Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nur/ wiewol mit eusserster Schwermuth und
einer halben Ohnmacht/ die Natur der Ver-
nunfft weichen/ und Gertrud sich der süssen Um-
armung ihres Sohnes entschlagen/ um das
Kleinod ihrer Unschuld und guten Nahmens
zu behalten/ ja ihr Kind lieber selbst verlieren/
und Leitholden zur Entfernung über reichen/ als
selbten durch Behaltung zu gäntzlichem Verlu-
ste in Gefahr setzen. Die gemachte Anstalt ward
so klüglich eingerichtet: daß weder der Hertzog
noch einig ander Mensch von diesem Mohren-
Kinde was erfuhr; welches denn/ als es die
Fürstin mit tausend Küssen gesegnet hatte/ bey
ober wehnter Sidinischen Edel-Frauen/ die
Dehnhofen einen tapffern Ritter zur Eh hat-
te/ unter dem Scheine: daß es ein von seinem
in Hispanien unter denen Celtiberiern angeses-
senem Bruder überschickter Knabe wäre/ rühm-
lich und vielleicht besser/ als in seines Vaters
Fürstlichem Hofe aufferzogen ward. Denn beym
Hofe-Leben kirret die Wollust der schädliche
Lock-Vogel mit ihren anmuthigen Beeren
auch die besten Gemüther in das Garn des Ver-
terbens; und die Heucheley vermummet mit
ihrer Larve alle Laster: daß sie für Tugenden
gelten/ und verschwistert gleichsam Himmel
und Erde/ Sternen und Koth mit einander:
daß ein junger Fürst zuweilen selbst nicht weiß:
Ob er auf dem Scheide-Wege dieses irrsamen
Lebens den guten oder irrigen Pfad erkieset ha-
be. Da doch bey einem jungen Fürsten/ wel-
cher künfftig soll ein untadelhafftes Muster aller
Unterthanen seyn/ diß/ was ihm zur Nahrung
seiner Seele/ zur Stärckung seines Gemüthes
beygebracht wird/ sorgfältiger/ als die Leibli-
chen Speisen ihrer Gesundheit und Schädlig-
keit halber zu untersuchen sind. Daher/ und
weil die Natur ehe in ihren Würckungen irren/
als ein Fürst bessere Unterthanen machen kan/
denn er selbst ist/ dieselben ärger thun und mehr
Böses stifften/ die eines jungen Herrn bösen
Neigungen den Zaum lassen/ als welche einen
[Spaltenumbruch] gemeinen Brunn oder Röhr-Kasten vergifften.
Weil nun so wol Kinder/ als Pflantzen mehr
nach der Beschaffenheit ihrer Pflegung/ als
nach dem Einflusse der Geburts-Sternen
arthen; gerieth dieser junge Fürst unter der
Auffsicht eines von keiner übermäßigen Liebe
nicht verbländeten Auffsehers/ zwischen dem
Staube der Rennebahn/ und unter der heilsamen
Last der schweißichten Waffen so wol: daß die-
ser Ritter ihn im achzehenden Jahre in die Fer-
ne zu schicken und daselbst sein Glücke zu suchen
für rathsam hielt. Ja ich weiß nicht: ob es durch
eine besondere Krafft der Elterlichen Zeugung/
oder durch ein besonder Gelüb de seiner Mutter
geschahe: daß in diesem Knaben sich die Schwär-
tze in braun/ die braune Farbe in gelbe; diese
endlich in weiße nach und nach verwandelte;
und kein Mensch ihn mehr für einen Auslän-
der angesehen haben würde. Wie nun der Si-
dinische Edelmann ihn ritter mäßig ausgerü-
stet/ seines künfftigen Verhaltens wegen väter-
lich verwarnigt; dieser auch mit Ausdrückung
aller Kindlichen Demuth Abschied genommen
hatte; eröffnete ihm dieser Ritter zu guter letzte:
Er wäre sein Vater nicht/ wie er ihm einbilde-
te; sondern ein grösserer/ als er fast wünschen
möchte; gleichwol aber hielte er es ihm noch zur
Zeit zu eröffnen nicht allerdings rathsam. Jn-
zwischen wäre ihm darmit genung gesagt: daß
er nichts Unfürstliches fürnehmen solte; wo er
seinen Stand zu beflecken eine Abscheu trüge.
Die in dem Meere von den gesaltzenen Wellen
wol abgespielte Korallen behalten nach ihrer
Absonderung von der mütterlichen Wurtzel ih-
re beständige Farbe; ja überkommen allererst
eine gleichsam felsene Härte. Nicht anders er-
gieng es mit diesem jungen Gothonischen Für-
sten; welcher bey den Bojen durch seine Tapfer-
keit anfangs einen hoben Ruhm der Tugend/
hernach gar die Königliche Tochter Hedwig er-
warb; endlich aber mit dem Falle seines Schwä-
hers auch gleichsam wieder in seine erste Nie-

drigkeit

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nur/ wiewol mit euſſerſter Schwermuth und
einer halben Ohnmacht/ die Natur der Ver-
nunfft weichen/ und Gertrud ſich deꝛ ſuͤſſen Um-
armung ihres Sohnes entſchlagen/ um das
Kleinod ihrer Unſchuld und guten Nahmens
zu behalten/ ja ihr Kind lieber ſelbſt verlieren/
und Leitholden zur Entfernung uͤber reichen/ als
ſelbten durch Behaltung zu gaͤntzlichem Verlu-
ſte in Gefahr ſetzen. Die gemachte Anſtalt ward
ſo kluͤglich eingerichtet: daß weder der Hertzog
noch einig ander Menſch von dieſem Mohren-
Kinde was erfuhr; welches denn/ als es die
Fuͤrſtin mit tauſend Kuͤſſen geſegnet hatte/ bey
ober wehnter Sidiniſchen Edel-Frauen/ die
Dehnhofen einen tapffern Ritter zur Eh hat-
te/ unter dem Scheine: daß es ein von ſeinem
in Hiſpanien unter denen Celtiberiern angeſeſ-
ſenem Bruder uͤberſchickter Knabe waͤre/ ruͤhm-
lich und vielleicht beſſer/ als in ſeines Vaters
Fuͤrſtlichem Hofe aufferzogen ward. Deñ beym
Hofe-Leben kirret die Wolluſt der ſchaͤdliche
Lock-Vogel mit ihren anmuthigen Beeren
auch die beſten Gemuͤther in das Garn des Ver-
terbens; und die Heucheley vermummet mit
ihrer Larve alle Laſter: daß ſie fuͤr Tugenden
gelten/ und verſchwiſtert gleichſam Himmel
und Erde/ Sternen und Koth mit einander:
daß ein junger Fuͤrſt zuweilen ſelbſt nicht weiß:
Ob er auf dem Scheide-Wege dieſes irrſamen
Lebens den guten oder irrigen Pfad erkieſet ha-
be. Da doch bey einem jungen Fuͤrſten/ wel-
cher kuͤnfftig ſoll ein untadelhafftes Muſter aller
Unterthanen ſeyn/ diß/ was ihm zur Nahrung
ſeiner Seele/ zur Staͤrckung ſeines Gemuͤthes
beygebracht wird/ ſorgfaͤltiger/ als die Leibli-
chen Speiſen ihrer Geſundheit und Schaͤdlig-
keit halber zu unterſuchen ſind. Daher/ und
weil die Natur ehe in ihren Wuͤrckungen irren/
als ein Fuͤrſt beſſere Unterthanen machen kan/
denn er ſelbſt iſt/ dieſelben aͤrger thun und mehr
Boͤſes ſtifften/ die eines jungen Herrn boͤſen
Neigungen den Zaum laſſen/ als welche einen
[Spaltenumbruch] gemeinen Brunn oder Roͤhr-Kaſten vergifften.
Weil nun ſo wol Kinder/ als Pflantzen mehr
nach der Beſchaffenheit ihrer Pflegung/ als
nach dem Einfluſſe der Geburts-Sternen
arthen; gerieth dieſer junge Fuͤrſt unter der
Auffſicht eines von keiner uͤbermaͤßigen Liebe
nicht verblaͤndeten Auffſehers/ zwiſchen dem
Staube der Reñebahn/ uñ unter der heilſamen
Laſt der ſchweißichten Waffen ſo wol: daß die-
ſer Ritter ihn im achzehenden Jahre in die Fer-
ne zu ſchicken und daſelbſt ſein Gluͤcke zu ſuchen
fuͤr rathſam hielt. Ja ich weiß nicht: ob es durch
eine beſondere Krafft der Elterlichen Zeugung/
oder durch ein beſonder Geluͤb de ſeiner Mutter
geſchahe: daß in dieſem Knaben ſich die Schwaͤr-
tze in braun/ die braune Farbe in gelbe; dieſe
endlich in weiße nach und nach verwandelte;
und kein Menſch ihn mehr fuͤr einen Auslaͤn-
der angeſehen haben wuͤrde. Wie nun der Si-
diniſche Edelmann ihn ritter maͤßig ausgeruͤ-
ſtet/ ſeines kuͤnfftigen Verhaltens wegen vaͤter-
lich verwarnigt; dieſer auch mit Ausdruͤckung
aller Kindlichen Demuth Abſchied genommen
hatte; eroͤffnete ihm dieſer Ritter zu guter letzte:
Er waͤre ſein Vater nicht/ wie er ihm einbilde-
te; ſondern ein groͤſſerer/ als er faſt wuͤnſchen
moͤchte; gleichwol aber hielte er es ihm noch zur
Zeit zu eroͤffnen nicht allerdings rathſam. Jn-
zwiſchen waͤre ihm darmit genung geſagt: daß
er nichts Unfuͤrſtliches fuͤrnehmen ſolte; wo er
ſeinen Stand zu beflecken eine Abſcheu truͤge.
Die in dem Meere von den geſaltzenen Wellen
wol abgeſpielte Korallen behalten nach ihrer
Abſonderung von der muͤtterlichen Wurtzel ih-
re beſtaͤndige Farbe; ja uͤberkommen allererſt
eine gleichſam felſene Haͤrte. Nicht anders er-
gieng es mit dieſem jungen Gothoniſchen Fuͤr-
ſten; welcher bey den Bojen durch ſeine Tapfer-
keit anfangs einen hoben Ruhm der Tugend/
hernach gar die Koͤnigliche Tochter Hedwig er-
warb; endlich aber mit dem Falle ſeines Schwaͤ-
hers auch gleichſam wieder in ſeine erſte Nie-

drigkeit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1215" n="1151[1153]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
nur/ wiewol mit eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ter Schwermuth und<lb/>
einer halben Ohnmacht/ die Natur der Ver-<lb/>
nunfft weichen/ und Gertrud &#x017F;ich de&#xA75B; &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Um-<lb/>
armung ihres Sohnes ent&#x017F;chlagen/ um das<lb/>
Kleinod ihrer Un&#x017F;chuld und guten Nahmens<lb/>
zu behalten/ ja ihr Kind lieber &#x017F;elb&#x017F;t verlieren/<lb/>
und Leitholden zur Entfernung u&#x0364;ber reichen/ als<lb/>
&#x017F;elbten durch Behaltung zu ga&#x0364;ntzlichem Verlu-<lb/>
&#x017F;te in Gefahr &#x017F;etzen. Die gemachte An&#x017F;talt ward<lb/>
&#x017F;o klu&#x0364;glich eingerichtet: daß weder der Hertzog<lb/>
noch einig ander Men&#x017F;ch von die&#x017F;em Mohren-<lb/>
Kinde was erfuhr; welches denn/ als es die<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tin mit tau&#x017F;end Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;egnet hatte/ bey<lb/>
ober wehnter Sidini&#x017F;chen Edel-Frauen/ die<lb/>
Dehnhofen einen tapffern Ritter zur Eh hat-<lb/>
te/ unter dem Scheine: daß es ein von &#x017F;einem<lb/>
in Hi&#x017F;panien unter denen Celtiberiern ange&#x017F;e&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enem Bruder u&#x0364;ber&#x017F;chickter Knabe wa&#x0364;re/ ru&#x0364;hm-<lb/>
lich und vielleicht be&#x017F;&#x017F;er/ als in &#x017F;eines Vaters<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tlichem Hofe aufferzogen ward. Den&#x0303; beym<lb/>
Hofe-Leben kirret die Wollu&#x017F;t der &#x017F;cha&#x0364;dliche<lb/>
Lock-Vogel mit ihren anmuthigen Beeren<lb/>
auch die be&#x017F;ten Gemu&#x0364;ther in das Garn des Ver-<lb/>
terbens; und die Heucheley vermummet mit<lb/>
ihrer Larve alle La&#x017F;ter: daß &#x017F;ie fu&#x0364;r Tugenden<lb/>
gelten/ und ver&#x017F;chwi&#x017F;tert gleich&#x017F;am Himmel<lb/>
und Erde/ Sternen und Koth mit einander:<lb/>
daß ein junger Fu&#x0364;r&#x017F;t zuweilen &#x017F;elb&#x017F;t nicht weiß:<lb/>
Ob er auf dem Scheide-Wege die&#x017F;es irr&#x017F;amen<lb/>
Lebens den guten oder irrigen Pfad erkie&#x017F;et ha-<lb/>
be. Da doch bey einem jungen Fu&#x0364;r&#x017F;ten/ wel-<lb/>
cher ku&#x0364;nfftig &#x017F;oll ein untadelhafftes Mu&#x017F;ter aller<lb/>
Unterthanen &#x017F;eyn/ diß/ was ihm zur Nahrung<lb/>
&#x017F;einer Seele/ zur Sta&#x0364;rckung &#x017F;eines Gemu&#x0364;thes<lb/>
beygebracht wird/ &#x017F;orgfa&#x0364;ltiger/ als die Leibli-<lb/>
chen Spei&#x017F;en ihrer Ge&#x017F;undheit und Scha&#x0364;dlig-<lb/>
keit halber zu unter&#x017F;uchen &#x017F;ind. Daher/ und<lb/>
weil die Natur ehe in ihren Wu&#x0364;rckungen irren/<lb/>
als ein Fu&#x0364;r&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;ere Unterthanen machen kan/<lb/>
denn er &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t/ die&#x017F;elben a&#x0364;rger thun und mehr<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;es &#x017F;tifften/ die eines jungen Herrn bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Neigungen den Zaum la&#x017F;&#x017F;en/ als welche einen<lb/><cb/>
gemeinen Brunn oder Ro&#x0364;hr-Ka&#x017F;ten vergifften.<lb/>
Weil nun &#x017F;o wol Kinder/ als Pflantzen mehr<lb/>
nach der Be&#x017F;chaffenheit ihrer Pflegung/ als<lb/>
nach dem Einflu&#x017F;&#x017F;e der Geburts-Sternen<lb/>
arthen; gerieth die&#x017F;er junge Fu&#x0364;r&#x017F;t unter der<lb/>
Auff&#x017F;icht eines von keiner u&#x0364;berma&#x0364;ßigen Liebe<lb/>
nicht verbla&#x0364;ndeten Auff&#x017F;ehers/ zwi&#x017F;chen dem<lb/>
Staube der Ren&#x0303;ebahn/ un&#x0303; unter der heil&#x017F;amen<lb/>
La&#x017F;t der &#x017F;chweißichten Waffen &#x017F;o wol: daß die-<lb/>
&#x017F;er Ritter ihn im achzehenden Jahre in die Fer-<lb/>
ne zu &#x017F;chicken und da&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ein Glu&#x0364;cke zu &#x017F;uchen<lb/>
fu&#x0364;r rath&#x017F;am hielt. Ja ich weiß nicht: ob es durch<lb/>
eine be&#x017F;ondere Krafft der Elterlichen Zeugung/<lb/>
oder durch ein be&#x017F;onder Gelu&#x0364;b de &#x017F;einer Mutter<lb/>
ge&#x017F;chahe: daß in die&#x017F;em Knaben &#x017F;ich die Schwa&#x0364;r-<lb/>
tze in braun/ die braune Farbe in gelbe; die&#x017F;e<lb/>
endlich in weiße nach und nach verwandelte;<lb/>
und kein Men&#x017F;ch ihn mehr fu&#x0364;r einen Ausla&#x0364;n-<lb/>
der ange&#x017F;ehen haben wu&#x0364;rde. Wie nun der Si-<lb/>
dini&#x017F;che Edelmann ihn ritter ma&#x0364;ßig ausgeru&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tet/ &#x017F;eines ku&#x0364;nfftigen Verhaltens wegen va&#x0364;ter-<lb/>
lich verwarnigt; die&#x017F;er auch mit Ausdru&#x0364;ckung<lb/>
aller Kindlichen Demuth Ab&#x017F;chied genommen<lb/>
hatte; ero&#x0364;ffnete ihm die&#x017F;er Ritter zu guter letzte:<lb/>
Er wa&#x0364;re &#x017F;ein Vater nicht/ wie er ihm einbilde-<lb/>
te; &#x017F;ondern ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer/ als er fa&#x017F;t wu&#x0364;n&#x017F;chen<lb/>
mo&#x0364;chte; gleichwol aber hielte er es ihm noch zur<lb/>
Zeit zu ero&#x0364;ffnen nicht allerdings rath&#x017F;am. Jn-<lb/>
zwi&#x017F;chen wa&#x0364;re ihm darmit genung ge&#x017F;agt: daß<lb/>
er nichts Unfu&#x0364;r&#x017F;tliches fu&#x0364;rnehmen &#x017F;olte; wo er<lb/>
&#x017F;einen Stand zu beflecken eine Ab&#x017F;cheu tru&#x0364;ge.<lb/>
Die in dem Meere von den ge&#x017F;altzenen Wellen<lb/>
wol abge&#x017F;pielte Korallen behalten nach ihrer<lb/>
Ab&#x017F;onderung von der mu&#x0364;tterlichen Wurtzel ih-<lb/>
re be&#x017F;ta&#x0364;ndige Farbe; ja u&#x0364;berkommen allerer&#x017F;t<lb/>
eine gleich&#x017F;am fel&#x017F;ene Ha&#x0364;rte. Nicht anders er-<lb/>
gieng es mit die&#x017F;em jungen Gothoni&#x017F;chen Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten; welcher bey den Bojen durch &#x017F;eine Tapfer-<lb/>
keit anfangs einen hoben Ruhm der Tugend/<lb/>
hernach gar die Ko&#x0364;nigliche Tochter Hedwig er-<lb/>
warb; endlich aber mit dem Falle &#x017F;eines Schwa&#x0364;-<lb/>
hers auch gleich&#x017F;am wieder in &#x017F;eine er&#x017F;te Nie-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">drigkeit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1151[1153]/1215] Arminius und Thußnelda. nur/ wiewol mit euſſerſter Schwermuth und einer halben Ohnmacht/ die Natur der Ver- nunfft weichen/ und Gertrud ſich deꝛ ſuͤſſen Um- armung ihres Sohnes entſchlagen/ um das Kleinod ihrer Unſchuld und guten Nahmens zu behalten/ ja ihr Kind lieber ſelbſt verlieren/ und Leitholden zur Entfernung uͤber reichen/ als ſelbten durch Behaltung zu gaͤntzlichem Verlu- ſte in Gefahr ſetzen. Die gemachte Anſtalt ward ſo kluͤglich eingerichtet: daß weder der Hertzog noch einig ander Menſch von dieſem Mohren- Kinde was erfuhr; welches denn/ als es die Fuͤrſtin mit tauſend Kuͤſſen geſegnet hatte/ bey ober wehnter Sidiniſchen Edel-Frauen/ die Dehnhofen einen tapffern Ritter zur Eh hat- te/ unter dem Scheine: daß es ein von ſeinem in Hiſpanien unter denen Celtiberiern angeſeſ- ſenem Bruder uͤberſchickter Knabe waͤre/ ruͤhm- lich und vielleicht beſſer/ als in ſeines Vaters Fuͤrſtlichem Hofe aufferzogen ward. Deñ beym Hofe-Leben kirret die Wolluſt der ſchaͤdliche Lock-Vogel mit ihren anmuthigen Beeren auch die beſten Gemuͤther in das Garn des Ver- terbens; und die Heucheley vermummet mit ihrer Larve alle Laſter: daß ſie fuͤr Tugenden gelten/ und verſchwiſtert gleichſam Himmel und Erde/ Sternen und Koth mit einander: daß ein junger Fuͤrſt zuweilen ſelbſt nicht weiß: Ob er auf dem Scheide-Wege dieſes irrſamen Lebens den guten oder irrigen Pfad erkieſet ha- be. Da doch bey einem jungen Fuͤrſten/ wel- cher kuͤnfftig ſoll ein untadelhafftes Muſter aller Unterthanen ſeyn/ diß/ was ihm zur Nahrung ſeiner Seele/ zur Staͤrckung ſeines Gemuͤthes beygebracht wird/ ſorgfaͤltiger/ als die Leibli- chen Speiſen ihrer Geſundheit und Schaͤdlig- keit halber zu unterſuchen ſind. Daher/ und weil die Natur ehe in ihren Wuͤrckungen irren/ als ein Fuͤrſt beſſere Unterthanen machen kan/ denn er ſelbſt iſt/ dieſelben aͤrger thun und mehr Boͤſes ſtifften/ die eines jungen Herrn boͤſen Neigungen den Zaum laſſen/ als welche einen gemeinen Brunn oder Roͤhr-Kaſten vergifften. Weil nun ſo wol Kinder/ als Pflantzen mehr nach der Beſchaffenheit ihrer Pflegung/ als nach dem Einfluſſe der Geburts-Sternen arthen; gerieth dieſer junge Fuͤrſt unter der Auffſicht eines von keiner uͤbermaͤßigen Liebe nicht verblaͤndeten Auffſehers/ zwiſchen dem Staube der Reñebahn/ uñ unter der heilſamen Laſt der ſchweißichten Waffen ſo wol: daß die- ſer Ritter ihn im achzehenden Jahre in die Fer- ne zu ſchicken und daſelbſt ſein Gluͤcke zu ſuchen fuͤr rathſam hielt. Ja ich weiß nicht: ob es durch eine beſondere Krafft der Elterlichen Zeugung/ oder durch ein beſonder Geluͤb de ſeiner Mutter geſchahe: daß in dieſem Knaben ſich die Schwaͤr- tze in braun/ die braune Farbe in gelbe; dieſe endlich in weiße nach und nach verwandelte; und kein Menſch ihn mehr fuͤr einen Auslaͤn- der angeſehen haben wuͤrde. Wie nun der Si- diniſche Edelmann ihn ritter maͤßig ausgeruͤ- ſtet/ ſeines kuͤnfftigen Verhaltens wegen vaͤter- lich verwarnigt; dieſer auch mit Ausdruͤckung aller Kindlichen Demuth Abſchied genommen hatte; eroͤffnete ihm dieſer Ritter zu guter letzte: Er waͤre ſein Vater nicht/ wie er ihm einbilde- te; ſondern ein groͤſſerer/ als er faſt wuͤnſchen moͤchte; gleichwol aber hielte er es ihm noch zur Zeit zu eroͤffnen nicht allerdings rathſam. Jn- zwiſchen waͤre ihm darmit genung geſagt: daß er nichts Unfuͤrſtliches fuͤrnehmen ſolte; wo er ſeinen Stand zu beflecken eine Abſcheu truͤge. Die in dem Meere von den geſaltzenen Wellen wol abgeſpielte Korallen behalten nach ihrer Abſonderung von der muͤtterlichen Wurtzel ih- re beſtaͤndige Farbe; ja uͤberkommen allererſt eine gleichſam felſene Haͤrte. Nicht anders er- gieng es mit dieſem jungen Gothoniſchen Fuͤr- ſten; welcher bey den Bojen durch ſeine Tapfer- keit anfangs einen hoben Ruhm der Tugend/ hernach gar die Koͤnigliche Tochter Hedwig er- warb; endlich aber mit dem Falle ſeines Schwaͤ- hers auch gleichſam wieder in ſeine erſte Nie- drigkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1215
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1151[1153]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1215>, abgerufen am 23.11.2024.