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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Es befremdete ihn/ daß nicht nur Tigranes/ son-
dern auch die so klugen Römer entweder auff das
ungewisse Geschrey/ oder auff blosses Angeben
eines Kundschaffers so feste gefusset/ und daß
Maßabarzanes Artaxias wäre/ geglaubet hät-
ten. Seine Unschuld habe keine Scheu weder
in der Gewalt eines grimmigen Wüterichs/
noch der so gütigen Römer zu seyn. Allein er
wäre der nicht/ für den man ihn ansehe; also be-
sorgte er sich noch weniger/ daß man ihn zum
Schlachtopffer eines fremden ihm unbekandten
Verbrechens hingeben würde/ wodurch zwar
Tigranes seinen Thron/ weil Armenien viel-
leicht noch ein Auge auf den entronnenen Arta-
xias haben möchte/ befestigen/ die Römer aber/ die
Schutz-Götter der Unschuldigen/ beleidigen
würde. Der König Polemon und die Römer
sahen einander eine gute Weile stillschweigend
an; liessen daher des Tigranes Gesandten Sin-
nates darzu kommen/ und befragten ihn: Ob er
den gesuchten Artaxias auch eigentlich kennte?
Dieser antwortete: nein. Denn er wäre mit dem
Tigranes stets zu Rom/ und lange Jahre nicht
zu Artaxata gewest. Allein es wäre Sinorix
bey der Hand/ der den König dessen vergewissert
hätte. Sinorix war kaum über die Schwelle
ins Zimmer getreten; als Maßabarzanes ihn
anredete: Bistu der Verläumder/ der der Un-
schuld fremde Laster auffhalset/ wo anderst Arta-
xias nicht redlicher ist als du/ der du mir eine fal-
sche Larve einer Person/ die ich nicht kenne/ für-
machest? Sinorix ward anfänglich etwas be-
stürtzt über dieser hefftigen Anredung/ wolte auch
eher nicht antworten/ biß er Maßabarzanen wol
und eigentlich betrachtet hatte. Denn Maßa-
barzanes Kühnheit machte ihm gleichwol Nach-
dencken: Ob ihn nicht sein Auge hätte betrügen
mögen. Wie er ihn aber auffs genaueste be-
trachtet; fing er an: Es möchte ja wohl die Na-
tur zu weilen einen Menschen dem andern ähn-
lich machen/ aber er finde in seinem Antlitze solche
unfehlbare Merckmalhe/ daß/ dafern er dißmal
[Spaltenumbruch] irrete/ er seinen Kopf/ der ihm lieb wäre/ wolte ver-
lohren haben. Maßabarzanes lachte/ und fing an:
Wenn ich so rachgierig wäre/ als du verläumde-
risch bist/ hättestu ihn bereit sicher verspielet. Hie-
mit wendete er sich zum Könige Polemon/ und
bat ihn um Verlaub/ daß er in das unentfernte
Zimmer der Königin sich verfügen möchte/ da-
selbst wolte er einen unwiderleglichen Be-
weiß fürzeigen/ und den Sinorix augenschein-
lich zu schanden machen. Der gütige König
konte diß ihm nicht abschlagen; wiewohl er und
die Römer nicht ersinnen konten/ was für
Beweiß möglich zu finden sey/ der des Sinorix
Zeugniß/ welcher aus Armenien noch tausend
ihm beystimmende Zeugen auffzubringen sich
vermaß/ hintertriebe/ und des Maßabar-
zanes Verneinung erhärtete. Als Maßa-
barzanes nun in der Königin Zimmer kam/ bey
der sich die seinetwegen höchstbekümmerte Für-
stin Arsinoe auffenthielt/ fiel er vor ihnen auf die
Knie/ und fing an: Gnädigste Königin/ die Ver-
läumdung des Sinorix/ welche einen Fremd-
ling dem Blutdürstigen Tigranes auffopffern
will/ zwinget mich für selbter/ als einer Schutz-
Göttin meiner Unschuld ein Geheimniß zu ent-
decken/ welches ich lieber auch vor den Göttern
verhelet hätte. Hiermit riß sie ihr Kleid auf/ und
wieß der Königin und Arsinoen ein paar so schö-
ne Brüste/ als sie iemahls ein Auge gesehen/ oder
ein vollkommenstes Frauenzimmer haben kan.
Die Königin erstaunete über so unvermutheter
Begebenheit/ noch mehr aber die schöne Arsinoe:
also/ daß sie eine gute Weile kein Wort auffzu-
bringen wuste. Die nunmehr offenbarte Era-
to nahm die grosse Veränderung Arsinoens ge-
nau wahr/ und weil sie von ihrer Liebe gut genug
wuste/ muthmaßte sie/ ihre Bestürtzung rühre
daher/ daß weil sich nunmehr Maßabarzanes
in ein Weib verwandelte/ sie hierdurch ihre Liebe
zu Wasser werden sehe. Nachdem aber beyde
sich ein wenig erholet/ fing Crato an: Gebet nun/
ihr meine Schutz-Götter/ einer unglückseli-

gen
K k 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Es befremdete ihn/ daß nicht nur Tigranes/ ſon-
dern auch die ſo klugen Roͤmer entweder auff das
ungewiſſe Geſchrey/ oder auff bloſſes Angeben
eines Kundſchaffers ſo feſte gefuſſet/ und daß
Maßabarzanes Artaxias waͤre/ geglaubet haͤt-
ten. Seine Unſchuld habe keine Scheu weder
in der Gewalt eines grimmigen Wuͤterichs/
noch der ſo guͤtigen Roͤmer zu ſeyn. Allein er
waͤre der nicht/ fuͤr den man ihn anſehe; alſo be-
ſorgte er ſich noch weniger/ daß man ihn zum
Schlachtopffer eines fremden ihm unbekandten
Verbrechens hingeben wuͤrde/ wodurch zwar
Tigranes ſeinen Thron/ weil Armenien viel-
leicht noch ein Auge auf den entronnenen Arta-
xias haben moͤchte/ befeſtigen/ die Roͤmer aber/ die
Schutz-Goͤtter der Unſchuldigen/ beleidigen
wuͤrde. Der Koͤnig Polemon und die Roͤmer
ſahen einander eine gute Weile ſtillſchweigend
an; lieſſen daher des Tigranes Geſandten Sin-
nates darzu kommen/ und befragten ihn: Ob er
den geſuchten Artaxias auch eigentlich kennte?
Dieſer antwortete: nein. Denn er waͤre mit dem
Tigranes ſtets zu Rom/ und lange Jahre nicht
zu Artaxata geweſt. Allein es waͤre Sinorix
bey der Hand/ der den Koͤnig deſſen vergewiſſert
haͤtte. Sinorix war kaum uͤber die Schwelle
ins Zimmer getreten; als Maßabarzanes ihn
anredete: Biſtu der Verlaͤumder/ der der Un-
ſchuld fremde Laſter auffhalſet/ wo anderſt Arta-
xias nicht redlicher iſt als du/ der du mir eine fal-
ſche Larve einer Perſon/ die ich nicht kenne/ fuͤr-
macheſt? Sinorix ward anfaͤnglich etwas be-
ſtuͤrtzt uͤber dieſer hefftigen Anredung/ wolte auch
eher nicht antworten/ biß er Maßabarzanen wol
und eigentlich betrachtet hatte. Denn Maßa-
barzanes Kuͤhnheit machte ihm gleichwol Nach-
dencken: Ob ihn nicht ſein Auge haͤtte betruͤgen
moͤgen. Wie er ihn aber auffs genaueſte be-
trachtet; fing er an: Es moͤchte ja wohl die Na-
tur zu weilen einen Menſchen dem andern aͤhn-
lich machen/ aber er finde in ſeinem Antlitze ſolche
unfehlbare Merckmalhe/ daß/ dafern er dißmal
[Spaltenumbruch] irꝛete/ er ſeinen Kopf/ der ihm lieb waͤꝛe/ wolte veꝛ-
lohren habẽ. Maßabarzanes lachte/ und fing an:
Wenn ich ſo rachgierig waͤre/ als du verlaͤumde-
riſch biſt/ haͤtteſtu ihn bereit ſicher verſpielet. Hie-
mit wendete er ſich zum Koͤnige Polemon/ und
bat ihn um Verlaub/ daß er in das unentfernte
Zimmer der Koͤnigin ſich verfuͤgen moͤchte/ da-
ſelbſt wolte er einen unwiderleglichen Be-
weiß fuͤrzeigen/ und den Sinorix augenſchein-
lich zu ſchanden machen. Der guͤtige Koͤnig
konte diß ihm nicht abſchlagen; wiewohl er und
die Roͤmer nicht erſinnen konten/ was fuͤr
Beweiß moͤglich zu finden ſey/ der des Sinorix
Zeugniß/ welcher aus Armenien noch tauſend
ihm beyſtimmende Zeugen auffzubringen ſich
vermaß/ hintertriebe/ und des Maßabar-
zanes Verneinung erhaͤrtete. Als Maßa-
barzanes nun in der Koͤnigin Zimmer kam/ bey
der ſich die ſeinetwegen hoͤchſtbekuͤmmerte Fuͤr-
ſtin Arſinoe auffenthielt/ fiel er vor ihnen auf die
Knie/ und fing an: Gnaͤdigſte Koͤnigin/ die Ver-
laͤumdung des Sinorix/ welche einen Fremd-
ling dem Blutduͤrſtigen Tigranes auffopffern
will/ zwinget mich fuͤr ſelbter/ als einer Schutz-
Goͤttin meiner Unſchuld ein Geheimniß zu ent-
decken/ welches ich lieber auch vor den Goͤttern
verhelet haͤtte. Hiermit riß ſie ihr Kleid auf/ und
wieß der Koͤnigin und Arſinoen ein paar ſo ſchoͤ-
ne Bruͤſte/ als ſie iemahls ein Auge geſehen/ oder
ein vollkommenſtes Frauenzimmer haben kan.
Die Koͤnigin erſtaunete uͤber ſo unvermutheter
Begebenheit/ noch mehr aber die ſchoͤne Arſinoe:
alſo/ daß ſie eine gute Weile kein Wort auffzu-
bringen wuſte. Die nunmehr offenbarte Era-
to nahm die groſſe Veraͤnderung Arſinoens ge-
nau wahr/ und weil ſie von ihrer Liebe gut genug
wuſte/ muthmaßte ſie/ ihre Beſtuͤrtzung ruͤhre
daher/ daß weil ſich nunmehr Maßabarzanes
in ein Weib verwandelte/ ſie hierdurch ihre Liebe
zu Waſſer werden ſehe. Nachdem aber beyde
ſich ein wenig erholet/ fing Crato an: Gebet nun/
ihr meine Schutz-Goͤtter/ einer ungluͤckſeli-

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K k 2
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/311>, abgerufen am 08.05.2024.