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Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.

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Dem Frauen-Zimmer steh't hingegen etwas frey/
Was uns verbothen ist. Jch meines: Acte sey/
Die sich am sichersten des Werck's darf unterstehen/
Act. Jch ärmste! Sol für euch aus Vorwitz unter gehen?
115.Das Ampt heisch't diß von euch. Wer in der Würde steh't/
Muß reden/ was er sol.
Senec. Wenn sich ein Fürst ver-
geh't/
Muß man mit gutter Arth/ nicht mit zu scharffer Stren-
ge
Von Lastern ihn zih'n ab. Ein Löwe/ der zu enge
Gefässelt wird/ bricht Stahl und Keficht morsch ent-
zwey.
120.Ein edles Pferd mach't sich von Zaum und Zügel frey/
Der ihn zu harte drück't. Sie aber kan verhütten
Die That/ und darf doch nicht des Käysers Gunst ver-
schütten.
Sie melde: Daß die Schaar/ die umb den Fürsten wacht/
Zu Aufruhr sey geneig't/ aus eyferndem Verdacht:
125.Daß Agrippine mit dem Sohne sich beflecke/
Weil sie so heimlich stets bey ihm im Zimmer stecke:
Und also schätzten sie des Käyserthum's nicht werth
Kein so entweyhtes Haupt.
Act. Weil ihr es ja begehr't/
Wil ich auf euer Wort des Werckes mich erkühnen.
130.
Burrh. Es wird dir zu viel Ruhm/ uns zur Vergnügung
dienen.
Der Schauplatz verändert sich in des
Käysers Schlaff-Gemach.
Agrippina. Nero.
Agrip. Mein Kind/ mein süsses Licht/ was hällt'stu länger
mir
Der halb geschmeckten Lust mehr reiffe Früchte für?
Die Libe die sich noch läß't in den Augen wigen/
Lä'ßt sich mit lauer Milch der Küsse zwar vergnügen:
135.Wenn aber schon diß Kind biß zu der Seele wächs't/
So
D 2
Dem Frauen-Zimmer ſteh’t hingegen etwas frey/
Was uns verbothen iſt. Jch meines: Acte ſey/
Die ſich am ſicherſten des Werck’s darf unterſtehen/
Act. Jch aͤrmſte! Sol fuͤr euch aus Vorwitz unter gehen?
115.Das Ampt heiſch’t diß von euch. Wer in der Wuͤrde ſteh’t/
Muß reden/ was er ſol.
Senec. Wenn ſich ein Fuͤrſt ver-
geh’t/
Muß man mit gutter Arth/ nicht mit zu ſcharffer Stren-
ge
Von Laſtern ihn zih’n ab. Ein Loͤwe/ der zu enge
Gefaͤſſelt wird/ bricht Stahl und Keficht morſch ent-
zwey.
120.Ein edles Pferd mach’t ſich von Zaum und Zuͤgel frey/
Der ihn zu harte druͤck’t. Sie aber kan verhuͤtten
Die That/ und darf doch nicht des Kaͤyſers Gunſt ver-
ſchuͤtten.
Sie melde: Daß die Schaar/ die umb den Fuͤrſten wacht/
Zu Aufruhr ſey geneig’t/ aus eyferndem Verdacht:
125.Daß Agrippine mit dem Sohne ſich beflecke/
Weil ſie ſo heimlich ſtets bey ihm im Zimmer ſtecke:
Und alſo ſchaͤtzten ſie des Kaͤyſerthum’s nicht werth
Kein ſo entweyhtes Haupt.
Act. Weil ihr es ja begehr’t/
Wil ich auf euer Wort des Werckes mich erkuͤhnen.
130.
Burrh. Es wird dir zu viel Ruhm/ uns zur Vergnuͤgung
dienen.
Der Schauplatz veraͤndert ſich in des
Kaͤyſers Schlaff-Gemach.
Agrippina. Nero.
Agrip. Mein Kind/ mein ſuͤſſes Licht/ was haͤllt’ſtu laͤnger
mir
Der halb geſchmeckten Luſt mehr reiffe Fruͤchte fuͤr?
Die Libe die ſich noch laͤß’t in den Augen wigen/
Laͤ’ßt ſich mit lauer Milch der Kuͤſſe zwar vergnuͤgen:
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D 2
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[51./0069] Dem Frauen-Zimmer ſteh’t hingegen etwas frey/ Was uns verbothen iſt. Jch meines: Acte ſey/ Die ſich am ſicherſten des Werck’s darf unterſtehen/ Act. Jch aͤrmſte! Sol fuͤr euch aus Vorwitz unter gehen? Das Ampt heiſch’t diß von euch. Wer in der Wuͤrde ſteh’t/ Muß reden/ was er ſol. Senec. Wenn ſich ein Fuͤrſt ver- geh’t/ Muß man mit gutter Arth/ nicht mit zu ſcharffer Stren- ge Von Laſtern ihn zih’n ab. Ein Loͤwe/ der zu enge Gefaͤſſelt wird/ bricht Stahl und Keficht morſch ent- zwey. Ein edles Pferd mach’t ſich von Zaum und Zuͤgel frey/ Der ihn zu harte druͤck’t. Sie aber kan verhuͤtten Die That/ und darf doch nicht des Kaͤyſers Gunſt ver- ſchuͤtten. Sie melde: Daß die Schaar/ die umb den Fuͤrſten wacht/ Zu Aufruhr ſey geneig’t/ aus eyferndem Verdacht: Daß Agrippine mit dem Sohne ſich beflecke/ Weil ſie ſo heimlich ſtets bey ihm im Zimmer ſtecke: Und alſo ſchaͤtzten ſie des Kaͤyſerthum’s nicht werth Kein ſo entweyhtes Haupt. Act. Weil ihr es ja begehr’t/ Wil ich auf euer Wort des Werckes mich erkuͤhnen. Burrh. Es wird dir zu viel Ruhm/ uns zur Vergnuͤgung dienen. Der Schauplatz veraͤndert ſich in des Kaͤyſers Schlaff-Gemach. Agrippina. Nero. Agrip. Mein Kind/ mein ſuͤſſes Licht/ was haͤllt’ſtu laͤnger mir Der halb geſchmeckten Luſt mehr reiffe Fruͤchte fuͤr? Die Libe die ſich noch laͤß’t in den Augen wigen/ Laͤ’ßt ſich mit lauer Milch der Kuͤſſe zwar vergnuͤgen: Wenn aber ſchon diß Kind biß zu der Seele waͤchſ’t/ So D 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 51.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/69>, abgerufen am 01.05.2024.