Logau, Friedrich von: Deutscher Sinn-Getichte Drey Tausend. Breslau. 1654.Erstes Hundert. 89. Auff Pudibundam. Pudibunda, wie sie spricht/ Ehret hoch deß Tages Licht/ Wer mit jhres Leibes Gaben Noch für Nachtes sich wil laben/ Muß sich mühen daß er macht/ Wenn es Mittag/ Mitternacht; Kan er sonst nicht Rath erfinden Muß er jhr das Haupt verbinden: Manchem kummt es/ ders geneust Daß sie selbst die Augen schleust. 90. Neunerley Fragen/ vnd neunerley Antwort. 1. Wie kümmt es/ daß die Welt im argen ist versuncken? Sie ließ den rechten Weg vnd gieng nur nach geduncken. 2. Wie kümmt es/ daß die Zeit nicht wil gebessert werden? Die Menschen in der Zeit verbösern die Geberden. 3. Wie kümmt es/ daß die Last der Noth die Welt so drucket? Sie jsset jetzund auß/ was sie vor eingebrocket. 4. Wie daß vns Rath vnd That so wenig wil erspriessen? Drum daß/ wie wir von GOtt/ GOtt nichts von vns wil wissen. 5. Wie daß sich die Fortun so plötzlich hat gewandelt? Weil der/ der sie bekam/ sie übel hat gehandelt. 6. Wie kömmt es/ daß jetzund die Bösen oben schweben? Wer höchlich fallen soll/ den muß man hoch erheben. 7. Wie kümmt es/ daß jetzund die Frommen vnten liegen? Sie kämpffen mit Gefahr/ mit Ehren drauff zu siegen. 8. Wie daß vns wil die Zucht zur Sicherheit gelaugen? Dieweil der letzte Tag die Welt wil ehstes fangen. 9. Kümmt C
Erſtes Hundert. 89. Auff Pudibundam. Pudibunda, wie ſie ſpricht/ Ehret hoch deß Tages Licht/ Wer mit jhres Leibes Gaben Noch fuͤr Nachtes ſich wil laben/ Muß ſich muͤhen daß er macht/ Wenn es Mittag/ Mitternacht; Kan er ſonſt nicht Rath erfinden Muß er jhr das Haupt verbinden: Manchem kum̃t es/ ders geneuſt Daß ſie ſelbſt die Augen ſchleuſt. 90. Neunerley Fragen/ vnd neunerley Antwort. 1. Wie kuͤm̃t es/ daß die Welt im argen iſt verſuncken? Sie ließ den rechten Weg vnd gieng nur nach geduncken. 2. Wie kuͤm̃t es/ daß die Zeit nicht wil gebeſſert werden? Die Menſchen in der Zeit verboͤſern die Geberden. 3. Wie kuͤm̃t es/ daß die Laſt der Noth die Welt ſo drucket? Sie jſſet jetzund auß/ was ſie vor eingebrocket. 4. Wie daß vns Rath vnd That ſo wenig wil erſprieſſen? Drum daß/ wie wir von GOtt/ GOtt nichts von vns wil wiſſen. 5. Wie daß ſich die Fortun ſo ploͤtzlich hat gewandelt? Weil der/ der ſie bekam/ ſie uͤbel hat gehandelt. 6. Wie koͤm̃t es/ daß jetzund die Boͤſen oben ſchweben? Wer hoͤchlich fallen ſoll/ den muß man hoch erheben. 7. Wie kuͤm̃t es/ daß jetzund die Frommen vnten liegen? Sie kaͤmpffen mit Gefahr/ mit Ehren drauff zu ſiegen. 8. Wie daß vns wil die Zucht zur Sicherheit gelaugen? Dieweil der letzte Tag die Welt wil ehſtes fangen. 9. Kuͤm̃t C
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Erſtes Hundert.
89.
Auff Pudibundam.
Pudibunda, wie ſie ſpricht/
Ehret hoch deß Tages Licht/
Wer mit jhres Leibes Gaben
Noch fuͤr Nachtes ſich wil laben/
Muß ſich muͤhen daß er macht/
Wenn es Mittag/ Mitternacht;
Kan er ſonſt nicht Rath erfinden
Muß er jhr das Haupt verbinden:
Manchem kum̃t es/ ders geneuſt
Daß ſie ſelbſt die Augen ſchleuſt.
90.
Neunerley Fragen/ vnd neunerley
Antwort.
1. Wie kuͤm̃t es/ daß die Welt im argen iſt verſuncken?
Sie ließ den rechten Weg vnd gieng nur nach geduncken.
2. Wie kuͤm̃t es/ daß die Zeit nicht wil gebeſſert werden?
Die Menſchen in der Zeit verboͤſern die Geberden.
3. Wie kuͤm̃t es/ daß die Laſt der Noth die Welt ſo drucket?
Sie jſſet jetzund auß/ was ſie vor eingebrocket.
4. Wie daß vns Rath vnd That ſo wenig wil erſprieſſen?
Drum daß/ wie wir von GOtt/ GOtt nichts von vns wil
wiſſen.
5. Wie daß ſich die Fortun ſo ploͤtzlich hat gewandelt?
Weil der/ der ſie bekam/ ſie uͤbel hat gehandelt.
6. Wie koͤm̃t es/ daß jetzund die Boͤſen oben ſchweben?
Wer hoͤchlich fallen ſoll/ den muß man hoch erheben.
7. Wie kuͤm̃t es/ daß jetzund die Frommen vnten liegen?
Sie kaͤmpffen mit Gefahr/ mit Ehren drauff zu ſiegen.
8. Wie daß vns wil die Zucht zur Sicherheit gelaugen?
Dieweil der letzte Tag die Welt wil ehſtes fangen.
9. Kuͤm̃t
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