Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
rer Schuld überwiege/ nicht zu entziehen. Al-leine der Haß gegen diesen Fürsten war in de- nen hartnäckichten Völckern derogestalt einge- wurtzelt; oder ihre Einbildung: Britton könte weder straffen noch zornig seyn/ verhärtete sie: daß sie allen Vergleich ausschlugen; sonderlich weil Britton nicht geraden Weges nach Cale- gia fortrückte/ sondern mit Einnehmung ande- rer geringern Oerter sich auffhielt/ und ins ge- mein mittelmäßige/ als die schädlichsten Ent- schlüssungen erkiesete; Da doch die Haupt- Städte das Hertze eines Reiches sind; welche allen andern Theilen gleichsam Geist und Le- ben geben. Daher wie ein Fürst sie nicht ohne eusserste Noth verlassen soll; also hat er alle Kräfften anzuspannen sich der Verlohrnen wieder zu bemächtigen; weil offt in einer Stadt das gantze verlohrne Reich erhalten/ oder mit ihr wieder gewonnen worden. Sintemahl auch in belebten Dingen nach Uberwältigung des Hauptes/ die andern Glieder sich für sich selbst legen. Als der Hermundurer Zustand derogestalt Kräntzen T t t t t t 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
rer Schuld uͤberwiege/ nicht zu entziehen. Al-leine der Haß gegen dieſen Fuͤrſten war in de- nen hartnaͤckichten Voͤlckern derogeſtalt einge- wurtzelt; oder ihre Einbildung: Britton koͤnte weder ſtraffen noch zornig ſeyn/ verhaͤrtete ſie: daß ſie allen Vergleich ausſchlugen; ſonderlich weil Britton nicht geraden Weges nach Cale- gia fortruͤckte/ ſondern mit Einnehmung ande- rer geringern Oerter ſich auffhielt/ und ins ge- mein mittelmaͤßige/ als die ſchaͤdlichſten Ent- ſchluͤſſungen erkieſete; Da doch die Haupt- Staͤdte das Hertze eines Reiches ſind; welche allen andern Theilen gleichſam Geiſt und Le- ben geben. Daher wie ein Fuͤrſt ſie nicht ohne euſſerſte Noth verlaſſen ſoll; alſo hat er alle Kraͤfften anzuſpannen ſich der Verlohrnen wieder zu bemaͤchtigen; weil offt in einer Stadt das gantze verlohrne Reich erhalten/ oder mit ihr wieder gewonnen worden. Sintemahl auch in belebten Dingen nach Uberwaͤltigung des Hauptes/ die andern Glieder ſich fuͤr ſich ſelbſt legen. Als der Hermundurer Zuſtand derogeſtalt Kraͤntzen T t t t t t 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1133" n="1069[1071]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/> rer Schuld uͤberwiege/ nicht zu entziehen. Al-<lb/> leine der Haß gegen dieſen Fuͤrſten war in de-<lb/> nen hartnaͤckichten Voͤlckern derogeſtalt einge-<lb/> wurtzelt; oder ihre Einbildung: Britton koͤnte<lb/> weder ſtraffen noch zornig ſeyn/ verhaͤrtete ſie:<lb/> daß ſie allen Vergleich ausſchlugen; ſonderlich<lb/> weil Britton nicht geraden Weges nach Cale-<lb/> gia fortruͤckte/ ſondern mit Einnehmung ande-<lb/> rer geringern Oerter ſich auffhielt/ und ins ge-<lb/> mein mittelmaͤßige/ als die ſchaͤdlichſten Ent-<lb/> ſchluͤſſungen erkieſete; Da doch die Haupt-<lb/> Staͤdte das Hertze eines Reiches ſind; welche<lb/> allen andern Theilen gleichſam Geiſt und Le-<lb/> ben geben. Daher wie ein Fuͤrſt ſie nicht ohne<lb/> euſſerſte Noth verlaſſen ſoll; alſo hat er alle<lb/> Kraͤfften anzuſpannen ſich der Verlohrnen<lb/> wieder zu bemaͤchtigen; weil offt in einer Stadt<lb/> das gantze verlohrne Reich erhalten/ oder mit<lb/> ihr wieder gewonnen worden. Sintemahl<lb/> auch in belebten Dingen nach Uberwaͤltigung<lb/> des Hauptes/ die andern Glieder ſich fuͤr ſich<lb/> ſelbſt legen.</p><lb/> <p>Als der Hermundurer Zuſtand derogeſtalt<lb/> ziemlich ins Gedrange bracht ward/ kam Mar-<lb/> bod von Rom in ſein Vaterland zu Hauſe. Die-<lb/> ſer Marbod war eines Marckmaͤnniſchen E-<lb/> delmannes/ nehmlich des Flavius Sohn/ wel-<lb/> cher in dem Zuge des Antonius wieder die Par-<lb/> then ſo groſſe Heldenthaten ausgeuͤbt/ und fuͤr<lb/> der Roͤmer Wolfarth ſein Leben ritterlich auff-<lb/> geſetzt/ vorher aber ſich unter dem Ventidius<lb/> ſchon in ſo groſſes Anſehen geſetzt hatte: daß<lb/> ihm der Parthiſche Fuͤrſt Moneſes zu Larißa/<lb/> welche Stadt nebſt Arethuſa und Hierapolis<lb/> ihm vom Antonius geſchenckt war/ ſeine Toch-<lb/> ter vermaͤhlte. Welche Freundſchafft denn auch<lb/> hernach dem Antonius zu wege brachte: daß ihr<lb/> Bruder Marius ein Parthiſcher Feld-Ober-<lb/> ſter durch ſeine treue Warnigungen denen Roͤ-<lb/> mern aus dem unzweiffelbaren Untergange<lb/> halff. Marbod war nur ein Kind von zwey<lb/> Jahren/ als ſein Vater Flavius blieb/ ward alſo<lb/><cb/> von ſeines Vaters Bruder mit ſeiner Mutter in<lb/> Deutſchland geſchickt/ und in allerhand Kriegs-<lb/> Ubungen erzogen. Wie er aber nur ſechzehn<lb/> Jahr alt war/ begab er ſich unter der Catten<lb/> Kriegs-Volck/ welches wieder den Vinicius<lb/> in Gallien zoh. Die groſſe Hitze der Jugend/<lb/> und die Begierde der Ehre verleitete ihn aber:<lb/> daß er bey allzu eivriger Verfolgung der Roͤmi-<lb/> ſchen Reuterey gefangen ward. Nach dem aber<lb/> Vinicius erfuhr: daß er des ſo hoch verdienten<lb/> Flavius Sohn waͤre/ beſchenckte er ihn mit ei-<lb/> nem Arabiſchen Pferde/ einer verguͤldeten Ruͤ-<lb/> ſtung/ und ſchickte ihn dem deutſchen Feldhaupt-<lb/> manne zuruͤck. Dieſe Wolthat reitzte den ruhm-<lb/> ſichtigen Marbod: daß nach geſchloſſenem deut-<lb/> ſchen Frieden er ſich als ein freywilliger in das<lb/> Roͤmiſche Kriegs-Heer begab/ welches Agrip-<lb/> pa wieder die Cantabrer in Hiſpanien fuͤhrte.<lb/> Daſelbſt zeigte er durch vielfaͤltige tapffere und<lb/> kluge Thaten: daß der Apffel nicht weit von ſei-<lb/> nem Stamme gefallen/ er alſo ein wuͤrdiger<lb/> Sohn des behertzten Flavius waͤre. Jnſon-<lb/> derheit erſtieg er des Nachts eine Spitze des<lb/> Medulliſchen Gebuͤrges/ in welchem ſich die<lb/> Cantabrer verhauen/ Agrippa ſie aber mit ei-<lb/> nem Graben funffzehn Meilen im Umkreiße<lb/> beſchloſſen hatte; von welchem ſie nicht alleine<lb/> mit dem Geſchoß hefftig beſchaͤdiget/ ſondern<lb/> auch alle ihr Beginnen uͤberſehen werden kon-<lb/> ten. Dahero die Cantabrer auch nach dieſem<lb/> Verluſte/ worbey einer ihrer zweyen Haͤupter<lb/> vom Marbod eigenhaͤndig erlegt worden war/<lb/> ſich alſofort ſelbſt verzweiffelnde aufrieben; A-<lb/> grippa aber den Marbod mit nach Rom nahm/<lb/> und ihn beym Kayſer derogeſtalt einliebte: daß<lb/> er ihm das Roͤmiſche Buͤrger-Recht verlieh/ und<lb/> auf dem Feyer der Tugend und der Ehren/ an<lb/> welchem er Agrippens zwey Soͤhne Cajus und<lb/> Lucius zu Kindern annahm/ in dem von dem<lb/> Marius nach dem Cimbriſchen Siege der Tu-<lb/> gend und Ehre gebautem Heiligthume/ von de-<lb/> nen um des Marius Bild geflochtenen Lorber-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">T t t t t t 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Kraͤntzen</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1069[1071]/1133]
Arminius und Thußnelda.
rer Schuld uͤberwiege/ nicht zu entziehen. Al-
leine der Haß gegen dieſen Fuͤrſten war in de-
nen hartnaͤckichten Voͤlckern derogeſtalt einge-
wurtzelt; oder ihre Einbildung: Britton koͤnte
weder ſtraffen noch zornig ſeyn/ verhaͤrtete ſie:
daß ſie allen Vergleich ausſchlugen; ſonderlich
weil Britton nicht geraden Weges nach Cale-
gia fortruͤckte/ ſondern mit Einnehmung ande-
rer geringern Oerter ſich auffhielt/ und ins ge-
mein mittelmaͤßige/ als die ſchaͤdlichſten Ent-
ſchluͤſſungen erkieſete; Da doch die Haupt-
Staͤdte das Hertze eines Reiches ſind; welche
allen andern Theilen gleichſam Geiſt und Le-
ben geben. Daher wie ein Fuͤrſt ſie nicht ohne
euſſerſte Noth verlaſſen ſoll; alſo hat er alle
Kraͤfften anzuſpannen ſich der Verlohrnen
wieder zu bemaͤchtigen; weil offt in einer Stadt
das gantze verlohrne Reich erhalten/ oder mit
ihr wieder gewonnen worden. Sintemahl
auch in belebten Dingen nach Uberwaͤltigung
des Hauptes/ die andern Glieder ſich fuͤr ſich
ſelbſt legen.
Als der Hermundurer Zuſtand derogeſtalt
ziemlich ins Gedrange bracht ward/ kam Mar-
bod von Rom in ſein Vaterland zu Hauſe. Die-
ſer Marbod war eines Marckmaͤnniſchen E-
delmannes/ nehmlich des Flavius Sohn/ wel-
cher in dem Zuge des Antonius wieder die Par-
then ſo groſſe Heldenthaten ausgeuͤbt/ und fuͤr
der Roͤmer Wolfarth ſein Leben ritterlich auff-
geſetzt/ vorher aber ſich unter dem Ventidius
ſchon in ſo groſſes Anſehen geſetzt hatte: daß
ihm der Parthiſche Fuͤrſt Moneſes zu Larißa/
welche Stadt nebſt Arethuſa und Hierapolis
ihm vom Antonius geſchenckt war/ ſeine Toch-
ter vermaͤhlte. Welche Freundſchafft denn auch
hernach dem Antonius zu wege brachte: daß ihr
Bruder Marius ein Parthiſcher Feld-Ober-
ſter durch ſeine treue Warnigungen denen Roͤ-
mern aus dem unzweiffelbaren Untergange
halff. Marbod war nur ein Kind von zwey
Jahren/ als ſein Vater Flavius blieb/ ward alſo
von ſeines Vaters Bruder mit ſeiner Mutter in
Deutſchland geſchickt/ und in allerhand Kriegs-
Ubungen erzogen. Wie er aber nur ſechzehn
Jahr alt war/ begab er ſich unter der Catten
Kriegs-Volck/ welches wieder den Vinicius
in Gallien zoh. Die groſſe Hitze der Jugend/
und die Begierde der Ehre verleitete ihn aber:
daß er bey allzu eivriger Verfolgung der Roͤmi-
ſchen Reuterey gefangen ward. Nach dem aber
Vinicius erfuhr: daß er des ſo hoch verdienten
Flavius Sohn waͤre/ beſchenckte er ihn mit ei-
nem Arabiſchen Pferde/ einer verguͤldeten Ruͤ-
ſtung/ und ſchickte ihn dem deutſchen Feldhaupt-
manne zuruͤck. Dieſe Wolthat reitzte den ruhm-
ſichtigen Marbod: daß nach geſchloſſenem deut-
ſchen Frieden er ſich als ein freywilliger in das
Roͤmiſche Kriegs-Heer begab/ welches Agrip-
pa wieder die Cantabrer in Hiſpanien fuͤhrte.
Daſelbſt zeigte er durch vielfaͤltige tapffere und
kluge Thaten: daß der Apffel nicht weit von ſei-
nem Stamme gefallen/ er alſo ein wuͤrdiger
Sohn des behertzten Flavius waͤre. Jnſon-
derheit erſtieg er des Nachts eine Spitze des
Medulliſchen Gebuͤrges/ in welchem ſich die
Cantabrer verhauen/ Agrippa ſie aber mit ei-
nem Graben funffzehn Meilen im Umkreiße
beſchloſſen hatte; von welchem ſie nicht alleine
mit dem Geſchoß hefftig beſchaͤdiget/ ſondern
auch alle ihr Beginnen uͤberſehen werden kon-
ten. Dahero die Cantabrer auch nach dieſem
Verluſte/ worbey einer ihrer zweyen Haͤupter
vom Marbod eigenhaͤndig erlegt worden war/
ſich alſofort ſelbſt verzweiffelnde aufrieben; A-
grippa aber den Marbod mit nach Rom nahm/
und ihn beym Kayſer derogeſtalt einliebte: daß
er ihm das Roͤmiſche Buͤrger-Recht verlieh/ und
auf dem Feyer der Tugend und der Ehren/ an
welchem er Agrippens zwey Soͤhne Cajus und
Lucius zu Kindern annahm/ in dem von dem
Marius nach dem Cimbriſchen Siege der Tu-
gend und Ehre gebautem Heiligthume/ von de-
nen um des Marius Bild geflochtenen Lorber-
Kraͤntzen
T t t t t t 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |