſe nebſt ſeinem getreueſten Diener gerade auf Sinope zu/ und nahm von der Fuͤrſtin Erato an Arſinoen und die Koͤnigin Dynamis ein Schreiben mit/ worinnen ſie dem Artafernes in allem ſich zu vertrauen erſucht ward. Nach dem Mittage kam Damon des Artafernes Getreuer zu uns zuruͤcke/ mit dem Berichte/ daß/ als Ariobarzanes und Polemon ſich ſchon in dem Tempel der Derceto befunden/ und alles zur Vermaͤhlung fertig geweſt waͤre/ haͤtte man allererſt Arſinoen vermiſſet/ welche zwar allenthalben geſucht/ aber nirgends gefun- den wuͤrde. Mit dieſer Nachricht kehrte er zu- ruͤcke nach Sinope/ ſtellte ſich aber mit dem an- brechenden Morgen wieder ein/ und verſtaͤndig- te uns/ es haͤtte noch vorhergehenden Tag ein Mediſcher Edelmann Arſinoen auf einẽ Schiffe zuruͤcke und in den Tempel bracht. Wie nun die Prieſter auf des Koͤnig Polemons Befehl der Goͤttin Derceto oder Adargatis die Fiſche und Tau-
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Drittes Buch
noen gluͤcklich uͤberbracht/ und in ein abſonder-
lich Zimmer zur Ruh gelegt haͤtte. Wir ent-
ſchlugen uns zu Verhuͤtung allen Verdachts
bey den Schiffleuten/ und alles Aufſehens aus
den nah-anliegenden Schiffen/ der Bewillkom-
mung/ ſonderlich weil Arſinoe mehr als wir des
Schlaffes benoͤthigt war. Artafernes ließ die
Segel aufziehen/ und weil wir ihm freygeſtellet
hatten zu fahren/ wohin ihm beliebte/ ſchiffte er
mit gutem Winde immer der Thraciſchen See-
Enge zu. Wir ſchlieffen die uͤbrige Nacht und
ein Stuͤcke des Tages durch/ biß uns Artafer-
nes aufweckte/ und anzeigte: Arſinoe waͤre ſchon
etliche Stunden wachend. Erato und ich eil-
ten mit unſer Ankleidung/ und/ wormit uns
Arſinoe nicht zuvor kaͤme/ eilten wir ihrem Ge-
mache zu. Wir erſtarreten aber als ſteinerne
Bilder/ als wir ſtatt Arſinoens ihre Kammer-
Jungfrau Monime fuͤr uns fanden. Erato
erholte ſich gleichwohl/ und meynte/ daß ſie viel-
leicht mit Arſinoen kommen waͤre; fragte da-
her: Was ſie hier machte? Alleine Monime/
welche uͤber unſer Erblickung ſteinerner als wir
war/ verſtummte. Nach etlicher Zeit erholete
ſie ſich gleichwohl/ und weil ſie die Fuͤrſtin Erato
erkennte/ fiel ſie ihr zu Fuͤſſen/ und bat umb
Gnade/ ſie wolte ihr Verbrechen willigſt beken-
nen. Weder Erato noch ich wuſten uns hier-
ein zu ſchicken. Gleichwohl wuſte die Fuͤrſtin
alſofort aus dem Stegereiffen eine kluge Ent-
ſchluͤſſung zu machen/ nahm daher eine ernſt-
haffte Geberdung an ſich/ und befahl ihr: Sie
ſolte ihre Schuld aufrichtig heraus beichten/ ſo
wolte ſie bey ihrer Fraͤulein fuͤr ſie eine Vor-
bitte einlegen. Monime bekante hierauf: Es
haͤtte Armidas/ ein Edelmann des Ariobarza-
nes/ welchem ſie die Ehe verſprochen/ ihr Vater
Maxartes aber nicht haͤtte zugeben wollen/ mit
ihr abgeredet/ daß er ſie in dem Koͤniglichen Gar-
ten dieſe Nacht/ da wegen der auf den Morgen
beſtimmten Koͤniglichen Vermaͤhlung alles un-
tereinander ginge/ abholen/ und auf einem dazu
beſtellten Schiffe nach Armenien entfuͤhren
haͤtte wollen. Jn dieſer Meynung waͤre ſie
auf diß Schiff kommen; ſie ſehe aber/ daß ein
gluͤcklicher Jrrthum ſie von dem fuͤrgehabten
Verbrechen/ welchem ſie ietzt allererſt nachdaͤch-
te/ abgezogen habe. Erato verwieß ihr ihr Fuͤrha-
ben/ gab ihr aber noch einen guten Troſt zu ihrer
Ausſohnung. Wir gediegen hiermit nebſt
dem Artafernes wieder in unſer Gemach/ und
wegen Arſinoens in unausſprechlichen Kum-
mer; nachdem wir ihm auch kuͤrtzlich unſere
Ebentheuer erzehlet/ berathſchlagten wir: Was
bey ſo verwirreten Dingen zu thun? Artafer-
nes erkundigte beym Schiffer: Ob man nicht
irgendswo an einem unentfernten Ufer anlaͤn-
den koͤnte? welcher als er es verjahete/ erbot er
ſich in Sinope/ welches wegen des umbſchifften
Leptiſchen Vorgebuͤrges kaum zehen Stadien
vom Ufer entfernt waͤre/ zuruͤck zu kehren/ und
der Sachen Beſchaffenheit auszuforſchen. Wir
kamen ans Ufer/ fanden auch daſelbſt einen be-
quemen Felſen/ hinter dem wir nicht alleine fuͤr
allem Sturme/ ſondern auch fuͤr allen Augen
des Landvolcks ſicher liegen bleiben konten. Ar-
tafernes ging zu Fuſſe nebſt ſeinem getreueſten
Diener gerade auf Sinope zu/ und nahm von
der Fuͤrſtin Erato an Arſinoen und die Koͤnigin
Dynamis ein Schreiben mit/ worinnen ſie dem
Artafernes in allem ſich zu vertrauen erſucht
ward. Nach dem Mittage kam Damon des
Artafernes Getreuer zu uns zuruͤcke/ mit dem
Berichte/ daß/ als Ariobarzanes und Polemon
ſich ſchon in dem Tempel der Derceto befunden/
und alles zur Vermaͤhlung fertig geweſt waͤre/
haͤtte man allererſt Arſinoen vermiſſet/ welche
zwar allenthalben geſucht/ aber nirgends gefun-
den wuͤrde. Mit dieſer Nachricht kehrte er zu-
ruͤcke nach Sinope/ ſtellte ſich aber mit dem an-
brechenden Morgen wieder ein/ und verſtaͤndig-
te uns/ es haͤtte noch vorhergehenden Tag ein
Mediſcher Edelmann Arſinoen auf einẽ Schiffe
zuruͤcke und in den Tempel bracht. Wie nun die
Prieſter auf des Koͤnig Polemons Befehl der
Goͤttin Derceto oder Adargatis die Fiſche und
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