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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] ihre geringe Wohnungen/ brachten ihre beste
Sachen in die mit vielen Sümpffen umgebe-
ne Wälder; und fügten den Römern/ welche
sich unterstunden die verhauenen Forste zu öff-
nen/ grossen Schaden zu; also: daß sie endlich
ihnen die Freyheit lassen/ und mit ihnen einen
billichen Vergleich treffen musten.

Unterdessen stand Deutschland noch in vol-
ler Verwirrung; und nichts minder die Hertzen
voller Rachgier/ als das Land voller Kriegs-
Flamme. Der Gottesdienst war zwar der Vor-
wand; das Absehen aber seiner Fürsten war die
Ober-Herrschafft. Das Volck ward hierüber
theils mit gäntzlichem Unglauben/ theils mit A-
berglauben eingenommen; welcher letzte die
Seele übersüchtig macht/ der erste aber sie gar
verbländet. Die klügsten entzogen bey dieser
Verwirrung dem Vaterlande so wol ihre Ach-
seln/ als ihre Rathschläge; wiewol diese Ent-
ziehung so gefährlich als anderer Anmassung
war. Die bürgerliche Zwytracht hob an vie-
len Orten den nöthigen Unterschied der Gebie-
tenden und Gehorchenden auf; also: daß diese
sich wieder jene/ wie zu Rom an dem Feyer des
Saturnus die Knechte über ihre Herren der
Bothmäßigkeit anmasten. Der Feldherr Her-
tzog Aembrich selbst gerieth bey vielen in so
schlechtes Ansehen: daß etliche Pannonische
Ritter ihn in seinem Zimmer übertraten; und
ihm die Wiederruffung seiner wieder die Eu-
bagen gemachten Schlüsse aufdringen wolten.
Jhrer viel unter denen Grossen umarmeten sich
mit den Aemptern seiner Hoheit/ wie die Gri-
chen an dem Plyntherischen Feyer mit den Bil-
dern der Minerva und wie die wütenden Prie-
ster des Kriegs-Gotts/ welche an seinem Feyer
zu Rom wie thumme Leute mit den Ancilischen
Schulden herum schwärmten. Mit einem
Worte: das Gewebe der Herrschafft in Deutsch-
land war derogestalt verfitzet: daß es weder der
kluge Feldherr/ noch iemand anders durch or-
dentliche Mittel zu vernichten fähig war. Er er-
kennte sodenn allererst/ wie viel er durch Lin-
[Spaltenumbruch] digkeit gefehlet; da er auf Beschwerführung
der Ubier und anderer Bundsgenossen seinen
Feld-Obersten Terbal seiner Aempter entsetzt
hatte; und daß ein Fürst ihm selbst ein Auge
ausreisse/ wenn er einen in Treue und Klug-
heit lange geprüfften Diener von sich läst. Da-
her er diesen verstossenen nunmehr gleichsam
wieder alle Gesetze der Staats-Klugheit; ja fast
mit unverschränckter Gewalt seinem Kriegs-
Heere fürsetzen muste. Denn ob zwar dieser
kluge Fürst wol verstand: daß man seinen Die-
ner zum Gefährten seiner Bemühungen/ nicht
aber seiner Würde machen/ ihn mit seinem
Schatten bedecken/ nicht aber mit seinem
Purpur umhüllen/ am wenigsten aber man
mit seinem Diener verbindliche Bedingungen
machen/ ihn aller künfftigen Rechenschafft zu-
vor aus erlassen/ und denen Unter gebenen ihre
Zuflucht an den Fürsten verschrencken solte; so
war doch nicht so wol die Klugheit/ als die Noth
dißmahl das Gesetze der Zeit/ und eine Richt-
schnur seiner Entschlüssung. Terbal besiegelte
auch alsobald seine Treue mit einem glücklichen
Anfange; da er nemlich den König Ariovist/
welcher bey denen Hermundurern sein ver-
schantztes Läger stürmte/ mit grossem Verlust
abtrieb. Beyde grosse Kriegs-Machten ka-
men hierauf nicht ferne von der Elbe abermals
an einander. Denn ob wol der Feldherr Aem-
brich daselbst in Eil um sein Heer einen zweyfa-
chen Graben aufwerffen ließ; so trieb doch den
König Ariovist die Rachgier wegen vorigen
Verlustes/ Gotarten das Vertrauen auff sein
Glücke/ und die Tapfferkeit seines so vieler
Siege gewohnten Kriegs-Heeres/ den Hertzog
Briton das Verlangen die feindliche Macht
ausser seinen Ländern zu bringen dahin: daß sie
das Cheruskische Heer/ ungeachtet des für sich
habenden grossen Vortheils/ gleichsam ver-
zweiffelt angrieffen. Zu ihrem grossen Unglücke
aber ward der allzuhitzige Fürst Gotart an dem
andern Graben von einem Burischen Ritter

bald

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] ihre geringe Wohnungen/ brachten ihre beſte
Sachen in die mit vielen Suͤmpffen umgebe-
ne Waͤlder; und fuͤgten den Roͤmern/ welche
ſich unterſtunden die verhauenen Forſte zu oͤff-
nen/ groſſen Schaden zu; alſo: daß ſie endlich
ihnen die Freyheit laſſen/ und mit ihnen einen
billichen Vergleich treffen muſten.

Unterdeſſen ſtand Deutſchland noch in vol-
ler Verwirrung; und nichts minder die Hertzen
voller Rachgier/ als das Land voller Kriegs-
Flamme. Der Gottesdienſt war zwar der Vor-
wand; das Abſehen aber ſeiner Fuͤrſten war die
Ober-Herꝛſchafft. Das Volck ward hieruͤber
theils mit gaͤntzlichem Unglauben/ theils mit A-
berglauben eingenommen; welcher letzte die
Seele uͤberſuͤchtig macht/ der erſte aber ſie gar
verblaͤndet. Die kluͤgſten entzogen bey dieſer
Verwirrung dem Vaterlande ſo wol ihre Ach-
ſeln/ als ihre Rathſchlaͤge; wiewol dieſe Ent-
ziehung ſo gefaͤhrlich als anderer Anmaſſung
war. Die buͤrgerliche Zwytracht hob an vie-
len Orten den noͤthigen Unterſchied der Gebie-
tenden und Gehorchenden auf; alſo: daß dieſe
ſich wieder jene/ wie zu Rom an dem Feyer des
Saturnus die Knechte uͤber ihre Herren der
Bothmaͤßigkeit anmaſten. Der Feldherꝛ Her-
tzog Aembrich ſelbſt gerieth bey vielen in ſo
ſchlechtes Anſehen: daß etliche Pannoniſche
Ritter ihn in ſeinem Zimmer uͤbertraten; und
ihm die Wiederruffung ſeiner wieder die Eu-
bagen gemachten Schluͤſſe aufdringen wolten.
Jhrer viel unter denen Groſſen umarmeten ſich
mit den Aemptern ſeiner Hoheit/ wie die Gri-
chen an dem Plyntheriſchen Feyer mit den Bil-
dern der Minerva und wie die wuͤtenden Prie-
ſter des Kriegs-Gotts/ welche an ſeinem Feyer
zu Rom wie thumme Leute mit den Anciliſchen
Schulden herum ſchwaͤrmten. Mit einem
Worte: das Gewebe der Herꝛſchafft in Deutſch-
land war derogeſtalt verfitzet: daß es weder der
kluge Feldherꝛ/ noch iemand anders durch or-
dentliche Mittel zu vernichten faͤhig war. Er er-
kennte ſodenn allererſt/ wie viel er durch Lin-
[Spaltenumbruch] digkeit gefehlet; da er auf Beſchwerfuͤhrung
der Ubier und anderer Bundsgenoſſen ſeinen
Feld-Oberſten Terbal ſeiner Aempter entſetzt
hatte; und daß ein Fuͤrſt ihm ſelbſt ein Auge
ausreiſſe/ wenn er einen in Treue und Klug-
heit lange gepruͤfften Diener von ſich laͤſt. Da-
her er dieſen verſtoſſenen nunmehr gleichſam
wieder alle Geſetze der Staats-Klugheit; ja faſt
mit unverſchraͤnckter Gewalt ſeinem Kriegs-
Heere fuͤrſetzen muſte. Denn ob zwar dieſer
kluge Fuͤrſt wol verſtand: daß man ſeinen Die-
ner zum Gefaͤhrten ſeiner Bemuͤhungen/ nicht
aber ſeiner Wuͤrde machen/ ihn mit ſeinem
Schatten bedecken/ nicht aber mit ſeinem
Purpur umhuͤllen/ am wenigſten aber man
mit ſeinem Diener verbindliche Bedingungen
machen/ ihn aller kuͤnfftigen Rechenſchafft zu-
vor aus erlaſſen/ und denen Unter gebenen ihre
Zuflucht an den Fuͤrſten verſchrencken ſolte; ſo
war doch nicht ſo wol die Klugheit/ als die Noth
dißmahl das Geſetze der Zeit/ und eine Richt-
ſchnur ſeiner Entſchluͤſſung. Terbal beſiegelte
auch alſobald ſeine Treue mit einem gluͤcklichen
Anfange; da er nemlich den Koͤnig Arioviſt/
welcher bey denen Hermundurern ſein ver-
ſchantztes Laͤger ſtuͤrmte/ mit groſſem Verluſt
abtrieb. Beyde groſſe Kriegs-Machten ka-
men hierauf nicht ferne von der Elbe abermals
an einander. Denn ob wol der Feldherꝛ Aem-
brich daſelbſt in Eil um ſein Heer einen zweyfa-
chen Graben aufwerffen ließ; ſo trieb doch den
Koͤnig Arioviſt die Rachgier wegen vorigen
Verluſtes/ Gotarten das Vertrauen auff ſein
Gluͤcke/ und die Tapfferkeit ſeines ſo vieler
Siege gewohnten Kriegs-Heeres/ den Hertzog
Briton das Verlangen die feindliche Macht
auſſer ſeinen Laͤndern zu bringen dahin: daß ſie
das Cheruskiſche Heer/ ungeachtet des fuͤr ſich
habenden groſſen Vortheils/ gleichſam ver-
zweiffelt angrieffen. Zu ihrem groſſen Ungluͤcke
aber ward der allzuhitzige Fuͤrſt Gotart an dem
andern Graben von einem Buriſchen Ritter

bald
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1018[1020]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1082>, abgerufen am 23.11.2024.