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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] entsetzlichen Zufälle. Hätte Marbod/ dessen
Leib der Himmel nicht begreiffen würde/ wenn
er mit seinem Ehrsüchtigen Gemüthe gleicher
Grösse wäre/ sich nicht zum grösten Räuber der
Welt/ und einem Mörder seines Herren ge-
macht; so hätte das erreitzete Verhängnüß ihm
keinen so sauern Blick gegeben. Ein tugend-
hafft und vergnügliches Leben ist der sicherste
Ancker und der vollkommenste Glücks-Stern.
Wie tieffsinnig aber ist die Ehrsucht der Men-
schen um ihr selbst weh zu thun; wenn sie alle
Kreiße der Vergnügung übersteigt/ und alle
Augenblick ihr in den Gedancken eine so hohe
Glücks-Staffel fürbildet; die sie gar nicht/ oder
nur mit ihrer Einäscherung erreichen kan! Wie
zwinget sie ihr Verlangen so viel höher/ als ihre
Augen tragen/ und ihre Kräfften reichen. Ja
wenn ein Herrsch süchtiger auch schon den ersten
Tag auf dem Wagen der Sonne zu sitzen kä-
me; würde er doch Morgen schon in dem aller-
höchsten Kreiße die unbeweglichen Gestirne mit
seinen Füssen zermalmen wollen. Denn ehe man
sich einer Herrschafft bemächtiget/ scheinet eine
kleine groß/ nach ihrer Uberkommung aber
auch die gröste klein zu seyn. Dannenher GOtt
gar billich der menschlichen Unersättligkeit
durch so viel ohnmächtige Schwächen die Flü-
gel verschnitten und verhangen hat: daß ein
Knecht einem Fürsten offt zum Meister werde;
und eine Hand mit einem Funcken Feuer in ei-
nem Augenblicke verterben könne/ was hundert
tausend in hundert Jahren gebaut haben. Jhr
blinden Sterblichen! Wenn wird euch die Zeit
oder euer Nachdencken die Larve vom Gesichte
ziehen? wenn werdet ihr sehen: daß in der Tu-
gend/ nicht in eusserlichem Gepränge unsere
Glückseligkeit beruhe? daß wie viel leichter in
einem kleinen Zirckel unser Augen-Maß den
Mittel-Punct zu erkiesen wüste; also in nie-
drigem Stande ehe/ als auf denen geschwancken
Gipffeln hoher Würden die Ruhe des Gemü-
thes zu finden sey! Wenn werdet ihr das We-
[Spaltenumbruch] sen für den Schatten ergreiffen; und euer Ge-
müthe mit Kost/ nicht mit Winde speisen? Jst
es nicht Thorheit oder vielmehr Boßheit: daß
der Mensch den Glantz der Tugend/ welcher
die Stralen der Sonnen vertunckelt/ darum
verächtlich hält; weil selbter eine Selbststän-
digkeit zum Grunde hat; und sich mit der Blän-
dung der Laster vergnüget; weil sie das Nichts
der Eitelkeit zum Fusse haben. Die Weißheit
hält für das höchste/ wenn sie was ist; darmit a-
ber kein Gepränge macht/ sondern ihre Dia-
manten mit rauen Steinen/ ihren köstlichen
Kern mit geringen Schalen verhüllet. Was
nichts ist/ und nichts zu seyn scheinet/ wird bil-
lich von Tugend und Boßheit verworffen. Aber
in der Welt/ weil selbte voll von eitel leeren
Dingen ist/ und eitel Einwohner hat/ die nir-
gends weniger/ als in derselben wohnen/ hält
man für nichts/ was gleich scheinet/ und wahr-
hafftig etwas ist; hingegen für das voll kommen-
ste Wesen/ was nicht ist/ und nur einen Schein
hat/ als wenn es etwas wäre. Weil der Pape-
goy zu reden scheinet/ hencken ihn Könige in
güldenen Kefichten in ihre herrlichsten Zimmer/
und speisen ihn mit Zucker; wenn aber Epictet
einen Redner abgeben wil/ schleust man ihm
die eussersten Pforten für der Nase zu. Der
grosse Alexander fand zwar beym Diogenes die
Glücksoligkeit/ und sein Faß warff den Schat-
ten weit über die Egyptischen Spitz-Seulen;
dieser grosse Weltbezwinger aber wuste keinen
Glantz diesem armen Weisen beyzusetzen;
sondern er entzog ihm vielmehr die Stralen der
Sonnen/ und beeinträchtigte die Vergnügung
seiner Niedrigkeit. Wenn Marbod in seinem
ersten Stande blieben wäre/ oder mit mir in
dieser Höle gleich seine Vergnügung sehe; wür-
de er doch lieber nach der Lufft eiteler Ehre
schnappen/ und inwendig gerne ein grausames
Ungeheuer vieler Laster werden: daß er nur in
den Augen der Eitelen ein Wunderwerck der
Glücks-Kinder seyn möge. Es ist zu erbarmen:

daß

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] entſetzlichen Zufaͤlle. Haͤtte Marbod/ deſſen
Leib der Himmel nicht begreiffen wuͤrde/ wenn
er mit ſeinem Ehrſuͤchtigen Gemuͤthe gleicher
Groͤſſe waͤre/ ſich nicht zum groͤſten Raͤuber der
Welt/ und einem Moͤrder ſeines Herꝛen ge-
macht; ſo haͤtte das erreitzete Verhaͤngnuͤß ihm
keinen ſo ſauern Blick gegeben. Ein tugend-
hafft und vergnuͤgliches Leben iſt der ſicherſte
Ancker und der vollkommenſte Gluͤcks-Stern.
Wie tieffſinnig aber iſt die Ehrſucht der Men-
ſchen um ihr ſelbſt weh zu thun; wenn ſie alle
Kreiße der Vergnuͤgung uͤberſteigt/ und alle
Augenblick ihr in den Gedancken eine ſo hohe
Gluͤcks-Staffel fuͤrbildet; die ſie gar nicht/ oder
nur mit ihrer Einaͤſcherung erreichen kan! Wie
zwinget ſie ihr Verlangen ſo viel hoͤher/ als ihre
Augen tragen/ und ihre Kraͤfften reichen. Ja
wenn ein Herꝛſch ſuͤchtiger auch ſchon den erſten
Tag auf dem Wagen der Sonne zu ſitzen kaͤ-
me; wuͤrde er doch Morgen ſchon in dem aller-
hoͤchſten Kreiße die unbeweglichen Geſtirne mit
ſeinen Fuͤſſen zermalmen wollen. Deñ ehe man
ſich einer Herꝛſchafft bemaͤchtiget/ ſcheinet eine
kleine groß/ nach ihrer Uberkommung aber
auch die groͤſte klein zu ſeyn. Dannenher GOtt
gar billich der menſchlichen Unerſaͤttligkeit
durch ſo viel ohnmaͤchtige Schwaͤchen die Fluͤ-
gel verſchnitten und verhangen hat: daß ein
Knecht einem Fuͤrſten offt zum Meiſter werde;
und eine Hand mit einem Funcken Feuer in ei-
nem Augenblicke verterben koͤnne/ was hundert
tauſend in hundert Jahren gebaut haben. Jhr
blinden Sterblichen! Wenn wird euch die Zeit
oder euer Nachdencken die Larve vom Geſichte
ziehen? wenn werdet ihr ſehen: daß in der Tu-
gend/ nicht in euſſerlichem Gepraͤnge unſere
Gluͤckſeligkeit beruhe? daß wie viel leichter in
einem kleinen Zirckel unſer Augen-Maß den
Mittel-Punct zu erkieſen wuͤſte; alſo in nie-
drigem Stande ehe/ als auf denen geſchwancken
Gipffeln hoher Wuͤrden die Ruhe des Gemuͤ-
thes zu finden ſey! Wenn werdet ihr das We-
[Spaltenumbruch] ſen fuͤr den Schatten ergreiffen; und euer Ge-
muͤthe mit Koſt/ nicht mit Winde ſpeiſen? Jſt
es nicht Thorheit oder vielmehr Boßheit: daß
der Menſch den Glantz der Tugend/ welcher
die Stralen der Sonnen vertunckelt/ darum
veraͤchtlich haͤlt; weil ſelbter eine Selbſtſtaͤn-
digkeit zum Grunde hat; und ſich mit der Blaͤn-
dung der Laſter vergnuͤget; weil ſie das Nichts
der Eitelkeit zum Fuſſe haben. Die Weißheit
haͤlt fuͤr das hoͤchſte/ wenn ſie was iſt; darmit a-
ber kein Gepraͤnge macht/ ſondern ihre Dia-
manten mit rauen Steinen/ ihren koͤſtlichen
Kern mit geringen Schalen verhuͤllet. Was
nichts iſt/ und nichts zu ſeyn ſcheinet/ wird bil-
lich von Tugend und Boßheit verworffen. Aber
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Dingen iſt/ und eitel Einwohner hat/ die nir-
gends weniger/ als in derſelben wohnen/ haͤlt
man fuͤr nichts/ was gleich ſcheinet/ und wahr-
hafftig etwas iſt; hingegen fuͤr das voll kommen-
ſte Weſen/ was nicht iſt/ und nur einen Schein
hat/ als wenn es etwas waͤre. Weil der Pape-
goy zu reden ſcheinet/ hencken ihn Koͤnige in
guͤldenen Kefichten in ihre herꝛlichſten Zim̃er/
und ſpeiſen ihn mit Zucker; wenn aber Epictet
einen Redner abgeben wil/ ſchleuſt man ihm
die euſſerſten Pforten fuͤr der Naſe zu. Der
groſſe Alexander fand zwar beym Diogenes die
Gluͤckſoligkeit/ und ſein Faß warff den Schat-
ten weit uͤber die Egyptiſchen Spitz-Seulen;
dieſer groſſe Weltbezwinger aber wuſte keinen
Glantz dieſem armen Weiſen beyzuſetzen;
ſondern er entzog ihm vielmehr die Stralen der
Sonnen/ und beeintraͤchtigte die Vergnuͤgung
ſeiner Niedrigkeit. Wenn Marbod in ſeinem
erſten Stande blieben waͤre/ oder mit mir in
dieſer Hoͤle gleich ſeine Vergnuͤgung ſehe; wuͤr-
de er doch lieber nach der Lufft eiteler Ehre
ſchnappen/ und inwendig gerne ein grauſames
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Gluͤcks-Kinder ſeyn moͤge. Es iſt zu erbarmen:

daß
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1096[1098]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1160>, abgerufen am 19.05.2024.