Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910.Genuß von Bier und Wein verzichten, Ihren Konsum auf einzelne Tage beschränken und in sehr bescheidenen Grenzen halten. Daß dadurch die Freuden der studentischen Geselligkeit geschmälert werden müßten, ist eine völlig ungerechtfertigte Annahme. "Jugend", sagt Goethe, "ist Rausch ohne Wein". Sie bedürfen nicht des verdummenden Einflusses der Alcoholica, um sich in eine gesellige Stimmung zu versetzen. Sie besitzen in Ihrer Jugend, Ihrer Bildung und Ihren freundschaftlichen Beziehungen zu gleichgesinnten Kameraden genügende Quellen geistiger Anregung. Sie müssen aber ferner in jenen Zeiten, in welchen besonders hohe Anforderungen an Ihre geistige Arbeitskraft gestellt werden, in der Zeit der Vorbereitung für ein Examen, sich des Alkoholgenusses dauernd und gänzlich enthalten. Es ist dies keine allzu schwere Aufgabe und eine Aufgabe, der Sie gerecht werden müssen, wenn Sie den Anforderungen Ihrer gegenwärtigen und künftigen Stellung genügen und Ihre Gesundheit ungeschmälert erhalten wollen. Sie dürfen eben nicht übersehen, daß die gemütlichen Zeiten des Studentenlebens schon lange vorüber sind. Auch der Student wird heutzutage von dem Kampf ums Dasein, von dem Drucke einer stetig sich steigernden Konkurrenz sehr bedeutend berührt. Die Fortschritte in allen Wissenschaften bedingen es, daß das wissenschaftliche Material, das der Student sich anzueignen hat, wächst, und damit die Prüfungsanforderungen zunehmen. Dazu kommen die mißlichen Verhältnisse, welche die enorme Überfüllung der gelehrten Berufe im Laufe der Jahre mit sich gebracht haben. In der gewaltig gesteigerten Konkurrenz hat der weniger Befähigte und weniger Unterrichtete ungleich geringere Chancen als früher, eine befriedigende Stellung zu erlangen. Für die Juristen hat der den Bedarf weit übersteigende Nachwuchs bereits die Folge gehabt, daß Maßnahmen als notwendig erachtet wurden, die auf eine stärkere Auslese der Kandidaten durch die Examina abzielen. Nach verbürgten Nachrichten sollen diejenigen, welche die dritte Note im Staatskonkurs erhalten, künftig als durchgefallen gelten, was eine außerordentliche Verschärfung der Examensanforderungen bedeuten würde.*) Sie sehen, daß große und in Zukunft noch steigende Ansprüche an Ihre Arbeitskraft gestellt werden und Sie daher allen Grund haben, diese als ein kostbares Gut zu betrachten, das Sie sich ungeschmälert erhalten müssen. Dies kann aber nur dadurch geschehen, daß Sie sich nicht mit der landläufigen Mäßigkeit in alcoholicis begnügen, sondern sich entweder zur Abstinenz oder wenigstens zu der von mir angedeuteten Beschränkung des Alkoholkonsums entschließen. Die Durchführung dieses *) Inzwischen ist der Ministerialerlaß, der die in Frage stehende Änderung in der Notenbewertung betrifft, publiziert worden.
Genuß von Bier und Wein verzichten, Ihren Konsum auf einzelne Tage beschränken und in sehr bescheidenen Grenzen halten. Daß dadurch die Freuden der studentischen Geselligkeit geschmälert werden müßten, ist eine völlig ungerechtfertigte Annahme. „Jugend“, sagt Goethe, „ist Rausch ohne Wein“. Sie bedürfen nicht des verdummenden Einflusses der Alcoholica, um sich in eine gesellige Stimmung zu versetzen. Sie besitzen in Ihrer Jugend, Ihrer Bildung und Ihren freundschaftlichen Beziehungen zu gleichgesinnten Kameraden genügende Quellen geistiger Anregung. Sie müssen aber ferner in jenen Zeiten, in welchen besonders hohe Anforderungen an Ihre geistige Arbeitskraft gestellt werden, in der Zeit der Vorbereitung für ein Examen, sich des Alkoholgenusses dauernd und gänzlich enthalten. Es ist dies keine allzu schwere Aufgabe und eine Aufgabe, der Sie gerecht werden müssen, wenn Sie den Anforderungen Ihrer gegenwärtigen und künftigen Stellung genügen und Ihre Gesundheit ungeschmälert erhalten wollen. Sie dürfen eben nicht übersehen, daß die gemütlichen Zeiten des Studentenlebens schon lange vorüber sind. Auch der Student wird heutzutage von dem Kampf ums Dasein, von dem Drucke einer stetig sich steigernden Konkurrenz sehr bedeutend berührt. Die Fortschritte in allen Wissenschaften bedingen es, daß das wissenschaftliche Material, das der Student sich anzueignen hat, wächst, und damit die Prüfungsanforderungen zunehmen. Dazu kommen die mißlichen Verhältnisse, welche die enorme Überfüllung der gelehrten Berufe im Laufe der Jahre mit sich gebracht haben. In der gewaltig gesteigerten Konkurrenz hat der weniger Befähigte und weniger Unterrichtete ungleich geringere Chancen als früher, eine befriedigende Stellung zu erlangen. Für die Juristen hat der den Bedarf weit übersteigende Nachwuchs bereits die Folge gehabt, daß Maßnahmen als notwendig erachtet wurden, die auf eine stärkere Auslese der Kandidaten durch die Examina abzielen. Nach verbürgten Nachrichten sollen diejenigen, welche die dritte Note im Staatskonkurs erhalten, künftig als durchgefallen gelten, was eine außerordentliche Verschärfung der Examensanforderungen bedeuten würde.*) Sie sehen, daß große und in Zukunft noch steigende Ansprüche an Ihre Arbeitskraft gestellt werden und Sie daher allen Grund haben, diese als ein kostbares Gut zu betrachten, das Sie sich ungeschmälert erhalten müssen. Dies kann aber nur dadurch geschehen, daß Sie sich nicht mit der landläufigen Mäßigkeit in alcoholicis begnügen, sondern sich entweder zur Abstinenz oder wenigstens zu der von mir angedeuteten Beschränkung des Alkoholkonsums entschließen. Die Durchführung dieses *) Inzwischen ist der Ministerialerlaß, der die in Frage stehende Änderung in der Notenbewertung betrifft, publiziert worden.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="22"/> Genuß von Bier und Wein verzichten, Ihren Konsum auf einzelne Tage beschränken und in sehr bescheidenen Grenzen halten. Daß dadurch die Freuden der studentischen Geselligkeit geschmälert werden müßten, ist eine völlig ungerechtfertigte Annahme. „Jugend“, sagt Goethe, „ist Rausch ohne Wein“. Sie bedürfen nicht des verdummenden Einflusses der <foreign xml:lang="la"><hi rendition="#aq">Alcoholica</hi></foreign>, um sich in eine gesellige Stimmung zu versetzen. Sie besitzen in Ihrer Jugend, Ihrer Bildung und Ihren freundschaftlichen Beziehungen zu gleichgesinnten Kameraden genügende Quellen geistiger Anregung. Sie müssen aber ferner in jenen Zeiten, in welchen besonders hohe Anforderungen an Ihre geistige Arbeitskraft gestellt werden, in der Zeit der Vorbereitung für ein Examen, sich des Alkoholgenusses dauernd und gänzlich enthalten. Es ist dies keine allzu schwere Aufgabe und eine Aufgabe, der Sie gerecht werden müssen, wenn Sie den Anforderungen Ihrer gegenwärtigen und künftigen Stellung genügen und Ihre Gesundheit ungeschmälert erhalten wollen. Sie dürfen eben nicht übersehen, daß die gemütlichen Zeiten des Studentenlebens schon lange vorüber sind. Auch der Student wird heutzutage von dem Kampf ums Dasein, von dem Drucke einer stetig sich steigernden Konkurrenz sehr bedeutend berührt. Die Fortschritte in allen Wissenschaften bedingen es, daß das wissenschaftliche Material, das der Student sich anzueignen hat, wächst, und damit die Prüfungsanforderungen zunehmen. Dazu kommen die mißlichen Verhältnisse, welche die enorme Überfüllung der gelehrten Berufe im Laufe der Jahre mit sich gebracht haben. In der gewaltig gesteigerten Konkurrenz hat der weniger Befähigte und weniger Unterrichtete ungleich geringere Chancen als früher, eine befriedigende Stellung zu erlangen.</p> <p>Für die Juristen hat der den Bedarf weit übersteigende Nachwuchs bereits die Folge gehabt, daß Maßnahmen als notwendig erachtet wurden, die auf eine stärkere Auslese der Kandidaten durch die Examina abzielen. Nach verbürgten Nachrichten sollen diejenigen, welche die dritte Note im Staatskonkurs erhalten, künftig als durchgefallen gelten, was eine außerordentliche Verschärfung der Examensanforderungen bedeuten würde.<note place="foot" n="*)">Inzwischen ist der Ministerialerlaß, der die in Frage stehende Änderung in der Notenbewertung betrifft, publiziert worden.</note> Sie sehen, daß große und in Zukunft noch steigende Ansprüche an Ihre Arbeitskraft gestellt werden und Sie daher allen Grund haben, diese als ein kostbares Gut zu betrachten, das Sie sich ungeschmälert erhalten müssen. Dies kann aber nur dadurch geschehen, daß Sie sich nicht mit der landläufigen Mäßigkeit in <foreign xml:lang="la"><hi rendition="#aq">alcoholicis</hi></foreign> begnügen, sondern sich entweder zur Abstinenz oder wenigstens zu der von mir angedeuteten Beschränkung des Alkoholkonsums entschließen. Die Durchführung dieses </p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0024]
Genuß von Bier und Wein verzichten, Ihren Konsum auf einzelne Tage beschränken und in sehr bescheidenen Grenzen halten. Daß dadurch die Freuden der studentischen Geselligkeit geschmälert werden müßten, ist eine völlig ungerechtfertigte Annahme. „Jugend“, sagt Goethe, „ist Rausch ohne Wein“. Sie bedürfen nicht des verdummenden Einflusses der Alcoholica, um sich in eine gesellige Stimmung zu versetzen. Sie besitzen in Ihrer Jugend, Ihrer Bildung und Ihren freundschaftlichen Beziehungen zu gleichgesinnten Kameraden genügende Quellen geistiger Anregung. Sie müssen aber ferner in jenen Zeiten, in welchen besonders hohe Anforderungen an Ihre geistige Arbeitskraft gestellt werden, in der Zeit der Vorbereitung für ein Examen, sich des Alkoholgenusses dauernd und gänzlich enthalten. Es ist dies keine allzu schwere Aufgabe und eine Aufgabe, der Sie gerecht werden müssen, wenn Sie den Anforderungen Ihrer gegenwärtigen und künftigen Stellung genügen und Ihre Gesundheit ungeschmälert erhalten wollen. Sie dürfen eben nicht übersehen, daß die gemütlichen Zeiten des Studentenlebens schon lange vorüber sind. Auch der Student wird heutzutage von dem Kampf ums Dasein, von dem Drucke einer stetig sich steigernden Konkurrenz sehr bedeutend berührt. Die Fortschritte in allen Wissenschaften bedingen es, daß das wissenschaftliche Material, das der Student sich anzueignen hat, wächst, und damit die Prüfungsanforderungen zunehmen. Dazu kommen die mißlichen Verhältnisse, welche die enorme Überfüllung der gelehrten Berufe im Laufe der Jahre mit sich gebracht haben. In der gewaltig gesteigerten Konkurrenz hat der weniger Befähigte und weniger Unterrichtete ungleich geringere Chancen als früher, eine befriedigende Stellung zu erlangen.
Für die Juristen hat der den Bedarf weit übersteigende Nachwuchs bereits die Folge gehabt, daß Maßnahmen als notwendig erachtet wurden, die auf eine stärkere Auslese der Kandidaten durch die Examina abzielen. Nach verbürgten Nachrichten sollen diejenigen, welche die dritte Note im Staatskonkurs erhalten, künftig als durchgefallen gelten, was eine außerordentliche Verschärfung der Examensanforderungen bedeuten würde. *) Sie sehen, daß große und in Zukunft noch steigende Ansprüche an Ihre Arbeitskraft gestellt werden und Sie daher allen Grund haben, diese als ein kostbares Gut zu betrachten, das Sie sich ungeschmälert erhalten müssen. Dies kann aber nur dadurch geschehen, daß Sie sich nicht mit der landläufigen Mäßigkeit in alcoholicis begnügen, sondern sich entweder zur Abstinenz oder wenigstens zu der von mir angedeuteten Beschränkung des Alkoholkonsums entschließen. Die Durchführung dieses
*) Inzwischen ist der Ministerialerlaß, der die in Frage stehende Änderung in der Notenbewertung betrifft, publiziert worden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von gutenberg.org.
(2013-03-18T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-03-18T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-03-18T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |