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Löhe, Wilhelm: Erste Predigt zu Neuendettelsau, gehalten am 11. Sonntag nach Trinitatis 6. August 1837. Nürnberg, 1873.

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gewinnen. Hört, Brüder, wenn ich wüßte, wo eine solche hangende, bangende, nach Gottes seligmachendem Wort hungernde und dürstende Seele ist: ich bin ein Mensch, dem nichts, was gut ist, zuzutrauen aus eigner Kraft, aber ich hoffe, der Geist meines Erzhirten würde mich über Berge und Thäler treiben, einer solchen Seele das erwünschte Himmelsbrot des göttlichen Wortes zuzutragen - - warum sollte ich nicht einer solchen Seele dienen, die unter der mir anvertrauten Herde sich befindet? Gebet euch nur zu erkennen, ihr Hungrigen am Geiste, mein HErr will euch durch mich speisen, - ihr Kranken am Geiste, lasset mich nur euern Zustand merken, die Arzenei des barmherzigen Samariters ist bereit, - - - ihr Mühseligen und Beladenen allzumal, höret nur Gottes Wort; ihr wisset ja: "Selig sind, die Gottes Wort hören;" - wo es mit Inbrunst und Andacht gehört wird, da fehlt auf die Länge der Segen nicht; denn Seine Verheißungen trügen nicht!

3) Indes lasset uns unsern Text etwas genauer ansehen; er lautet nicht: "Selig sind, die Gottes Wort hören," sondern er hat einen Zusatz, der nicht vergessen werden darf: "Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren." Was hilfts, wenn ich einen Schatz finde, und vergesse ihn oder lasse mir ihn wieder entwenden? Ebenso - was hilft es, Gottes Wort zu hören, wofern man es nicht bewahrt? Am Bewahren liegt viel, ja am Ende liegt fast alles dran. Gottes Wort bewahrt man, wie jedes Wort, im Gedächtnis; aber was hilft es, etwas im Gedächtnis zu bewahren, wenn es einem nicht zur rechten Zeit einfällt? Bewahre Gottes Wort also, daß du es hast, wenn dus brauchst. Kannst du auch gleich beim Lernen des göttlichen Wortes nicht einsehen, wozu dir diese oder jene Lehre dienen soll, meinest du an wenigerem, als du hast, für dein Herz genug zu haben; so halte drum doch nichts für überflüssig: es kommen verschiedene Stunden, in denen man auch verschiedenes braucht. Wenn dein Herz hart, lau, leichtsinnig werden will, dann greif, o Mensch, der du mit Furcht und Zittern nach deiner Seligkeit verlangst, nach dem Gesetz des HErrn, - bewahrs für solche Zeiten, damit du allezeit Licht könnest haben über dich selbst, damit du an ihm allezeit eine Kraft zur Demüthigung habest. Wenn dein Herz voll Wunden und Schmerzen über deine Sünden ist, wenn ein weniges

gewinnen. Hört, Brüder, wenn ich wüßte, wo eine solche hangende, bangende, nach Gottes seligmachendem Wort hungernde und dürstende Seele ist: ich bin ein Mensch, dem nichts, was gut ist, zuzutrauen aus eigner Kraft, aber ich hoffe, der Geist meines Erzhirten würde mich über Berge und Thäler treiben, einer solchen Seele das erwünschte Himmelsbrot des göttlichen Wortes zuzutragen – – warum sollte ich nicht einer solchen Seele dienen, die unter der mir anvertrauten Herde sich befindet? Gebet euch nur zu erkennen, ihr Hungrigen am Geiste, mein HErr will euch durch mich speisen, – ihr Kranken am Geiste, lasset mich nur euern Zustand merken, die Arzenei des barmherzigen Samariters ist bereit, – – – ihr Mühseligen und Beladenen allzumal, höret nur Gottes Wort; ihr wisset ja: „Selig sind, die Gottes Wort hören;“ – wo es mit Inbrunst und Andacht gehört wird, da fehlt auf die Länge der Segen nicht; denn Seine Verheißungen trügen nicht!

3) Indes lasset uns unsern Text etwas genauer ansehen; er lautet nicht: „Selig sind, die Gottes Wort hören,“ sondern er hat einen Zusatz, der nicht vergessen werden darf: „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.“ Was hilfts, wenn ich einen Schatz finde, und vergesse ihn oder lasse mir ihn wieder entwenden? Ebenso – was hilft es, Gottes Wort zu hören, wofern man es nicht bewahrt? Am Bewahren liegt viel, ja am Ende liegt fast alles dran. Gottes Wort bewahrt man, wie jedes Wort, im Gedächtnis; aber was hilft es, etwas im Gedächtnis zu bewahren, wenn es einem nicht zur rechten Zeit einfällt? Bewahre Gottes Wort also, daß du es hast, wenn dus brauchst. Kannst du auch gleich beim Lernen des göttlichen Wortes nicht einsehen, wozu dir diese oder jene Lehre dienen soll, meinest du an wenigerem, als du hast, für dein Herz genug zu haben; so halte drum doch nichts für überflüssig: es kommen verschiedene Stunden, in denen man auch verschiedenes braucht. Wenn dein Herz hart, lau, leichtsinnig werden will, dann greif, o Mensch, der du mit Furcht und Zittern nach deiner Seligkeit verlangst, nach dem Gesetz des HErrn, – bewahrs für solche Zeiten, damit du allezeit Licht könnest haben über dich selbst, damit du an ihm allezeit eine Kraft zur Demüthigung habest. Wenn dein Herz voll Wunden und Schmerzen über deine Sünden ist, wenn ein weniges

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[12/0012] gewinnen. Hört, Brüder, wenn ich wüßte, wo eine solche hangende, bangende, nach Gottes seligmachendem Wort hungernde und dürstende Seele ist: ich bin ein Mensch, dem nichts, was gut ist, zuzutrauen aus eigner Kraft, aber ich hoffe, der Geist meines Erzhirten würde mich über Berge und Thäler treiben, einer solchen Seele das erwünschte Himmelsbrot des göttlichen Wortes zuzutragen – – warum sollte ich nicht einer solchen Seele dienen, die unter der mir anvertrauten Herde sich befindet? Gebet euch nur zu erkennen, ihr Hungrigen am Geiste, mein HErr will euch durch mich speisen, – ihr Kranken am Geiste, lasset mich nur euern Zustand merken, die Arzenei des barmherzigen Samariters ist bereit, – – – ihr Mühseligen und Beladenen allzumal, höret nur Gottes Wort; ihr wisset ja: „Selig sind, die Gottes Wort hören;“ – wo es mit Inbrunst und Andacht gehört wird, da fehlt auf die Länge der Segen nicht; denn Seine Verheißungen trügen nicht! 3) Indes lasset uns unsern Text etwas genauer ansehen; er lautet nicht: „Selig sind, die Gottes Wort hören,“ sondern er hat einen Zusatz, der nicht vergessen werden darf: „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.“ Was hilfts, wenn ich einen Schatz finde, und vergesse ihn oder lasse mir ihn wieder entwenden? Ebenso – was hilft es, Gottes Wort zu hören, wofern man es nicht bewahrt? Am Bewahren liegt viel, ja am Ende liegt fast alles dran. Gottes Wort bewahrt man, wie jedes Wort, im Gedächtnis; aber was hilft es, etwas im Gedächtnis zu bewahren, wenn es einem nicht zur rechten Zeit einfällt? Bewahre Gottes Wort also, daß du es hast, wenn dus brauchst. Kannst du auch gleich beim Lernen des göttlichen Wortes nicht einsehen, wozu dir diese oder jene Lehre dienen soll, meinest du an wenigerem, als du hast, für dein Herz genug zu haben; so halte drum doch nichts für überflüssig: es kommen verschiedene Stunden, in denen man auch verschiedenes braucht. Wenn dein Herz hart, lau, leichtsinnig werden will, dann greif, o Mensch, der du mit Furcht und Zittern nach deiner Seligkeit verlangst, nach dem Gesetz des HErrn, – bewahrs für solche Zeiten, damit du allezeit Licht könnest haben über dich selbst, damit du an ihm allezeit eine Kraft zur Demüthigung habest. Wenn dein Herz voll Wunden und Schmerzen über deine Sünden ist, wenn ein weniges

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Zitationshilfe: Löhe, Wilhelm: Erste Predigt zu Neuendettelsau, gehalten am 11. Sonntag nach Trinitatis 6. August 1837. Nürnberg, 1873, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_predigt_1873/12>, abgerufen am 23.04.2024.