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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vorbericht an den Leser.
durch allerhand Beyspiele die Würckung des Guten/ und die Folge des Bö-
sen/ die Vergeltung der Tugend/ und die Bestraffung der Laster vorstellen
sollen.

Dahero/ wenn ja iemanden bedüncken möchte/ als ob ein oder das an-
dere Laster zuweilen hierinnen mit schönen oder zu freyen Worten beschrieben
wäre; so wolle doch derselbe ihme von unserm seeligen Herrn Uhrheber keine übele
Gedancken machen/ sondern vielmehr glauben: daß er in der Gerechtigkeit/
in der Tugend und Liebe zu GOtt fest gegründet gewesen/ und wol keinem
Christen in der Welt hierinnen nachgegeben. Sein Hertz war von allem Ei-
gennutz entfernet; hingegen sein Gemüthe desto mehr nach Weißheit begierig
und in derselben unersättlich. Deßwegen hielt er iederzeit gleich dem berühm-
ten Engelländer Bradfort/ die Unterredung mit gelehrten Leuten/ die er fast
täglich zu seinen Besuchern wünschte und auch hatte/ vor eine Erqvickung der
Seelen/ und sahe es überaus gerne/ wenn sie an seinem Tische vor lieb nah-
men/ und durch kluge Gespräche ihm seine Speisen würtzten. Jn Ermange-
lung derselben aber waren gute Bücher seine unzertrennliche Gefärthen; und
war ihm nicht möglich einen eintzigen Augenblick müßig zu seyn. Denn er
schätzte die vergebens hinstreichende Zeit mit dem weisen Demetrius vor den
kostbarsten Verlust; und hielt dies/ was andere Arbeit und Mühe nennen/ vor
ein stärckendes Labsal und die allersüsseste Gemüths-Erleichterung. Daher er-
wehlte er ihm außer seinen Ampts- und andern Verrichtungen eine beständige
und immerwehrende Arbeit/ die ihm nach des Himmels Bewegung oder Son-
nen-Lauff gleichsam in einem unauffhörlichen Zirckel führte. Sie war ihm
ein rechtes Spielwerck; also/ daß man wol mit Warheit betheuern kan: daß
ihm solche niemals einigen Schweiß ausgepreßt/ noch etwan Verdruß oder
Ungeduld erwecket hat. Denn er war in der Arbeit überaus glücklich; Er
wuste ihm die schwersten Sachen dergestalt leicht und annehmlich zu ma-
chen: daß ihn etwas zu verfertigen fast wenig oder gar keine Mühe gekostet.
Massen sein Kopff ein rechtes Behältnüs der Wissenschafften zu seyn schien/
darinnen er die allerwichtigsten Beweiß-Gründe gesammlet hatte; und zu
aller Zeit so wol aus dem Munde/ als der Feder von sich geben/ und
gleichsam wie eine Schale den Balsam der Gerlehrigkeit nur immer
reichlich ausgiessen konte. Hierinnen aber hat er wie andere als ein
Mensch geschrieben/ und als ein rechtschaffener Christ nach seiner Schuldigkeit

geglau-
c 3

Vorbericht an den Leſer.
durch allerhand Beyſpiele die Wuͤrckung des Guten/ und die Folge des Boͤ-
ſen/ die Vergeltung der Tugend/ und die Beſtraffung der Laſter vorſtellen
ſollen.

Dahero/ wenn ja iemanden beduͤncken moͤchte/ als ob ein oder das an-
dere Laſter zuweilen hierinnen mit ſchoͤnen oder zu freyen Worten beſchrieben
waͤre; ſo wolle doch derſelbe ihme von unſerm ſeeligen Herꝛn Uhrhebeꝛ keine uͤbele
Gedancken machen/ ſondern vielmehr glauben: daß er in der Gerechtigkeit/
in der Tugend und Liebe zu GOtt feſt gegruͤndet geweſen/ und wol keinem
Chriſten in der Welt hierinnen nachgegeben. Sein Hertz war von allem Ei-
gennutz entfernet; hingegen ſein Gemuͤthe deſto mehr nach Weißheit begierig
und in derſelben unerſaͤttlich. Deßwegen hielt er iederzeit gleich dem beruͤhm-
ten Engellaͤnder Bradfort/ die Unterredung mit gelehrten Leuten/ die er faſt
taͤglich zu ſeinen Beſuchern wuͤnſchte und auch hatte/ vor eine Erqvickung der
Seelen/ und ſahe es uͤberaus gerne/ wenn ſie an ſeinem Tiſche vor lieb nah-
men/ und durch kluge Geſpraͤche ihm ſeine Speiſen wuͤrtzten. Jn Ermange-
lung derſelben aber waren gute Buͤcher ſeine unzertrennliche Gefaͤrthen; und
war ihm nicht moͤglich einen eintzigen Augenblick muͤßig zu ſeyn. Denn er
ſchaͤtzte die vergebens hinſtreichende Zeit mit dem weiſen Demetrius vor den
koſtbarſten Verluſt; und hielt dies/ was andere Arbeit und Muͤhe nennen/ vor
ein ſtaͤrckendes Labſal und die allerſuͤſſeſte Gemuͤths-Erleichterung. Daher er-
wehlte er ihm außer ſeinen Ampts- und andern Verrichtungen eine beſtaͤndige
und immerwehrende Arbeit/ die ihm nach des Himmels Bewegung oder Son-
nen-Lauff gleichſam in einem unauffhoͤrlichen Zirckel fuͤhrte. Sie war ihm
ein rechtes Spielwerck; alſo/ daß man wol mit Warheit betheuern kan: daß
ihm ſolche niemals einigen Schweiß ausgepreßt/ noch etwan Verdruß oder
Ungeduld erwecket hat. Denn er war in der Arbeit uͤberaus gluͤcklich; Er
wuſte ihm die ſchwerſten Sachen dergeſtalt leicht und annehmlich zu ma-
chen: daß ihn etwas zu verfertigen faſt wenig oder gar keine Muͤhe gekoſtet.
Maſſen ſein Kopff ein rechtes Behaͤltnuͤs der Wiſſenſchafften zu ſeyn ſchien/
darinnen er die allerwichtigſten Beweiß-Gruͤnde geſammlet hatte; und zu
aller Zeit ſo wol aus dem Munde/ als der Feder von ſich geben/ und
gleichſam wie eine Schale den Balſam der Gerlehrigkeit nur immer
reichlich ausgieſſen konte. Hierinnen aber hat er wie andere als ein
Menſch geſchrieben/ und als ein rechtſchaffener Chriſt nach ſeiner Schuldigkeit

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[0025] Vorbericht an den Leſer. durch allerhand Beyſpiele die Wuͤrckung des Guten/ und die Folge des Boͤ- ſen/ die Vergeltung der Tugend/ und die Beſtraffung der Laſter vorſtellen ſollen. Dahero/ wenn ja iemanden beduͤncken moͤchte/ als ob ein oder das an- dere Laſter zuweilen hierinnen mit ſchoͤnen oder zu freyen Worten beſchrieben waͤre; ſo wolle doch derſelbe ihme von unſerm ſeeligen Herꝛn Uhrhebeꝛ keine uͤbele Gedancken machen/ ſondern vielmehr glauben: daß er in der Gerechtigkeit/ in der Tugend und Liebe zu GOtt feſt gegruͤndet geweſen/ und wol keinem Chriſten in der Welt hierinnen nachgegeben. Sein Hertz war von allem Ei- gennutz entfernet; hingegen ſein Gemuͤthe deſto mehr nach Weißheit begierig und in derſelben unerſaͤttlich. Deßwegen hielt er iederzeit gleich dem beruͤhm- ten Engellaͤnder Bradfort/ die Unterredung mit gelehrten Leuten/ die er faſt taͤglich zu ſeinen Beſuchern wuͤnſchte und auch hatte/ vor eine Erqvickung der Seelen/ und ſahe es uͤberaus gerne/ wenn ſie an ſeinem Tiſche vor lieb nah- men/ und durch kluge Geſpraͤche ihm ſeine Speiſen wuͤrtzten. Jn Ermange- lung derſelben aber waren gute Buͤcher ſeine unzertrennliche Gefaͤrthen; und war ihm nicht moͤglich einen eintzigen Augenblick muͤßig zu ſeyn. Denn er ſchaͤtzte die vergebens hinſtreichende Zeit mit dem weiſen Demetrius vor den koſtbarſten Verluſt; und hielt dies/ was andere Arbeit und Muͤhe nennen/ vor ein ſtaͤrckendes Labſal und die allerſuͤſſeſte Gemuͤths-Erleichterung. Daher er- wehlte er ihm außer ſeinen Ampts- und andern Verrichtungen eine beſtaͤndige und immerwehrende Arbeit/ die ihm nach des Himmels Bewegung oder Son- nen-Lauff gleichſam in einem unauffhoͤrlichen Zirckel fuͤhrte. Sie war ihm ein rechtes Spielwerck; alſo/ daß man wol mit Warheit betheuern kan: daß ihm ſolche niemals einigen Schweiß ausgepreßt/ noch etwan Verdruß oder Ungeduld erwecket hat. Denn er war in der Arbeit uͤberaus gluͤcklich; Er wuſte ihm die ſchwerſten Sachen dergeſtalt leicht und annehmlich zu ma- chen: daß ihn etwas zu verfertigen faſt wenig oder gar keine Muͤhe gekoſtet. Maſſen ſein Kopff ein rechtes Behaͤltnuͤs der Wiſſenſchafften zu ſeyn ſchien/ darinnen er die allerwichtigſten Beweiß-Gruͤnde geſammlet hatte; und zu aller Zeit ſo wol aus dem Munde/ als der Feder von ſich geben/ und gleichſam wie eine Schale den Balſam der Gerlehrigkeit nur immer reichlich ausgieſſen konte. Hierinnen aber hat er wie andere als ein Menſch geſchrieben/ und als ein rechtſchaffener Chriſt nach ſeiner Schuldigkeit geglau- c 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/25>, abgerufen am 22.11.2024.