Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Es befremdete ihn/ daß nicht nur Tigranes/ son-
dern auch die so klugen Römer entweder auff das
ungewisse Geschrey/ oder auff blosses Angeben
eines Kundschaffers so feste gefusset/ und daß
Maßabarzanes Artaxias wäre/ geglaubet hät-
ten. Seine Unschuld habe keine Scheu weder
in der Gewalt eines grimmigen Wüterichs/
noch der so gütigen Römer zu seyn. Allein er
wäre der nicht/ für den man ihn ansehe; also be-
sorgte er sich noch weniger/ daß man ihn zum
Schlachtopffer eines fremden ihm unbekandten
Verbrechens hingeben würde/ wodurch zwar
Tigranes seinen Thron/ weil Armenien viel-
leicht noch ein Auge auf den entronnenen Arta-
xias haben möchte/ befestigen/ die Römer aber/ die
Schutz-Götter der Unschuldigen/ beleidigen
würde. Der König Polemon und die Römer
sahen einander eine gute Weile stillschweigend
an; liessen daher des Tigranes Gesandten Sin-
nates darzu kommen/ und befragten ihn: Ob er
den gesuchten Artaxias auch eigentlich kennte?
Dieser antwortete: nein. Denn er wäre mit dem
Tigranes stets zu Rom/ und lange Jahre nicht
zu Artaxata gewest. Allein es wäre Sinorix
bey der Hand/ der den König dessen vergewissert
hätte. Sinorix war kaum über die Schwelle
ins Zimmer getreten; als Maßabarzanes ihn
anredete: Bistu der Verläumder/ der der Un-
schuld fremde Laster auffhalset/ wo anderst Arta-
xias nicht redlicher ist als du/ der du mir eine fal-
sche Larve einer Person/ die ich nicht kenne/ für-
machest? Sinorix ward anfänglich etwas be-
stürtzt über dieser hefftigen Anredung/ wolte auch
eher nicht antworten/ biß er Maßabarzanen wol
und eigentlich betrachtet hatte. Denn Maßa-
barzanes Kühnheit machte ihm gleichwol Nach-
dencken: Ob ihn nicht sein Auge hätte betrügen
mögen. Wie er ihn aber auffs genaueste be-
trachtet; fing er an: Es möchte ja wohl die Na-
tur zu weilen einen Menschen dem andern ähn-
lich machen/ aber er finde in seinem Antlitze solche
unfehlbare Merckmalhe/ daß/ dafern er dißmal
[Spaltenumbruch] irrete/ er seinen Kopf/ der ihm lieb wäre/ wolte ver-
lohren haben. Maßabarzanes lachte/ und fing an:
Wenn ich so rachgierig wäre/ als du verläumde-
risch bist/ hättestu ihn bereit sicher verspielet. Hie-
mit wendete er sich zum Könige Polemon/ und
bat ihn um Verlaub/ daß er in das unentfernte
Zimmer der Königin sich verfügen möchte/ da-
selbst wolte er einen unwiderleglichen Be-
weiß fürzeigen/ und den Sinorix augenschein-
lich zu schanden machen. Der gütige König
konte diß ihm nicht abschlagen; wiewohl er und
die Römer nicht ersinnen konten/ was für
Beweiß möglich zu finden sey/ der des Sinorix
Zeugniß/ welcher aus Armenien noch tausend
ihm beystimmende Zeugen auffzubringen sich
vermaß/ hintertriebe/ und des Maßabar-
zanes Verneinung erhärtete. Als Maßa-
barzanes nun in der Königin Zimmer kam/ bey
der sich die seinetwegen höchstbekümmerte Für-
stin Arsinoe auffenthielt/ fiel er vor ihnen auf die
Knie/ und fing an: Gnädigste Königin/ die Ver-
läumdung des Sinorix/ welche einen Fremd-
ling dem Blutdürstigen Tigranes auffopffern
will/ zwinget mich für selbter/ als einer Schutz-
Göttin meiner Unschuld ein Geheimniß zu ent-
decken/ welches ich lieber auch vor den Göttern
verhelet hätte. Hiermit riß sie ihr Kleid auf/ und
wieß der Königin und Arsinoen ein paar so schö-
ne Brüste/ als sie iemahls ein Auge gesehen/ oder
ein vollkommenstes Frauenzimmer haben kan.
Die Königin erstaunete über so unvermutheter
Begebenheit/ noch mehr aber die schöne Arsinoe:
also/ daß sie eine gute Weile kein Wort auffzu-
bringen wuste. Die nunmehr offenbarte Era-
to nahm die grosse Veränderung Arsinoens ge-
nau wahr/ und weil sie von ihrer Liebe gut genug
wuste/ muthmaßte sie/ ihre Bestürtzung rühre
daher/ daß weil sich nunmehr Maßabarzanes
in ein Weib verwandelte/ sie hierdurch ihre Liebe
zu Wasser werden sehe. Nachdem aber beyde
sich ein wenig erholet/ fing Crato an: Gebet nun/
ihr meine Schutz-Götter/ einer unglückseli-

gen
K k 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Es befremdete ihn/ daß nicht nur Tigranes/ ſon-
dern auch die ſo klugen Roͤmer entweder auff das
ungewiſſe Geſchrey/ oder auff bloſſes Angeben
eines Kundſchaffers ſo feſte gefuſſet/ und daß
Maßabarzanes Artaxias waͤre/ geglaubet haͤt-
ten. Seine Unſchuld habe keine Scheu weder
in der Gewalt eines grimmigen Wuͤterichs/
noch der ſo guͤtigen Roͤmer zu ſeyn. Allein er
waͤre der nicht/ fuͤr den man ihn anſehe; alſo be-
ſorgte er ſich noch weniger/ daß man ihn zum
Schlachtopffer eines fremden ihm unbekandten
Verbrechens hingeben wuͤrde/ wodurch zwar
Tigranes ſeinen Thron/ weil Armenien viel-
leicht noch ein Auge auf den entronnenen Arta-
xias haben moͤchte/ befeſtigen/ die Roͤmer aber/ die
Schutz-Goͤtter der Unſchuldigen/ beleidigen
wuͤrde. Der Koͤnig Polemon und die Roͤmer
ſahen einander eine gute Weile ſtillſchweigend
an; lieſſen daher des Tigranes Geſandten Sin-
nates darzu kommen/ und befragten ihn: Ob er
den geſuchten Artaxias auch eigentlich kennte?
Dieſer antwortete: nein. Denn er waͤre mit dem
Tigranes ſtets zu Rom/ und lange Jahre nicht
zu Artaxata geweſt. Allein es waͤre Sinorix
bey der Hand/ der den Koͤnig deſſen vergewiſſert
haͤtte. Sinorix war kaum uͤber die Schwelle
ins Zimmer getreten; als Maßabarzanes ihn
anredete: Biſtu der Verlaͤumder/ der der Un-
ſchuld fremde Laſter auffhalſet/ wo anderſt Arta-
xias nicht redlicher iſt als du/ der du mir eine fal-
ſche Larve einer Perſon/ die ich nicht kenne/ fuͤr-
macheſt? Sinorix ward anfaͤnglich etwas be-
ſtuͤrtzt uͤber dieſer hefftigen Anredung/ wolte auch
eher nicht antworten/ biß er Maßabarzanen wol
und eigentlich betrachtet hatte. Denn Maßa-
barzanes Kuͤhnheit machte ihm gleichwol Nach-
dencken: Ob ihn nicht ſein Auge haͤtte betruͤgen
moͤgen. Wie er ihn aber auffs genaueſte be-
trachtet; fing er an: Es moͤchte ja wohl die Na-
tur zu weilen einen Menſchen dem andern aͤhn-
lich machen/ aber er finde in ſeinem Antlitze ſolche
unfehlbare Merckmalhe/ daß/ dafern er dißmal
[Spaltenumbruch] irꝛete/ er ſeinen Kopf/ der ihm lieb waͤꝛe/ wolte veꝛ-
lohren habẽ. Maßabarzanes lachte/ und fing an:
Wenn ich ſo rachgierig waͤre/ als du verlaͤumde-
riſch biſt/ haͤtteſtu ihn bereit ſicher verſpielet. Hie-
mit wendete er ſich zum Koͤnige Polemon/ und
bat ihn um Verlaub/ daß er in das unentfernte
Zimmer der Koͤnigin ſich verfuͤgen moͤchte/ da-
ſelbſt wolte er einen unwiderleglichen Be-
weiß fuͤrzeigen/ und den Sinorix augenſchein-
lich zu ſchanden machen. Der guͤtige Koͤnig
konte diß ihm nicht abſchlagen; wiewohl er und
die Roͤmer nicht erſinnen konten/ was fuͤr
Beweiß moͤglich zu finden ſey/ der des Sinorix
Zeugniß/ welcher aus Armenien noch tauſend
ihm beyſtimmende Zeugen auffzubringen ſich
vermaß/ hintertriebe/ und des Maßabar-
zanes Verneinung erhaͤrtete. Als Maßa-
barzanes nun in der Koͤnigin Zimmer kam/ bey
der ſich die ſeinetwegen hoͤchſtbekuͤmmerte Fuͤr-
ſtin Arſinoe auffenthielt/ fiel er vor ihnen auf die
Knie/ und fing an: Gnaͤdigſte Koͤnigin/ die Ver-
laͤumdung des Sinorix/ welche einen Fremd-
ling dem Blutduͤrſtigen Tigranes auffopffern
will/ zwinget mich fuͤr ſelbter/ als einer Schutz-
Goͤttin meiner Unſchuld ein Geheimniß zu ent-
decken/ welches ich lieber auch vor den Goͤttern
verhelet haͤtte. Hiermit riß ſie ihr Kleid auf/ und
wieß der Koͤnigin und Arſinoen ein paar ſo ſchoͤ-
ne Bruͤſte/ als ſie iemahls ein Auge geſehen/ oder
ein vollkommenſtes Frauenzimmer haben kan.
Die Koͤnigin erſtaunete uͤber ſo unvermutheter
Begebenheit/ noch mehr aber die ſchoͤne Arſinoe:
alſo/ daß ſie eine gute Weile kein Wort auffzu-
bringen wuſte. Die nunmehr offenbarte Era-
to nahm die groſſe Veraͤnderung Arſinoens ge-
nau wahr/ und weil ſie von ihrer Liebe gut genug
wuſte/ muthmaßte ſie/ ihre Beſtuͤrtzung ruͤhre
daher/ daß weil ſich nunmehr Maßabarzanes
in ein Weib verwandelte/ ſie hierdurch ihre Liebe
zu Waſſer werden ſehe. Nachdem aber beyde
ſich ein wenig erholet/ fing Crato an: Gebet nun/
ihr meine Schutz-Goͤtter/ einer ungluͤckſeli-

gen
K k 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0311" n="259"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
Es befremdete ihn/ daß nicht nur Tigranes/ &#x017F;on-<lb/>
dern auch die &#x017F;o klugen Ro&#x0364;mer entweder auff das<lb/>
ungewi&#x017F;&#x017F;e Ge&#x017F;chrey/ oder auff blo&#x017F;&#x017F;es Angeben<lb/>
eines Kund&#x017F;chaffers &#x017F;o fe&#x017F;te gefu&#x017F;&#x017F;et/ und daß<lb/>
Maßabarzanes Artaxias wa&#x0364;re/ geglaubet ha&#x0364;t-<lb/>
ten. Seine Un&#x017F;chuld habe keine Scheu weder<lb/>
in der Gewalt eines grimmigen Wu&#x0364;terichs/<lb/>
noch der &#x017F;o gu&#x0364;tigen Ro&#x0364;mer zu &#x017F;eyn. Allein er<lb/>
wa&#x0364;re der nicht/ fu&#x0364;r den man ihn an&#x017F;ehe; al&#x017F;o be-<lb/>
&#x017F;orgte er &#x017F;ich noch weniger/ daß man ihn zum<lb/>
Schlachtopffer eines fremden ihm unbekandten<lb/>
Verbrechens hingeben wu&#x0364;rde/ wodurch zwar<lb/>
Tigranes &#x017F;einen Thron/ weil Armenien viel-<lb/>
leicht noch ein Auge auf den entronnenen Arta-<lb/>
xias haben mo&#x0364;chte/ befe&#x017F;tigen/ die Ro&#x0364;mer aber/ die<lb/>
Schutz-Go&#x0364;tter der Un&#x017F;chuldigen/ beleidigen<lb/>
wu&#x0364;rde. Der Ko&#x0364;nig Polemon und die Ro&#x0364;mer<lb/>
&#x017F;ahen einander eine gute Weile &#x017F;till&#x017F;chweigend<lb/>
an; lie&#x017F;&#x017F;en daher des Tigranes Ge&#x017F;andten Sin-<lb/>
nates darzu kommen/ und befragten ihn: Ob er<lb/>
den ge&#x017F;uchten Artaxias auch eigentlich kennte?<lb/>
Die&#x017F;er antwortete: nein. Denn er wa&#x0364;re mit dem<lb/>
Tigranes &#x017F;tets zu Rom/ und lange Jahre nicht<lb/>
zu Artaxata gewe&#x017F;t. Allein es wa&#x0364;re Sinorix<lb/>
bey der Hand/ der den Ko&#x0364;nig de&#x017F;&#x017F;en vergewi&#x017F;&#x017F;ert<lb/>
ha&#x0364;tte. Sinorix war kaum u&#x0364;ber die Schwelle<lb/>
ins Zimmer getreten; als Maßabarzanes ihn<lb/>
anredete: Bi&#x017F;tu der Verla&#x0364;umder/ der der Un-<lb/>
&#x017F;chuld fremde La&#x017F;ter auffhal&#x017F;et/ wo ander&#x017F;t Arta-<lb/>
xias nicht redlicher i&#x017F;t als du/ der du mir eine fal-<lb/>
&#x017F;che Larve einer Per&#x017F;on/ die ich nicht kenne/ fu&#x0364;r-<lb/>
mache&#x017F;t? Sinorix ward anfa&#x0364;nglich etwas be-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rtzt u&#x0364;ber die&#x017F;er hefftigen Anredung/ wolte auch<lb/>
eher nicht antworten/ biß er Maßabarzanen wol<lb/>
und eigentlich betrachtet hatte. Denn Maßa-<lb/>
barzanes Ku&#x0364;hnheit machte ihm gleichwol Nach-<lb/>
dencken: Ob ihn nicht &#x017F;ein Auge ha&#x0364;tte betru&#x0364;gen<lb/>
mo&#x0364;gen. Wie er ihn aber auffs genaue&#x017F;te be-<lb/>
trachtet; fing er an: Es mo&#x0364;chte ja wohl die Na-<lb/>
tur zu weilen einen Men&#x017F;chen dem andern a&#x0364;hn-<lb/>
lich machen/ aber er finde in &#x017F;einem Antlitze &#x017F;olche<lb/>
unfehlbare Merckmalhe/ daß/ dafern er dißmal<lb/><cb/>
ir&#xA75B;ete/ er &#x017F;einen Kopf/ der ihm lieb wa&#x0364;&#xA75B;e/ wolte ve&#xA75B;-<lb/>
lohren habe&#x0303;. Maßabarzanes lachte/ und fing an:<lb/>
Wenn ich &#x017F;o rachgierig wa&#x0364;re/ als du verla&#x0364;umde-<lb/>
ri&#x017F;ch bi&#x017F;t/ ha&#x0364;tte&#x017F;tu ihn bereit &#x017F;icher ver&#x017F;pielet. Hie-<lb/>
mit wendete er &#x017F;ich zum Ko&#x0364;nige Polemon/ und<lb/>
bat ihn um Verlaub/ daß er in das unentfernte<lb/>
Zimmer der Ko&#x0364;nigin &#x017F;ich verfu&#x0364;gen mo&#x0364;chte/ da-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wolte er einen unwiderleglichen Be-<lb/>
weiß fu&#x0364;rzeigen/ und den Sinorix augen&#x017F;chein-<lb/>
lich zu &#x017F;chanden machen. Der gu&#x0364;tige Ko&#x0364;nig<lb/>
konte diß ihm nicht ab&#x017F;chlagen; wiewohl er und<lb/>
die Ro&#x0364;mer nicht er&#x017F;innen konten/ was fu&#x0364;r<lb/>
Beweiß mo&#x0364;glich zu finden &#x017F;ey/ der des Sinorix<lb/>
Zeugniß/ welcher aus Armenien noch tau&#x017F;end<lb/>
ihm bey&#x017F;timmende Zeugen auffzubringen &#x017F;ich<lb/>
vermaß/ hintertriebe/ und des Maßabar-<lb/>
zanes Verneinung erha&#x0364;rtete. Als Maßa-<lb/>
barzanes nun in der Ko&#x0364;nigin Zimmer kam/ bey<lb/>
der &#x017F;ich die &#x017F;einetwegen ho&#x0364;ch&#x017F;tbeku&#x0364;mmerte Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;tin Ar&#x017F;inoe auffenthielt/ fiel er vor ihnen auf die<lb/>
Knie/ und fing an: Gna&#x0364;dig&#x017F;te Ko&#x0364;nigin/ die Ver-<lb/>
la&#x0364;umdung des Sinorix/ welche einen Fremd-<lb/>
ling dem Blutdu&#x0364;r&#x017F;tigen Tigranes auffopffern<lb/>
will/ zwinget mich fu&#x0364;r &#x017F;elbter/ als einer Schutz-<lb/>
Go&#x0364;ttin meiner Un&#x017F;chuld ein Geheimniß zu ent-<lb/>
decken/ welches ich lieber auch vor den Go&#x0364;ttern<lb/>
verhelet ha&#x0364;tte. Hiermit riß &#x017F;ie ihr Kleid auf/ und<lb/>
wieß der Ko&#x0364;nigin und Ar&#x017F;inoen ein paar &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
ne Bru&#x0364;&#x017F;te/ als &#x017F;ie iemahls ein Auge ge&#x017F;ehen/ oder<lb/>
ein vollkommen&#x017F;tes Frauenzimmer haben kan.<lb/>
Die Ko&#x0364;nigin er&#x017F;taunete u&#x0364;ber &#x017F;o unvermutheter<lb/>
Begebenheit/ noch mehr aber die &#x017F;cho&#x0364;ne Ar&#x017F;inoe:<lb/>
al&#x017F;o/ daß &#x017F;ie eine gute Weile kein Wort auffzu-<lb/>
bringen wu&#x017F;te. Die nunmehr offenbarte Era-<lb/>
to nahm die gro&#x017F;&#x017F;e Vera&#x0364;nderung Ar&#x017F;inoens ge-<lb/>
nau wahr/ und weil &#x017F;ie von ihrer Liebe gut genug<lb/>
wu&#x017F;te/ muthmaßte &#x017F;ie/ ihre Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung ru&#x0364;hre<lb/>
daher/ daß weil &#x017F;ich nunmehr Maßabarzanes<lb/>
in ein Weib verwandelte/ &#x017F;ie hierdurch ihre Liebe<lb/>
zu Wa&#x017F;&#x017F;er werden &#x017F;ehe. Nachdem aber beyde<lb/>
&#x017F;ich ein wenig erholet/ fing Crato an: Gebet nun/<lb/>
ihr meine Schutz-Go&#x0364;tter/ einer unglu&#x0364;ck&#x017F;eli-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0311] Arminius und Thußnelda. Es befremdete ihn/ daß nicht nur Tigranes/ ſon- dern auch die ſo klugen Roͤmer entweder auff das ungewiſſe Geſchrey/ oder auff bloſſes Angeben eines Kundſchaffers ſo feſte gefuſſet/ und daß Maßabarzanes Artaxias waͤre/ geglaubet haͤt- ten. Seine Unſchuld habe keine Scheu weder in der Gewalt eines grimmigen Wuͤterichs/ noch der ſo guͤtigen Roͤmer zu ſeyn. Allein er waͤre der nicht/ fuͤr den man ihn anſehe; alſo be- ſorgte er ſich noch weniger/ daß man ihn zum Schlachtopffer eines fremden ihm unbekandten Verbrechens hingeben wuͤrde/ wodurch zwar Tigranes ſeinen Thron/ weil Armenien viel- leicht noch ein Auge auf den entronnenen Arta- xias haben moͤchte/ befeſtigen/ die Roͤmer aber/ die Schutz-Goͤtter der Unſchuldigen/ beleidigen wuͤrde. Der Koͤnig Polemon und die Roͤmer ſahen einander eine gute Weile ſtillſchweigend an; lieſſen daher des Tigranes Geſandten Sin- nates darzu kommen/ und befragten ihn: Ob er den geſuchten Artaxias auch eigentlich kennte? Dieſer antwortete: nein. Denn er waͤre mit dem Tigranes ſtets zu Rom/ und lange Jahre nicht zu Artaxata geweſt. Allein es waͤre Sinorix bey der Hand/ der den Koͤnig deſſen vergewiſſert haͤtte. Sinorix war kaum uͤber die Schwelle ins Zimmer getreten; als Maßabarzanes ihn anredete: Biſtu der Verlaͤumder/ der der Un- ſchuld fremde Laſter auffhalſet/ wo anderſt Arta- xias nicht redlicher iſt als du/ der du mir eine fal- ſche Larve einer Perſon/ die ich nicht kenne/ fuͤr- macheſt? Sinorix ward anfaͤnglich etwas be- ſtuͤrtzt uͤber dieſer hefftigen Anredung/ wolte auch eher nicht antworten/ biß er Maßabarzanen wol und eigentlich betrachtet hatte. Denn Maßa- barzanes Kuͤhnheit machte ihm gleichwol Nach- dencken: Ob ihn nicht ſein Auge haͤtte betruͤgen moͤgen. Wie er ihn aber auffs genaueſte be- trachtet; fing er an: Es moͤchte ja wohl die Na- tur zu weilen einen Menſchen dem andern aͤhn- lich machen/ aber er finde in ſeinem Antlitze ſolche unfehlbare Merckmalhe/ daß/ dafern er dißmal irꝛete/ er ſeinen Kopf/ der ihm lieb waͤꝛe/ wolte veꝛ- lohren habẽ. Maßabarzanes lachte/ und fing an: Wenn ich ſo rachgierig waͤre/ als du verlaͤumde- riſch biſt/ haͤtteſtu ihn bereit ſicher verſpielet. Hie- mit wendete er ſich zum Koͤnige Polemon/ und bat ihn um Verlaub/ daß er in das unentfernte Zimmer der Koͤnigin ſich verfuͤgen moͤchte/ da- ſelbſt wolte er einen unwiderleglichen Be- weiß fuͤrzeigen/ und den Sinorix augenſchein- lich zu ſchanden machen. Der guͤtige Koͤnig konte diß ihm nicht abſchlagen; wiewohl er und die Roͤmer nicht erſinnen konten/ was fuͤr Beweiß moͤglich zu finden ſey/ der des Sinorix Zeugniß/ welcher aus Armenien noch tauſend ihm beyſtimmende Zeugen auffzubringen ſich vermaß/ hintertriebe/ und des Maßabar- zanes Verneinung erhaͤrtete. Als Maßa- barzanes nun in der Koͤnigin Zimmer kam/ bey der ſich die ſeinetwegen hoͤchſtbekuͤmmerte Fuͤr- ſtin Arſinoe auffenthielt/ fiel er vor ihnen auf die Knie/ und fing an: Gnaͤdigſte Koͤnigin/ die Ver- laͤumdung des Sinorix/ welche einen Fremd- ling dem Blutduͤrſtigen Tigranes auffopffern will/ zwinget mich fuͤr ſelbter/ als einer Schutz- Goͤttin meiner Unſchuld ein Geheimniß zu ent- decken/ welches ich lieber auch vor den Goͤttern verhelet haͤtte. Hiermit riß ſie ihr Kleid auf/ und wieß der Koͤnigin und Arſinoen ein paar ſo ſchoͤ- ne Bruͤſte/ als ſie iemahls ein Auge geſehen/ oder ein vollkommenſtes Frauenzimmer haben kan. Die Koͤnigin erſtaunete uͤber ſo unvermutheter Begebenheit/ noch mehr aber die ſchoͤne Arſinoe: alſo/ daß ſie eine gute Weile kein Wort auffzu- bringen wuſte. Die nunmehr offenbarte Era- to nahm die groſſe Veraͤnderung Arſinoens ge- nau wahr/ und weil ſie von ihrer Liebe gut genug wuſte/ muthmaßte ſie/ ihre Beſtuͤrtzung ruͤhre daher/ daß weil ſich nunmehr Maßabarzanes in ein Weib verwandelte/ ſie hierdurch ihre Liebe zu Waſſer werden ſehe. Nachdem aber beyde ſich ein wenig erholet/ fing Crato an: Gebet nun/ ihr meine Schutz-Goͤtter/ einer ungluͤckſeli- gen K k 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/311
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/311>, abgerufen am 22.11.2024.