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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der Sachen entweder zu viel zu/ oder nimmt zu
viel darvon/ und vermischet das lautere eines
Wercks mit einem unechten Beysatze. Hätten
die Deutschen bey sich so viel Geschicht-Schrei-
ber/ es würden auch des Drusus und anderer
Römer Thaten so grossen Ruhm in der Welt
nicht haben/ als sie daraus machen. Und daher
muthmasse ich/ es verhalte sich mit ihren alten
Wunder-Wercken nichts besser. Zeno fiel ihm
bey/ und fing an: Die Ferne und das Alterthum
wären der scheinbarste Firnß der Unwahrheit/
und pflegten nicht nur die Römer/ sondern alle
andere Völcker/ insonderheit die Griechen ihre
alte Helden und Thaten/ wie die Wald-Götter
in des Timantes Gemählde den Daumen des
schlaffenden Cyclopen mit langen Stän geln zu
messen. Die Eroberung einer mittelmässigen
Stadt war bey ihnen ein Wunder-Werck/ die
Erlegung eines berühmten Räubers machte den
Sieger zu einem Hercules. Ja die Würde
der Halb-Götter war für Zeiten so guten Kaufs/
daß unter den Griechen leicht einer was thun
dorffte/ umb vergöttert oder unter die Sternen
versetzt zu werden. Zu Rom wäre so gar die
Hure Flora/ bey den Marsen die Zauberin Me-
dea mit einem Tempel verehret worden. Es
ginge ja noch wol hin/ sagte Marcomir/ wenn
die Griechen und Römer in Herausstreichung
ihres Eigen-Ruhms nur über die Schnure ge-
hauen/ nicht aber die Flecken ihrer Ungerechtig-
keitanderer Völcker Unschuld/ wie die Spinnen
ihren giftigen Unflat reinen Blumen anschmie-
reten. Jch wil der Griechen Eitelkeit/ weil sie
den Deutschen wenig Leides gethan/ unberüh-
ret lassen. Die Römer aber haben den Bren-
nus und seine Deutschen bey Auszahlung ihres
Löse-Geldes arglistig überfallen/ die Stadt
Alba/ ihr Vaterland/ aus blosser Ehrsucht ver-
tilget/ die Samniter wider Treu und Glauben
hinters Licht geführet. Den dritten Krieg
wider Carthago haben sie mit grösserm Mein-
[Spaltenumbruch] eyd angefangen/ als sie den Mohren niemals
aufweltzen können. Geitz und Herrschens-
Sucht habe ihren Krieg wider den Macedoni-
schen König Philipp angezündet. Dem Anti-
ochus/ welchen sie zur Zeit des Africanischen
Krieges unter dem Scheine falscher Freund-
schafft auff ihre Seite bracht/ hätten sie gantz
Asien disseits des Taurischen Gebürges und ze-
hentausend Talent ohne rechtmässige Ursache
abgezwungen. Dem Könige Perses hätten
sie in einem Frieden/ so lange er lebte/ Heil
und Sicherheit versprochen/ ihn aber bald
im Schlaffe erwürget; gleich als wenn dieses
Bild des Todes nichts minder ihn aus der Zahl
der Lebenden genommen/ und ihr Bündnß zer-
rissen hätte. Den mit leeren Freundschaffts-
Schalen sicher gemachten Eumenes hätten sie
dem Antiochus verkaufft/ den Attalus zum
Knechte/ und über sein Eigenthum zum Ampt-
manne gemacht; ja durch Einschiebung eines
falschen letzten Willen seinem Sohne Aristoni-
cus seiner Vor-Eltern Reich mit dem Degen
abgerechtet/ und ihn zum Schau-Gepränge
geführt; gleich als von einem guten Vater ein
mächtigerer/ für dessen Boßheit er sich nicht
fürchtete/ zum Erben eingesetzt werden könte.
Eben so hätten sie des Nicomedes und der Rysa
Sohn von Bithinien verdrungen. Daß Cras-
sus aus unsinniger Gold-Begierde des Pom-
pejus und Sylla mit den Parthen getroffenes
Bündnüß unglücklich gebrochen/ wüsten die Rö-
mer selbst nicht genung zu verfluchen. Gegen die
Gallier hätten sie eine Ursache vom Zaun gebro-
chen/ und durch Arglist die unüberwindlichen
Deutschen selbst aneinander gehetzt/ um so wol die
Uberwinder/ als die Uberwundenen zu verschlin-
gen. Gleichwol aber wolten sie niemals das Was-
ser getrübt/ sondern nach ihrer Geschicht-Schrei-
ber Großsprechen/ die halbe Welt/ entweder durch
gerächetes Unrecht/ oder durch den ihren Bunds-
Genossen geleisteten Beystand erobert haben;

Gleich

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der Sachen entweder zu viel zu/ oder nim̃t zu
viel darvon/ und vermiſchet das lautere eines
Wercks mit einem unechten Beyſatze. Haͤtten
die Deutſchen bey ſich ſo viel Geſchicht-Schrei-
ber/ es wuͤrden auch des Druſus und anderer
Roͤmer Thaten ſo groſſen Ruhm in der Welt
nicht haben/ als ſie daraus machen. Und daher
muthmaſſe ich/ es verhalte ſich mit ihren alten
Wunder-Wercken nichts beſſer. Zeno fiel ihm
bey/ und fing an: Die Ferne und das Alterthum
waͤren der ſcheinbarſte Firnß der Unwahrheit/
und pflegten nicht nur die Roͤmer/ ſondern alle
andere Voͤlcker/ inſonderheit die Griechen ihre
alte Helden und Thaten/ wie die Wald-Goͤtter
in des Timantes Gemaͤhlde den Daumen des
ſchlaffenden Cyclopen mit langen Staͤn geln zu
meſſen. Die Eroberung einer mittelmaͤſſigen
Stadt war bey ihnen ein Wunder-Werck/ die
Erlegung eines beruͤhmten Raͤubers machte den
Sieger zu einem Hercules. Ja die Wuͤrde
der Halb-Goͤtter war fuͤr Zeiten ſo guten Kaufs/
daß unter den Griechen leicht einer was thun
dorffte/ umb vergoͤttert oder unter die Sternen
verſetzt zu werden. Zu Rom waͤre ſo gar die
Hure Flora/ bey den Marſen die Zauberin Me-
dea mit einem Tempel verehret worden. Es
ginge ja noch wol hin/ ſagte Marcomir/ wenn
die Griechen und Roͤmer in Herausſtreichung
ihres Eigen-Ruhms nur uͤber die Schnure ge-
hauen/ nicht aber die Flecken ihrer Ungerechtig-
keitanderer Voͤlcker Unſchuld/ wie die Spinnen
ihren giftigen Unflat reinen Blumen anſchmie-
reten. Jch wil der Griechen Eitelkeit/ weil ſie
den Deutſchen wenig Leides gethan/ unberuͤh-
ret laſſen. Die Roͤmer aber haben den Bren-
nus und ſeine Deutſchen bey Auszahlung ihres
Loͤſe-Geldes argliſtig uͤberfallen/ die Stadt
Alba/ ihr Vaterland/ aus bloſſer Ehrſucht ver-
tilget/ die Samniter wider Treu und Glauben
hinters Licht gefuͤhret. Den dritten Krieg
wider Carthago haben ſie mit groͤſſerm Mein-
[Spaltenumbruch] eyd angefangen/ als ſie den Mohren niemals
aufweltzen koͤnnen. Geitz und Herrſchens-
Sucht habe ihren Krieg wider den Macedoni-
ſchen Koͤnig Philipp angezuͤndet. Dem Anti-
ochus/ welchen ſie zur Zeit des Africaniſchen
Krieges unter dem Scheine falſcher Freund-
ſchafft auff ihre Seite bracht/ haͤtten ſie gantz
Aſien diſſeits des Tauriſchen Gebuͤrges und ze-
hentauſend Talent ohne rechtmaͤſſige Urſache
abgezwungen. Dem Koͤnige Perſes haͤtten
ſie in einem Frieden/ ſo lange er lebte/ Heil
und Sicherheit verſprochen/ ihn aber bald
im Schlaffe erwuͤrget; gleich als wenn dieſes
Bild des Todes nichts minder ihn aus der Zahl
der Lebenden genommen/ und ihr Buͤndnß zer-
riſſen haͤtte. Den mit leeren Freundſchaffts-
Schalen ſicher gemachten Eumenes haͤtten ſie
dem Antiochus verkaufft/ den Attalus zum
Knechte/ und uͤber ſein Eigenthum zum Ampt-
manne gemacht; ja durch Einſchiebung eines
falſchen letzten Willen ſeinem Sohne Ariſtoni-
cus ſeiner Vor-Eltern Reich mit dem Degen
abgerechtet/ und ihn zum Schau-Gepraͤnge
gefuͤhrt; gleich als von einem guten Vater ein
maͤchtigerer/ fuͤr deſſen Boßheit er ſich nicht
fuͤrchtete/ zum Erben eingeſetzt werden koͤnte.
Eben ſo haͤtten ſie des Nicomedes und der Ryſa
Sohn von Bithinien verdrungen. Daß Craſ-
ſus aus unſinniger Gold-Begierde des Pom-
pejus und Sylla mit den Parthen getroffenes
Buͤndnuͤß ungluͤcklich gebrochen/ wuͤſten die Roͤ-
mer ſelbſt nicht genung zu verfluchen. Gegen die
Gallier haͤtten ſie eine Urſache vom Zaun gebro-
chen/ und durch Argliſt die unuͤberwindlichen
Deutſchẽ ſelbſt aneinander gehetzt/ um ſo wol die
Uberwinder/ als die Uberwundenen zu verſchlin-
gen. Gleichwol aber wolten ſie niemals das Waſ-
ſer getruͤbt/ ſondern nach ihrer Geſchicht-Schrei-
ber Großſprechẽ/ die halbe Welt/ entweder durch
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Genoſſen geleiſteten Beyſtand erobert haben;

Gleich
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[95/0145] Arminius und Thußnelda. der Sachen entweder zu viel zu/ oder nim̃t zu viel darvon/ und vermiſchet das lautere eines Wercks mit einem unechten Beyſatze. Haͤtten die Deutſchen bey ſich ſo viel Geſchicht-Schrei- ber/ es wuͤrden auch des Druſus und anderer Roͤmer Thaten ſo groſſen Ruhm in der Welt nicht haben/ als ſie daraus machen. Und daher muthmaſſe ich/ es verhalte ſich mit ihren alten Wunder-Wercken nichts beſſer. Zeno fiel ihm bey/ und fing an: Die Ferne und das Alterthum waͤren der ſcheinbarſte Firnß der Unwahrheit/ und pflegten nicht nur die Roͤmer/ ſondern alle andere Voͤlcker/ inſonderheit die Griechen ihre alte Helden und Thaten/ wie die Wald-Goͤtter in des Timantes Gemaͤhlde den Daumen des ſchlaffenden Cyclopen mit langen Staͤn geln zu meſſen. Die Eroberung einer mittelmaͤſſigen Stadt war bey ihnen ein Wunder-Werck/ die Erlegung eines beruͤhmten Raͤubers machte den Sieger zu einem Hercules. Ja die Wuͤrde der Halb-Goͤtter war fuͤr Zeiten ſo guten Kaufs/ daß unter den Griechen leicht einer was thun dorffte/ umb vergoͤttert oder unter die Sternen verſetzt zu werden. Zu Rom waͤre ſo gar die Hure Flora/ bey den Marſen die Zauberin Me- dea mit einem Tempel verehret worden. Es ginge ja noch wol hin/ ſagte Marcomir/ wenn die Griechen und Roͤmer in Herausſtreichung ihres Eigen-Ruhms nur uͤber die Schnure ge- hauen/ nicht aber die Flecken ihrer Ungerechtig- keitanderer Voͤlcker Unſchuld/ wie die Spinnen ihren giftigen Unflat reinen Blumen anſchmie- reten. Jch wil der Griechen Eitelkeit/ weil ſie den Deutſchen wenig Leides gethan/ unberuͤh- ret laſſen. Die Roͤmer aber haben den Bren- nus und ſeine Deutſchen bey Auszahlung ihres Loͤſe-Geldes argliſtig uͤberfallen/ die Stadt Alba/ ihr Vaterland/ aus bloſſer Ehrſucht ver- tilget/ die Samniter wider Treu und Glauben hinters Licht gefuͤhret. Den dritten Krieg wider Carthago haben ſie mit groͤſſerm Mein- eyd angefangen/ als ſie den Mohren niemals aufweltzen koͤnnen. Geitz und Herrſchens- Sucht habe ihren Krieg wider den Macedoni- ſchen Koͤnig Philipp angezuͤndet. Dem Anti- ochus/ welchen ſie zur Zeit des Africaniſchen Krieges unter dem Scheine falſcher Freund- ſchafft auff ihre Seite bracht/ haͤtten ſie gantz Aſien diſſeits des Tauriſchen Gebuͤrges und ze- hentauſend Talent ohne rechtmaͤſſige Urſache abgezwungen. Dem Koͤnige Perſes haͤtten ſie in einem Frieden/ ſo lange er lebte/ Heil und Sicherheit verſprochen/ ihn aber bald im Schlaffe erwuͤrget; gleich als wenn dieſes Bild des Todes nichts minder ihn aus der Zahl der Lebenden genommen/ und ihr Buͤndnß zer- riſſen haͤtte. Den mit leeren Freundſchaffts- Schalen ſicher gemachten Eumenes haͤtten ſie dem Antiochus verkaufft/ den Attalus zum Knechte/ und uͤber ſein Eigenthum zum Ampt- manne gemacht; ja durch Einſchiebung eines falſchen letzten Willen ſeinem Sohne Ariſtoni- cus ſeiner Vor-Eltern Reich mit dem Degen abgerechtet/ und ihn zum Schau-Gepraͤnge gefuͤhrt; gleich als von einem guten Vater ein maͤchtigerer/ fuͤr deſſen Boßheit er ſich nicht fuͤrchtete/ zum Erben eingeſetzt werden koͤnte. Eben ſo haͤtten ſie des Nicomedes und der Ryſa Sohn von Bithinien verdrungen. Daß Craſ- ſus aus unſinniger Gold-Begierde des Pom- pejus und Sylla mit den Parthen getroffenes Buͤndnuͤß ungluͤcklich gebrochen/ wuͤſten die Roͤ- mer ſelbſt nicht genung zu verfluchen. Gegen die Gallier haͤtten ſie eine Urſache vom Zaun gebro- chen/ und durch Argliſt die unuͤberwindlichen Deutſchẽ ſelbſt aneinander gehetzt/ um ſo wol die Uberwinder/ als die Uberwundenen zu verſchlin- gen. Gleichwol aber wolten ſie niemals das Waſ- ſer getruͤbt/ ſondern nach ihrer Geſchicht-Schrei- ber Großſprechẽ/ die halbe Welt/ entweder durch geraͤchetes Unrecht/ oder durch den ihren Bunds- Genoſſen geleiſteten Beyſtand erobert haben; Gleich

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/145>, abgerufen am 23.11.2024.