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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nur/ wiewol mit eusserster Schwermuth und
einer halben Ohnmacht/ die Natur der Ver-
nunfft weichen/ und Gertrud sich der süssen Um-
armung ihres Sohnes entschlagen/ um das
Kleinod ihrer Unschuld und guten Nahmens
zu behalten/ ja ihr Kind lieber selbst verlieren/
und Leitholden zur Entfernung über reichen/ als
selbten durch Behaltung zu gäntzlichem Verlu-
ste in Gefahr setzen. Die gemachte Anstalt ward
so klüglich eingerichtet: daß weder der Hertzog
noch einig ander Mensch von diesem Mohren-
Kinde was erfuhr; welches denn/ als es die
Fürstin mit tausend Küssen gesegnet hatte/ bey
ober wehnter Sidinischen Edel-Frauen/ die
Dehnhofen einen tapffern Ritter zur Eh hat-
te/ unter dem Scheine: daß es ein von seinem
in Hispanien unter denen Celtiberiern angeses-
senem Bruder überschickter Knabe wäre/ rühm-
lich und vielleicht besser/ als in seines Vaters
Fürstlichem Hofe aufferzogen ward. Denn beym
Hofe-Leben kirret die Wollust der schädliche
Lock-Vogel mit ihren anmuthigen Beeren
auch die besten Gemüther in das Garn des Ver-
terbens; und die Heucheley vermummet mit
ihrer Larve alle Laster: daß sie für Tugenden
gelten/ und verschwistert gleichsam Himmel
und Erde/ Sternen und Koth mit einander:
daß ein junger Fürst zuweilen selbst nicht weiß:
Ob er auf dem Scheide-Wege dieses irrsamen
Lebens den guten oder irrigen Pfad erkieset ha-
be. Da doch bey einem jungen Fürsten/ wel-
cher künfftig soll ein untadelhafftes Muster aller
Unterthanen seyn/ diß/ was ihm zur Nahrung
seiner Seele/ zur Stärckung seines Gemüthes
beygebracht wird/ sorgfältiger/ als die Leibli-
chen Speisen ihrer Gesundheit und Schädlig-
keit halber zu untersuchen sind. Daher/ und
weil die Natur ehe in ihren Würckungen irren/
als ein Fürst bessere Unterthanen machen kan/
denn er selbst ist/ dieselben ärger thun und mehr
Böses stifften/ die eines jungen Herrn bösen
Neigungen den Zaum lassen/ als welche einen
[Spaltenumbruch] gemeinen Brunn oder Röhr-Kasten vergifften.
Weil nun so wol Kinder/ als Pflantzen mehr
nach der Beschaffenheit ihrer Pflegung/ als
nach dem Einflusse der Geburts-Sternen
arthen; gerieth dieser junge Fürst unter der
Auffsicht eines von keiner übermäßigen Liebe
nicht verbländeten Auffsehers/ zwischen dem
Staube der Rennebahn/ und unter der heilsamen
Last der schweißichten Waffen so wol: daß die-
ser Ritter ihn im achzehenden Jahre in die Fer-
ne zu schicken und daselbst sein Glücke zu suchen
für rathsam hielt. Ja ich weiß nicht: ob es durch
eine besondere Krafft der Elterlichen Zeugung/
oder durch ein besonder Gelüb de seiner Mutter
geschahe: daß in diesem Knaben sich die Schwär-
tze in braun/ die braune Farbe in gelbe; diese
endlich in weiße nach und nach verwandelte;
und kein Mensch ihn mehr für einen Auslän-
der angesehen haben würde. Wie nun der Si-
dinische Edelmann ihn ritter mäßig ausgerü-
stet/ seines künfftigen Verhaltens wegen väter-
lich verwarnigt; dieser auch mit Ausdrückung
aller Kindlichen Demuth Abschied genommen
hatte; eröffnete ihm dieser Ritter zu guter letzte:
Er wäre sein Vater nicht/ wie er ihm einbilde-
te; sondern ein grösserer/ als er fast wünschen
möchte; gleichwol aber hielte er es ihm noch zur
Zeit zu eröffnen nicht allerdings rathsam. Jn-
zwischen wäre ihm darmit genung gesagt: daß
er nichts Unfürstliches fürnehmen solte; wo er
seinen Stand zu beflecken eine Abscheu trüge.
Die in dem Meere von den gesaltzenen Wellen
wol abgespielte Korallen behalten nach ihrer
Absonderung von der mütterlichen Wurtzel ih-
re beständige Farbe; ja überkommen allererst
eine gleichsam felsene Härte. Nicht anders er-
gieng es mit diesem jungen Gothonischen Für-
sten; welcher bey den Bojen durch seine Tapfer-
keit anfangs einen hoben Ruhm der Tugend/
hernach gar die Königliche Tochter Hedwig er-
warb; endlich aber mit dem Falle seines Schwä-
hers auch gleichsam wieder in seine erste Nie-

drigkeit

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nur/ wiewol mit euſſerſter Schwermuth und
einer halben Ohnmacht/ die Natur der Ver-
nunfft weichen/ und Gertrud ſich deꝛ ſuͤſſen Um-
armung ihres Sohnes entſchlagen/ um das
Kleinod ihrer Unſchuld und guten Nahmens
zu behalten/ ja ihr Kind lieber ſelbſt verlieren/
und Leitholden zur Entfernung uͤber reichen/ als
ſelbten durch Behaltung zu gaͤntzlichem Verlu-
ſte in Gefahr ſetzen. Die gemachte Anſtalt ward
ſo kluͤglich eingerichtet: daß weder der Hertzog
noch einig ander Menſch von dieſem Mohren-
Kinde was erfuhr; welches denn/ als es die
Fuͤrſtin mit tauſend Kuͤſſen geſegnet hatte/ bey
ober wehnter Sidiniſchen Edel-Frauen/ die
Dehnhofen einen tapffern Ritter zur Eh hat-
te/ unter dem Scheine: daß es ein von ſeinem
in Hiſpanien unter denen Celtiberiern angeſeſ-
ſenem Bruder uͤberſchickter Knabe waͤre/ ruͤhm-
lich und vielleicht beſſer/ als in ſeines Vaters
Fuͤrſtlichem Hofe aufferzogen ward. Deñ beym
Hofe-Leben kirret die Wolluſt der ſchaͤdliche
Lock-Vogel mit ihren anmuthigen Beeren
auch die beſten Gemuͤther in das Garn des Ver-
terbens; und die Heucheley vermummet mit
ihrer Larve alle Laſter: daß ſie fuͤr Tugenden
gelten/ und verſchwiſtert gleichſam Himmel
und Erde/ Sternen und Koth mit einander:
daß ein junger Fuͤrſt zuweilen ſelbſt nicht weiß:
Ob er auf dem Scheide-Wege dieſes irrſamen
Lebens den guten oder irrigen Pfad erkieſet ha-
be. Da doch bey einem jungen Fuͤrſten/ wel-
cher kuͤnfftig ſoll ein untadelhafftes Muſter aller
Unterthanen ſeyn/ diß/ was ihm zur Nahrung
ſeiner Seele/ zur Staͤrckung ſeines Gemuͤthes
beygebracht wird/ ſorgfaͤltiger/ als die Leibli-
chen Speiſen ihrer Geſundheit und Schaͤdlig-
keit halber zu unterſuchen ſind. Daher/ und
weil die Natur ehe in ihren Wuͤrckungen irren/
als ein Fuͤrſt beſſere Unterthanen machen kan/
denn er ſelbſt iſt/ dieſelben aͤrger thun und mehr
Boͤſes ſtifften/ die eines jungen Herrn boͤſen
Neigungen den Zaum laſſen/ als welche einen
[Spaltenumbruch] gemeinen Brunn oder Roͤhr-Kaſten vergifften.
Weil nun ſo wol Kinder/ als Pflantzen mehr
nach der Beſchaffenheit ihrer Pflegung/ als
nach dem Einfluſſe der Geburts-Sternen
arthen; gerieth dieſer junge Fuͤrſt unter der
Auffſicht eines von keiner uͤbermaͤßigen Liebe
nicht verblaͤndeten Auffſehers/ zwiſchen dem
Staube der Reñebahn/ uñ unter der heilſamen
Laſt der ſchweißichten Waffen ſo wol: daß die-
ſer Ritter ihn im achzehenden Jahre in die Fer-
ne zu ſchicken und daſelbſt ſein Gluͤcke zu ſuchen
fuͤr rathſam hielt. Ja ich weiß nicht: ob es durch
eine beſondere Krafft der Elterlichen Zeugung/
oder durch ein beſonder Geluͤb de ſeiner Mutter
geſchahe: daß in dieſem Knaben ſich die Schwaͤr-
tze in braun/ die braune Farbe in gelbe; dieſe
endlich in weiße nach und nach verwandelte;
und kein Menſch ihn mehr fuͤr einen Auslaͤn-
der angeſehen haben wuͤrde. Wie nun der Si-
diniſche Edelmann ihn ritter maͤßig ausgeruͤ-
ſtet/ ſeines kuͤnfftigen Verhaltens wegen vaͤter-
lich verwarnigt; dieſer auch mit Ausdruͤckung
aller Kindlichen Demuth Abſchied genommen
hatte; eroͤffnete ihm dieſer Ritter zu guter letzte:
Er waͤre ſein Vater nicht/ wie er ihm einbilde-
te; ſondern ein groͤſſerer/ als er faſt wuͤnſchen
moͤchte; gleichwol aber hielte er es ihm noch zur
Zeit zu eroͤffnen nicht allerdings rathſam. Jn-
zwiſchen waͤre ihm darmit genung geſagt: daß
er nichts Unfuͤrſtliches fuͤrnehmen ſolte; wo er
ſeinen Stand zu beflecken eine Abſcheu truͤge.
Die in dem Meere von den geſaltzenen Wellen
wol abgeſpielte Korallen behalten nach ihrer
Abſonderung von der muͤtterlichen Wurtzel ih-
re beſtaͤndige Farbe; ja uͤberkommen allererſt
eine gleichſam felſene Haͤrte. Nicht anders er-
gieng es mit dieſem jungen Gothoniſchen Fuͤr-
ſten; welcher bey den Bojen durch ſeine Tapfer-
keit anfangs einen hoben Ruhm der Tugend/
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hers auch gleichſam wieder in ſeine erſte Nie-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1151[1153]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1215>, abgerufen am 19.05.2024.