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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] stand des Volckes für sich haben. Ja der Fürst
selbst muß so wenig/ als die Augen in seiner
Wachsamkeit müde werden/ die hefftigen Ge-
müths-Regungen ihm keinen Nebel/ die Arg-
list keinen blauen Dunst für die Augen machen
lassen/ noch einerley Ding mit dem einen Auge
schwartz/ mit dem andern weiß anschauen; wo
eben die Augen nicht hernach diß beweinen sol-
len/ was sie vorher verkehrt an- oder gar über-
sehen haben. Weil aber die Warheit vor-
werts einem begegnet/ der Betrug aber uns auf
der Seite beykommen wil/ hat die Natur am
Haupte das Gesichte vor die Ohren seitwerts
zu Wächtern bestellt. Ein Fürst muß nichts
minder auf beyden Seiten wachsam seyn; und
wie die Ohren/ welche nicht wie die Augen mit
Augenliedern/ noch wie die ungezähmte Zunge
mit zweyerley Zäunen verschlossen werden kön-
nen/ sondern Tag und Nacht offen stehen/ ieder-
man und allezeit hören. Denn der ist nicht
werth/ daß er König ist/ dem das Hören ver-
drüßlich fällt. Wenn der gantze Leib schläfft/
halten die Ohren Schildwache/ um selbten für
der sich nähernden Gefahr zu warnigen. Ein
Fürst aber soll deßhalben wachen: daß die Un-
terthanen sicher ruhen können. Alle Thiere
heben und sencken ihre Ohren/ des Menschen
alleine sind unbeweglich und stets in einem
Stande. Ein Fürst soll iederzeit solche Aufacht
haben: daß selbter niemahls was beyzusetzen
sey/ noch er bey andräuender Gefahr die Ohren
spitzen dörffe/ und seine Feinde ihm niemahls
unvermuthet auf den Hals kommen/ wenn sie
gleich geschwinder/ als der Blitz loß schlagen.
Wiewol die Ohren nicht wie die Augen die
Sachen suchen/ sondern von den Sachen ge-
sucht werden/ stehen sie doch/ wie der Mund
mit zwey Mauern verschlossen ist/ mit zweyfa-
chen Pforten offen/ um die Dinge desto besser in
sich zu fassen/ weil diß/ was man siehet/ bestehet;
was man aber höret/ alsbald verschwindet. Ein
Fürst muß keine Ohrenbläser halten/ noch nach
[Spaltenumbruch] Ver gällung der Unschuld trachten; aber für
nichts/ was auch nur das leichte Geschrey sei-
nem Reiche gefährliches andeutet/ die Ohren
verstopffen; ja in allem zum minsten zweymal
so viel hören als reden. Weil aber unser Ge-
höre niemand anderm in die Augen und em-
pfindlich fällt; muß ein Fürst sich mehrmahls
anstellen; als wenn er nicht hörte/ und wegen
geringer Beleidigung sein Reich nicht in Krieg
verwickeln/ noch allenthalben mit der Stirne/
daran die Natur ihm nicht ohne Ursache/ wie
etlichen grimmigen Thieren kein Horn wach-
sen lassen/ durchfahren. Jnsonderheit aber muß
er nach Art der den Zauberer hörenden Schlan-
ge/ gegen die Heuchler bey Vernehmung un-
zeitigen Lobes das eine Ohr mit Erde in Erwe-
gung seiner irrdischen Unvollkommenheit/ bey
wollüstigen Anreitzungen aber das andere mit
dem Schwantze durch Behertzigung des heß-
lichen Endes zustopffen; und wissen: daß die
Wollust zwar ein Englisches Antlitz/ aber einen
Drachen-Schwantz habe; und ihr Anfang ein
Himmel/ ihr Ausgang eine Hölle sey. Die Na-
tur hat dem Menschen zwey Ohren/ und zwar
in Gestalt eines Jrrgartens oder Schnecken-
Hauses mit gekrümmten Eingängen gemacht;
wormit diß/ was er höret/ an unterschiedenen
Orten anschlage/ und derogestalt wie das Ertzt
aus dem Klange/ also die Erzehlungen aus
dem Schalle erkennet werden; insonderheit a-
ber ein Fürst/ als das lebendige Gesetze/ gegrün-
dete Anklagen von Verleumdungen/ redliche
Gemüths- Ausschüttung von betrüglichen
Schein-Worten unterscheiden/ und wenn die
Falschheit das eine Ohr besessen/ er das andere
der meist zuletzt kommenden/ und das Nachse-
hen habenden Warheit/ als eine unversehrliche
Jungfrau/ vorbehalten möge. Diesemnach
denn ein Fürst auch eine dinnschäli htere Nase/
als ein scharffrüchender Geyer haben/ und nicht
nur alles in seinem Reiche/ sondern biß in die
Staats-Cammern seiner Nachbarn rüchen;

keines

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſtand des Volckes fuͤr ſich haben. Ja der Fuͤrſt
ſelbſt muß ſo wenig/ als die Augen in ſeiner
Wachſamkeit muͤde werden/ die hefftigen Ge-
muͤths-Regungen ihm keinen Nebel/ die Arg-
liſt keinen blauen Dunſt fuͤr die Augen machen
laſſen/ noch einerley Ding mit dem einen Auge
ſchwartz/ mit dem andern weiß anſchauen; wo
eben die Augen nicht hernach diß beweinen ſol-
len/ was ſie vorher verkehrt an- oder gar uͤber-
ſehen haben. Weil aber die Warheit vor-
werts einem begegnet/ der Betrug aber uns auf
der Seite beykommen wil/ hat die Natur am
Haupte das Geſichte vor die Ohren ſeitwerts
zu Waͤchtern beſtellt. Ein Fuͤrſt muß nichts
minder auf beyden Seiten wachſam ſeyn; und
wie die Ohren/ welche nicht wie die Augen mit
Augenliedern/ noch wie die ungezaͤhmte Zunge
mit zweyerley Zaͤunen verſchloſſen werden koͤn-
nen/ ſondern Tag und Nacht offen ſtehen/ ieder-
man und allezeit hoͤren. Denn der iſt nicht
werth/ daß er Koͤnig iſt/ dem das Hoͤren ver-
druͤßlich faͤllt. Wenn der gantze Leib ſchlaͤfft/
halten die Ohren Schildwache/ um ſelbten fuͤr
der ſich naͤhernden Gefahr zu warnigen. Ein
Fuͤrſt aber ſoll deßhalben wachen: daß die Un-
terthanen ſicher ruhen koͤnnen. Alle Thiere
heben und ſencken ihre Ohren/ des Menſchen
alleine ſind unbeweglich und ſtets in einem
Stande. Ein Fuͤrſt ſoll iederzeit ſolche Aufacht
haben: daß ſelbter niemahls was beyzuſetzen
ſey/ noch er bey andraͤuender Gefahr die Ohren
ſpitzen doͤrffe/ und ſeine Feinde ihm niemahls
unvermuthet auf den Hals kommen/ wenn ſie
gleich geſchwinder/ als der Blitz loß ſchlagen.
Wiewol die Ohren nicht wie die Augen die
Sachen ſuchen/ ſondern von den Sachen ge-
ſucht werden/ ſtehen ſie doch/ wie der Mund
mit zwey Mauern verſchloſſen iſt/ mit zweyfa-
chen Pforten offen/ um die Dinge deſto beſſer in
ſich zu faſſen/ weil diß/ was man ſiehet/ beſtehet;
was man aber hoͤret/ alsbald verſchwindet. Ein
Fuͤrſt muß keine Ohrenblaͤſer halten/ noch nach
[Spaltenumbruch] Ver gaͤllung der Unſchuld trachten; aber fuͤr
nichts/ was auch nur das leichte Geſchrey ſei-
nem Reiche gefaͤhrliches andeutet/ die Ohren
verſtopffen; ja in allem zum minſten zweymal
ſo viel hoͤren als reden. Weil aber unſer Ge-
hoͤre niemand anderm in die Augen und em-
pfindlich faͤllt; muß ein Fuͤrſt ſich mehrmahls
anſtellen; als wenn er nicht hoͤrte/ und wegen
geringer Beleidigung ſein Reich nicht in Krieg
verwickeln/ noch allenthalben mit der Stirne/
daran die Natur ihm nicht ohne Urſache/ wie
etlichen grimmigen Thieren kein Horn wach-
ſen laſſen/ durchfahren. Jnſonderheit aber muß
er nach Art der den Zaubereꝛ hoͤrenden Schlan-
ge/ gegen die Heuchler bey Vernehmung un-
zeitigen Lobes das eine Ohr mit Erde in Erwe-
gung ſeiner irrdiſchen Unvollkommenheit/ bey
wolluͤſtigen Anreitzungen aber das andere mit
dem Schwantze durch Behertzigung des heß-
lichen Endes zuſtopffen; und wiſſen: daß die
Wolluſt zwar ein Engliſches Antlitz/ aber einen
Drachen-Schwantz habe; und ihr Anfang ein
Himmel/ ihr Ausgang eine Hoͤlle ſey. Die Na-
tur hat dem Menſchen zwey Ohren/ und zwar
in Geſtalt eines Jrrgartens oder Schnecken-
Hauſes mit gekruͤmmten Eingaͤngen gemacht;
wormit diß/ was er hoͤret/ an unterſchiedenen
Orten anſchlage/ und derogeſtalt wie das Ertzt
aus dem Klange/ alſo die Erzehlungen aus
dem Schalle erkennet werden; inſonderheit a-
ber ein Fuͤrſt/ als das lebendige Geſetze/ gegruͤn-
dete Anklagen von Verleumdungen/ redliche
Gemuͤths- Ausſchuͤttung von betruͤglichen
Schein-Worten unterſcheiden/ und wenn die
Falſchheit das eine Ohr beſeſſen/ er das andere
der meiſt zuletzt kommenden/ und das Nachſe-
hen habenden Warheit/ als eine unverſehrliche
Jungfrau/ vorbehalten moͤge. Dieſemnach
denn ein Fuͤrſt auch eine dinnſchaͤli htere Naſe/
als ein ſcharffruͤchender Geyer haben/ und nicht
nur alles in ſeinem Reiche/ ſondern biß in die
Staats-Cammern ſeiner Nachbarn ruͤchen;

keines
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1103[1105]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1167>, abgerufen am 19.05.2024.