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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und wie ieder unter ihnen freudig zu erzehlen
wuste/ wo einer und der andere getroffen; wo
es am schärffsten hergegangen; wo die Römer
am ersten gewichen; wo Segesthes gefallen
wäre; also geriethen sie endlich auch auff die
Stelle/ wo sich Qvintilius Varus verzweiffeln-
de selbst hingerichtet hatte/ funden aber daselbst
zwey Römische Kriegsknechte/ welche eine Gru-
be zuscharreten/ und auff bedräuliche Befra-
gung um ihr Vornehmen/ zur Antwort ga-
ben: Sie wären in der Schlacht von empfan-
gen Wunden für todt liegen blieben/ als sie aber
nach ihrer Ohnmacht wieder zu sich selbst kom-
men wären/ hätten sie den zwar enthaupteten
Leib ihres Feldherrn erkennet/ und ihrer Pflicht
zu seyn erachtet/ theils mit etlichen zerbrochenen
Degen/ theils mit ihren eigenen Nägeln ein
Grab zu scharren/ und/ nachdem auch die A-
meisen und Bienen ihre Todten begrüben/ ihn
zu beerdigen. Die Fürsten lobten zwar ihre
Frömmigkeit; sonderlich/ da sie für Schwach-
heit wegen des so viel weggelassenen Blutes
nicht selbst auff den Füssen zu stehen vermochten;
Fürst Sesitach aber war der erste/ der dem Fein-
de diese Begräbnüß-Ehre zu gönnen wider-
rieth. Als sie nun befehlicht worden den Leich-
nam wieder auszugraben/ versetzte einer unter
ihnen Mustonius: die Feinde pflegten ja auch
den Todten eine Hand voll Erde den Hafen
deß entseelten Leibes zu gönnen. Die Heleer
hätten für unmenschlich und für eine Verletzung
des Völckerrechts gehalten/ wenn man die tod-
ten Feinde nicht begrübe. Bey denen Atheni-
ensern wären die Heerführer zum Tode ver-
dammet worden/ die solches unterlassen; wo-
durch Chabrias seine unterlassene Verfolgung
der geschlagenen Spartaner entschuldiget; Und
der sonst von Natur so grausame Hannibal hät-
te die Römer sorgfältig beerdigen lassen. Die
Deutschen würden sich mit dem Schandflecke
der Parther und Nabatheer zuversichtlich nicht
beflecken/ welche aller wohl gesitteten Völcker
[Spaltenumbruch] Fluch verdienten/ daß die ersten die Magen
der Wölffe und Raubvögel zu Särgen ihrer
Todten werden liessen/ und hernach erst die nack-
ten Gebeine begrüben; die andern aber ihre Lei-
chen den Misthauffen wiedmeten. Auch trau-
ten sie ihnen nicht zu/ daß sie/ wie die Scythen/
des Varus Leiche zum verspeisen verlangten.
Des grossen Alexanders Vater hätte dadurch
seinen Ruhm nicht wenig verkleinert/ daß er
nicht nur die Gefangenen/ sondern auch die er-
schlagenen Thebaner verkaufft/ und auff ihre
Begräbniße einen Zoll geschlagen. Wolten
sie denen andern todten Römern die Ruhe im
Grabe nicht gönnen/ solten sie solche doch einem
Römischen Bürgermeister und Feldherrn nicht
verweigern. Und da ihn seine Würde dessen
nicht fähig machte/ hätte er solches durch seine
letzte Großmüthigkeit nichts minder als De-
mosthenes verdient; welcher von den sonst so sehr
erbitterten Syracusiern nur deßwegen ehrlich
begraben worden wäre/ daß er nach verlohrnem
Kriegs-Heere mehr Hertz als Nicias bezeuget/
indem er durch sein eigen Schwerdt ihm selbst
vom Leben und aus der Dienstbarkeit geholffen.
Auch wäre des Varus Leiche dieser wenige
Sand so vielweniger zu mißgönnen/ nachdem
ihm ohnediß nicht die letzte Pflicht nach Römi-
scher Art durch Einäscherung des Leibes ge-
schehen könte. Sesitach fuhr den Mustonius
an/ Varus wäre der Erde nicht werth/ und sie
solten alsofort ihn ausscharren. Zumahl diese
Einscharrung ohne diß nicht den Römern ge-
mäß seyn solte. Hätte doch Sylla bey Anien
des Marius Asche nicht unbeirret gelassen/ son-
dern auffs schimpfflichste zerstreuet. Diesem
begegnete der andere Römer Qvintus Julius
Posthumus/ des berühmten Landvogts in Dal-
matien Sohn: Die Verbrennung wäre bey
den Römern keine unveränderliche Nothwen-
digkeit. Das edle Geschlechte der Cornelier
hätte ausser dem Sylla sich unversehrt in die
frische Erde legen lassen. Sie hätten weder

so viel

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und wie ieder unter ihnen freudig zu erzehlen
wuſte/ wo einer und der andere getroffen; wo
es am ſchaͤrffſten hergegangen; wo die Roͤmer
am erſten gewichen; wo Segeſthes gefallen
waͤre; alſo geriethen ſie endlich auch auff die
Stelle/ wo ſich Qvintilius Varus verzweiffeln-
de ſelbſt hingerichtet hatte/ funden aber daſelbſt
zwey Roͤmiſche Kriegsknechte/ welche eine Gru-
be zuſcharreten/ und auff bedraͤuliche Befra-
gung um ihr Vornehmen/ zur Antwort ga-
ben: Sie waͤren in der Schlacht von empfan-
gen Wunden fuͤr todt liegen blieben/ als ſie aber
nach ihrer Ohnmacht wieder zu ſich ſelbſt kom-
men waͤren/ haͤtten ſie den zwar enthaupteten
Leib ihres Feldherrn erkennet/ und ihrer Pflicht
zu ſeyn erachtet/ theils mit etlichen zerbrochenen
Degen/ theils mit ihren eigenen Naͤgeln ein
Grab zu ſcharren/ und/ nachdem auch die A-
meiſen und Bienen ihre Todten begruͤben/ ihn
zu beerdigen. Die Fuͤrſten lobten zwar ihre
Froͤmmigkeit; ſonderlich/ da ſie fuͤr Schwach-
heit wegen des ſo viel weggelaſſenen Blutes
nicht ſelbſt auff den Fuͤſſen zu ſtehen vermochten;
Fuͤrſt Seſitach aber war der erſte/ der dem Fein-
de dieſe Begraͤbnuͤß-Ehre zu goͤnnen wider-
rieth. Als ſie nun befehlicht worden den Leich-
nam wieder auszugraben/ verſetzte einer unter
ihnen Muſtonius: die Feinde pflegten ja auch
den Todten eine Hand voll Erde den Hafen
deß entſeelten Leibes zu goͤnnen. Die Heleer
haͤtten fuͤr unmenſchlich und fuͤr eine Verletzung
des Voͤlckerrechts gehalten/ wenn man die tod-
ten Feinde nicht begruͤbe. Bey denen Atheni-
enſern waͤren die Heerfuͤhrer zum Tode ver-
dammet worden/ die ſolches unterlaſſen; wo-
durch Chabrias ſeine unterlaſſene Verfolgung
der geſchlagenen Spartaner entſchuldiget; Und
der ſonſt von Natur ſo grauſame Hannibal haͤt-
te die Roͤmer ſorgfaͤltig beerdigen laſſen. Die
Deutſchen wuͤrden ſich mit dem Schandflecke
der Parther und Nabatheer zuverſichtlich nicht
beflecken/ welche aller wohl geſitteten Voͤlcker
[Spaltenumbruch] Fluch verdienten/ daß die erſten die Magen
der Woͤlffe und Raubvoͤgel zu Saͤrgen ihrer
Todten werden lieſſen/ und hernach erſt die nack-
ten Gebeine begruͤben; die andern aber ihre Lei-
chen den Miſthauffen wiedmeten. Auch trau-
ten ſie ihnen nicht zu/ daß ſie/ wie die Scythen/
des Varus Leiche zum verſpeiſen verlangten.
Des groſſen Alexanders Vater haͤtte dadurch
ſeinen Ruhm nicht wenig verkleinert/ daß er
nicht nur die Gefangenen/ ſondern auch die er-
ſchlagenen Thebaner verkaufft/ und auff ihre
Begraͤbniße einen Zoll geſchlagen. Wolten
ſie denen andern todten Roͤmern die Ruhe im
Grabe nicht goͤnnen/ ſolten ſie ſolche doch einem
Roͤmiſchen Buͤrgermeiſter und Feldherrn nicht
verweigern. Und da ihn ſeine Wuͤrde deſſen
nicht faͤhig machte/ haͤtte er ſolches durch ſeine
letzte Großmuͤthigkeit nichts minder als De-
moſthenes verdient; welcher von den ſonſt ſo ſehr
erbitterten Syracuſiern nur deßwegen ehrlich
begraben worden waͤre/ daß er nach verlohrnem
Kriegs-Heere mehr Hertz als Nicias bezeuget/
indem er durch ſein eigen Schwerdt ihm ſelbſt
vom Leben und aus der Dienſtbarkeit geholffen.
Auch waͤre des Varus Leiche dieſer wenige
Sand ſo vielweniger zu mißgoͤnnen/ nachdem
ihm ohnediß nicht die letzte Pflicht nach Roͤmi-
ſcher Art durch Einaͤſcherung des Leibes ge-
ſchehen koͤnte. Seſitach fuhr den Muſtonius
an/ Varus waͤre der Erde nicht werth/ und ſie
ſolten alſofort ihn ausſcharren. Zumahl dieſe
Einſcharrung ohne diß nicht den Roͤmern ge-
maͤß ſeyn ſolte. Haͤtte doch Sylla bey Anien
des Marius Aſche nicht unbeirret gelaſſen/ ſon-
dern auffs ſchimpfflichſte zerſtreuet. Dieſem
begegnete der andere Roͤmer Qvintus Julius
Poſthumus/ des beruͤhmten Landvogts in Dal-
matien Sohn: Die Verbrennung waͤre bey
den Roͤmern keine unveraͤnderliche Nothwen-
digkeit. Das edle Geſchlechte der Cornelier
haͤtte auſſer dem Sylla ſich unverſehrt in die
friſche Erde legen laſſen. Sie haͤtten weder

ſo viel
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/111>, abgerufen am 02.05.2024.