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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Fürstin Elißa redete ihr ein: Es wäre verant-
wortlicher beyde/ als eines/ beym Leben erhal-
ten; auch die nothwendige Entfernung eines
Kindes nichts weniger als ein Todschlag zu
nennen. Wie viel Kinder verlieren ihre Mütter
bald nach- oder auch für der Geburt; müsten al-
so nicht nur fremder Frauen/ sondern zuweiln
gar wilder Thiere Brüste saugen. Und ich/
versetzte Gertrud/ soll meine Brüste meinem
Kinde entziehen/ welche die barmhertzigen
Wölffe und Bären Menschen verleihen? Keine
andere Noth kan Mütter dieser ihrer Pflicht er-
lassen/ als der Tod/ welcher freylich alle Ver-
bindligkeit nicht nur gegen Menschen/ sondern
gar gegen GOtt aufhebt. Sintemahl unsere
Leichen weder iemanden dienen/ noch GOtt
verehren können. Ausser dieser Hindernüs aber
ist die nur eine halbe Mutter/ welche zwar ge-
bieret/ aber nicht säuget. Denn mit was für
Gewissen kan sie sich weigern mit ihrer Milch
zu unterhalten/ was sie lebendig für sich und
nach ihrer Nahrung lächeln siehet; Da sie nur
das unsichtbare mit ihrem Blute in ihren Ein-
geweiden speisete/ ehe sie noch wuste: Ob es ein
Kind oder eine Mißgeburt seyn würde. O ihr
grausamen Halb-Mütter! meinet ihr: daß die
Natur euch die Brüste nur zu Aepfeln der Wol-
lust/ zu Lock-Vögeln der Geilheit/ zu unfrucht-
barer Zierde der Brust habe wachsen lassen/
nicht vielmehr aber zu heiligen Lebens-Brun-
nen/ zu Wunder quellen/ für das noch ohnmäch-
tige menschlichte Geschlechte erschaffen habe?
Meinet ihr: daß es keine der Natur angefügte
Gewaltthat/ und weil es kein Wild thut/ ein
mehr als viehisches Beginnen sey/ wenn ihr
mit Binden und anderem abscheulichen Zwan-
ge die Röhren dieser Milch Quelle verstopffet/
die mütterlichen Adern austrocknet/ und um
nur schön und unverfallen zu bleiben/ das Ge-
blüte mit Gefahr des Lebens entweder erstecket/
oder auf einen Abweg zwinget? Jst es ein gros-
[Spaltenumbruch] ser Unter scheid: Ob ihr in euren Brüsten/ oder
in eurem Leibe die Fruchtbarkeit hindert/ ob ihr
dort den Unterhalt/ oder hier den Anfang eines
Kindes tödtet/ und mit abscheulichen Künsten
die empfangene Frucht/ weil sie noch unter der
grossen Künstlerin der Natur Händen und in
der Arbeit ist/ abtreibet/ wormit euer glatter
Bauch nur nicht runtzlicht und abhängend
werde/ und ihr keine Geburts-Schmertzen füh-
let? Elißa brach ein: Sie möchte ihr so schwere
Gedancken über dem nicht machen/ was nicht
nur die Erhaltung ihres Lebens/ sondern auch
ihrer Ehre unvermeidlich erforderte; ja was
die gütige Natur mehr mahls selbst zu thun kei-
ne Abscheu hätte; wenn sie entweder die Milch
in Brüsten versäugen/ oder einigen keine zur
Säugung nöthige Wartzen wachsen liesse. Die
gäntzliche Entziehung/ nicht aber die Verwech-
selung der Frauen-Milch wäre unverant-
wortlich; und ihrem Sohne nichts daran gele-
gen: Ob ihn seine eigene/ oder eine andere
Mutter tränckte; ja ihm vielleicht dienlicher:
daß er anderwerts alleine einer gantzen Amme/
als hier einer halben Mutter genüsse; Ger-
trud aber ihre mütterliche Freygebigkeit so viel
reichlicher gegen ihre Tochter mit Darreichung
beyder vollen Brüste ausüben könte; welche für
beyde Zwillinge eine zu sparsame Speise-Mei-
sterin abgeben dörffte. Nein/ nein/ antwortete
Gertrud. Darum hat die Natur nicht eine/ son-
dern zwey Brüste wachsen lassen: daß eine Mut-
ter mehr/ als ein Kind säugen könne. Und die/ wel-
che Kräften gehabt hat/ in Mutter leibe mehr/ als
eines mit ihrem Blute zu speisen/ darff an aus-
kommentlichem Milch-Vorrathe nicht zweifeln;
wo sie die reichliche Versorgerin die Natur nicht
zu einer kargen Stieff-Mutter machen will.
Da sie nun mich mit dem Reichthume zweyer
Kinder/ mit der Fruchtbarkeit zweyer von
Milch strutzender Brüste begabet hat/ welche
durch ihr Stechen ihre Begierde meine

Leibes-
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Fuͤrſtin Elißa redete ihr ein: Es waͤre verant-
wortlicher beyde/ als eines/ beym Leben erhal-
ten; auch die nothwendige Entfernung eines
Kindes nichts weniger als ein Todſchlag zu
nennen. Wie viel Kinder verlieren ihre Muͤtter
bald nach- oder auch fuͤr der Geburt; muͤſten al-
ſo nicht nur fremder Frauen/ ſondern zuweiln
gar wilder Thiere Bruͤſte ſaugen. Und ich/
verſetzte Gertrud/ ſoll meine Bruͤſte meinem
Kinde entziehen/ welche die barmhertzigen
Woͤlffe und Baͤren Menſchen verleihen? Keine
andere Noth kan Muͤtter dieſer ihrer Pflicht er-
laſſen/ als der Tod/ welcher freylich alle Ver-
bindligkeit nicht nur gegen Menſchen/ ſondern
gar gegen GOtt aufhebt. Sintemahl unſere
Leichen weder iemanden dienen/ noch GOtt
verehren koͤnnen. Auſſer dieſer Hindernuͤs aber
iſt die nur eine halbe Mutter/ welche zwar ge-
bieret/ aber nicht ſaͤuget. Denn mit was fuͤr
Gewiſſen kan ſie ſich weigern mit ihrer Milch
zu unterhalten/ was ſie lebendig fuͤr ſich und
nach ihrer Nahrung laͤcheln ſiehet; Da ſie nur
das unſichtbare mit ihrem Blute in ihren Ein-
geweiden ſpeiſete/ ehe ſie noch wuſte: Ob es ein
Kind oder eine Mißgeburt ſeyn wuͤrde. O ihr
grauſamen Halb-Muͤtter! meinet ihr: daß die
Natur euch die Bruͤſte nur zu Aepfeln der Wol-
luſt/ zu Lock-Voͤgeln der Geilheit/ zu unfrucht-
barer Zierde der Bruſt habe wachſen laſſen/
nicht vielmehr aber zu heiligen Lebens-Brun-
nen/ zu Wunder quellen/ fuͤr das noch ohnmaͤch-
tige menſchlichte Geſchlechte erſchaffen habe?
Meinet ihr: daß es keine der Natur angefuͤgte
Gewaltthat/ und weil es kein Wild thut/ ein
mehr als viehiſches Beginnen ſey/ wenn ihr
mit Binden und anderem abſcheulichen Zwan-
ge die Roͤhren dieſer Milch Quelle verſtopffet/
die muͤtterlichen Adern austrocknet/ und um
nur ſchoͤn und unverfallen zu bleiben/ das Ge-
bluͤte mit Gefahr des Lebens entweder erſtecket/
oder auf einen Abweg zwinget? Jſt es ein groſ-
[Spaltenumbruch] ſer Unter ſcheid: Ob ihr in euren Bruͤſten/ oder
in eurem Leibe die Fruchtbarkeit hindert/ ob ihr
dort den Unterhalt/ oder hier den Anfang eines
Kindes toͤdtet/ und mit abſcheulichen Kuͤnſten
die empfangene Frucht/ weil ſie noch unter der
groſſen Kuͤnſtlerin der Natur Haͤnden und in
der Arbeit iſt/ abtreibet/ wormit euer glatter
Bauch nur nicht runtzlicht und abhaͤngend
werde/ und ihr keine Geburts-Schmertzen fuͤh-
let? Elißa brach ein: Sie moͤchte ihr ſo ſchwere
Gedancken uͤber dem nicht machen/ was nicht
nur die Erhaltung ihres Lebens/ ſondern auch
ihrer Ehre unvermeidlich erforderte; ja was
die guͤtige Natur mehr mahls ſelbſt zu thun kei-
ne Abſcheu haͤtte; wenn ſie entweder die Milch
in Bruͤſten verſaͤugen/ oder einigen keine zur
Saͤugung noͤthige Wartzen wachſen lieſſe. Die
gaͤntzliche Entziehung/ nicht aber die Verwech-
ſelung der Frauen-Milch waͤre unverant-
wortlich; und ihrem Sohne nichts daran gele-
gen: Ob ihn ſeine eigene/ oder eine andere
Mutter traͤnckte; ja ihm vielleicht dienlicher:
daß er anderwerts alleine einer gantzen Amme/
als hier einer halben Mutter genuͤſſe; Ger-
trud aber ihre muͤtterliche Freygebigkeit ſo viel
reichlicher gegen ihre Tochter mit Darreichung
beyder vollen Bruͤſte ausuͤben koͤnte; welche fuͤr
beyde Zwillinge eine zu ſparſame Speiſe-Mei-
ſterin abgeben doͤrffte. Nein/ nein/ antwortete
Gertrud. Darum hat die Natur nicht eine/ ſon-
dern zwey Bruͤſte wachſen laſſen: daß eine Mut-
ter mehr/ als ein Kind ſaͤugen koͤñe. Und die/ wel-
che Kraͤften gehabt hat/ in Mutter leibe mehꝛ/ als
eines mit ihrem Blute zu ſpeiſen/ darff an aus-
kom̃entlichem Milch-Vorrathe nicht zweifeln;
wo ſie die reichliche Verſorgerin die Natur nicht
zu einer kargen Stieff-Mutter machen will.
Da ſie nun mich mit dem Reichthume zweyer
Kinder/ mit der Fruchtbarkeit zweyer von
Milch ſtrutzender Bruͤſte begabet hat/ welche
durch ihr Stechen ihre Begierde meine

Leibes-
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[1149[1151]/1213] Arminius und Thußnelda. Fuͤrſtin Elißa redete ihr ein: Es waͤre verant- wortlicher beyde/ als eines/ beym Leben erhal- ten; auch die nothwendige Entfernung eines Kindes nichts weniger als ein Todſchlag zu nennen. Wie viel Kinder verlieren ihre Muͤtter bald nach- oder auch fuͤr der Geburt; muͤſten al- ſo nicht nur fremder Frauen/ ſondern zuweiln gar wilder Thiere Bruͤſte ſaugen. Und ich/ verſetzte Gertrud/ ſoll meine Bruͤſte meinem Kinde entziehen/ welche die barmhertzigen Woͤlffe und Baͤren Menſchen verleihen? Keine andere Noth kan Muͤtter dieſer ihrer Pflicht er- laſſen/ als der Tod/ welcher freylich alle Ver- bindligkeit nicht nur gegen Menſchen/ ſondern gar gegen GOtt aufhebt. Sintemahl unſere Leichen weder iemanden dienen/ noch GOtt verehren koͤnnen. Auſſer dieſer Hindernuͤs aber iſt die nur eine halbe Mutter/ welche zwar ge- bieret/ aber nicht ſaͤuget. Denn mit was fuͤr Gewiſſen kan ſie ſich weigern mit ihrer Milch zu unterhalten/ was ſie lebendig fuͤr ſich und nach ihrer Nahrung laͤcheln ſiehet; Da ſie nur das unſichtbare mit ihrem Blute in ihren Ein- geweiden ſpeiſete/ ehe ſie noch wuſte: Ob es ein Kind oder eine Mißgeburt ſeyn wuͤrde. O ihr grauſamen Halb-Muͤtter! meinet ihr: daß die Natur euch die Bruͤſte nur zu Aepfeln der Wol- luſt/ zu Lock-Voͤgeln der Geilheit/ zu unfrucht- barer Zierde der Bruſt habe wachſen laſſen/ nicht vielmehr aber zu heiligen Lebens-Brun- nen/ zu Wunder quellen/ fuͤr das noch ohnmaͤch- tige menſchlichte Geſchlechte erſchaffen habe? Meinet ihr: daß es keine der Natur angefuͤgte Gewaltthat/ und weil es kein Wild thut/ ein mehr als viehiſches Beginnen ſey/ wenn ihr mit Binden und anderem abſcheulichen Zwan- ge die Roͤhren dieſer Milch Quelle verſtopffet/ die muͤtterlichen Adern austrocknet/ und um nur ſchoͤn und unverfallen zu bleiben/ das Ge- bluͤte mit Gefahr des Lebens entweder erſtecket/ oder auf einen Abweg zwinget? Jſt es ein groſ- ſer Unter ſcheid: Ob ihr in euren Bruͤſten/ oder in eurem Leibe die Fruchtbarkeit hindert/ ob ihr dort den Unterhalt/ oder hier den Anfang eines Kindes toͤdtet/ und mit abſcheulichen Kuͤnſten die empfangene Frucht/ weil ſie noch unter der groſſen Kuͤnſtlerin der Natur Haͤnden und in der Arbeit iſt/ abtreibet/ wormit euer glatter Bauch nur nicht runtzlicht und abhaͤngend werde/ und ihr keine Geburts-Schmertzen fuͤh- let? Elißa brach ein: Sie moͤchte ihr ſo ſchwere Gedancken uͤber dem nicht machen/ was nicht nur die Erhaltung ihres Lebens/ ſondern auch ihrer Ehre unvermeidlich erforderte; ja was die guͤtige Natur mehr mahls ſelbſt zu thun kei- ne Abſcheu haͤtte; wenn ſie entweder die Milch in Bruͤſten verſaͤugen/ oder einigen keine zur Saͤugung noͤthige Wartzen wachſen lieſſe. Die gaͤntzliche Entziehung/ nicht aber die Verwech- ſelung der Frauen-Milch waͤre unverant- wortlich; und ihrem Sohne nichts daran gele- gen: Ob ihn ſeine eigene/ oder eine andere Mutter traͤnckte; ja ihm vielleicht dienlicher: daß er anderwerts alleine einer gantzen Amme/ als hier einer halben Mutter genuͤſſe; Ger- trud aber ihre muͤtterliche Freygebigkeit ſo viel reichlicher gegen ihre Tochter mit Darreichung beyder vollen Bruͤſte ausuͤben koͤnte; welche fuͤr beyde Zwillinge eine zu ſparſame Speiſe-Mei- ſterin abgeben doͤrffte. Nein/ nein/ antwortete Gertrud. Darum hat die Natur nicht eine/ ſon- dern zwey Bruͤſte wachſen laſſen: daß eine Mut- ter mehr/ als ein Kind ſaͤugen koͤñe. Und die/ wel- che Kraͤften gehabt hat/ in Mutter leibe mehꝛ/ als eines mit ihrem Blute zu ſpeiſen/ darff an aus- kom̃entlichem Milch-Vorrathe nicht zweifeln; wo ſie die reichliche Verſorgerin die Natur nicht zu einer kargen Stieff-Mutter machen will. Da ſie nun mich mit dem Reichthume zweyer Kinder/ mit der Fruchtbarkeit zweyer von Milch ſtrutzender Bruͤſte begabet hat/ welche durch ihr Stechen ihre Begierde meine Leibes- F f f f f f f 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1149[1151]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1213>, abgerufen am 19.05.2024.