Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn wir dann nach diesem Eingang einfach erzählen, wie alles und alles bei uns geworden ist. Hier also folgt zunächst unser Bedenken.

Beilage II.
Bedenken über weibliche Diaconie innerhalb der protestantischen Kirche Bayerns,
insonderheit über zu errichtende Diaconissenanstalten.

1. Wenn wir Seelsorger auf unsere Dörfer hinauskommen, die Kranken zu besuchen, so finden wir allenthalben solche weibliche Personen, welche sich der Kranken und Elenden mehr als andere annehmen, weil sie durch eine in ihnen liegende Gabe dazu angereizt werden. Sie folgen dem natürlichen Drang. Was ihnen fehlt, ist die Ausbildung der Gabe. Viele von diesen Frauenspersonen würden biblische Diaconissen sein, wenn man sich ihrer annehmen und ihnen die Ausbildung geben möchte. - Ausbildung der zum Dienst der leidenden Menschheit begabten Frauen ist ein pium desiderium*) und je länger je mehr eine Forderung an die Kirche.

2. Auf dem Lande giebt es viele Familien, die nicht Landleute und eben so wenig Leute von städtischer Bildung genannt werden können: sie stehen mitten inne. Man denke z. B. an Schullehrersfamilien. Die Söhne gehen den allgemeinen Gang der männlichen Berufsbildung; die Töchter aber können keine solche bereitete Bahn betreten. Da sich nun in diesem "Mittelstande" der Bevölkerung des platten Landes viele leiblich und geistig begabte Frauenspersonen finden, so werden sie aus Mangel an Bildung häufig misgebildet an Geist und Gemüth und benützen ihre Gaben oftmals auf eine üble Weise, zum Verderben des eigentlichen Landvolks. Würde man sich ihrer hingegen annehmen, so würden sie gerade sehr begabte und einflußreiche Trägerinnen und Vertreterinnen göttlicher Gedanken werden. Beßer könnte man sich ihrer aber nicht annehmen, als wenn man ihnen Gelegenheit eröffnete, ihre Gaben für den Dienst der leidenden Menschheit auszubilden. Sie würden dadurch auf eine heilsame Bahn gebracht, würden eine Stellung, und zwar eine heilige und segensreiche Stellung in der Kirche finden

*) Ein frommes Verlangen, - eine fromme Forderung, ein auf ein vorhandenes Bedürfnis gegründetes Ansinnen an die Kirche.

wenn wir dann nach diesem Eingang einfach erzählen, wie alles und alles bei uns geworden ist. Hier also folgt zunächst unser Bedenken.

Beilage II.
Bedenken über weibliche Diaconie innerhalb der protestantischen Kirche Bayerns,
insonderheit über zu errichtende Diaconissenanstalten.

1. Wenn wir Seelsorger auf unsere Dörfer hinauskommen, die Kranken zu besuchen, so finden wir allenthalben solche weibliche Personen, welche sich der Kranken und Elenden mehr als andere annehmen, weil sie durch eine in ihnen liegende Gabe dazu angereizt werden. Sie folgen dem natürlichen Drang. Was ihnen fehlt, ist die Ausbildung der Gabe. Viele von diesen Frauenspersonen würden biblische Diaconissen sein, wenn man sich ihrer annehmen und ihnen die Ausbildung geben möchte. – Ausbildung der zum Dienst der leidenden Menschheit begabten Frauen ist ein pium desiderium*) und je länger je mehr eine Forderung an die Kirche.

2. Auf dem Lande giebt es viele Familien, die nicht Landleute und eben so wenig Leute von städtischer Bildung genannt werden können: sie stehen mitten inne. Man denke z. B. an Schullehrersfamilien. Die Söhne gehen den allgemeinen Gang der männlichen Berufsbildung; die Töchter aber können keine solche bereitete Bahn betreten. Da sich nun in diesem „Mittelstande“ der Bevölkerung des platten Landes viele leiblich und geistig begabte Frauenspersonen finden, so werden sie aus Mangel an Bildung häufig misgebildet an Geist und Gemüth und benützen ihre Gaben oftmals auf eine üble Weise, zum Verderben des eigentlichen Landvolks. Würde man sich ihrer hingegen annehmen, so würden sie gerade sehr begabte und einflußreiche Trägerinnen und Vertreterinnen göttlicher Gedanken werden. Beßer könnte man sich ihrer aber nicht annehmen, als wenn man ihnen Gelegenheit eröffnete, ihre Gaben für den Dienst der leidenden Menschheit auszubilden. Sie würden dadurch auf eine heilsame Bahn gebracht, würden eine Stellung, und zwar eine heilige und segensreiche Stellung in der Kirche finden

*) Ein frommes Verlangen, – eine fromme Forderung, ein auf ein vorhandenes Bedürfnis gegründetes Ansinnen an die Kirche.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0022" n="22"/>
wenn wir dann nach diesem Eingang einfach erzählen, wie alles und alles bei uns geworden ist. Hier also folgt zunächst unser Bedenken.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Beilage II.</hi> </head><lb/>
        <head> <hi rendition="#b">Bedenken über weibliche Diaconie innerhalb der protestantischen Kirche Bayerns,<lb/>
insonderheit über zu errichtende <hi rendition="#g">Diaconissenanstalten.</hi></hi> </head><lb/>
        <p>1. Wenn wir Seelsorger auf unsere Dörfer hinauskommen, die Kranken zu besuchen, so finden wir allenthalben solche weibliche Personen, welche sich der Kranken und Elenden mehr als andere annehmen, weil sie durch eine in ihnen liegende Gabe dazu angereizt werden. Sie folgen dem natürlichen Drang. Was ihnen fehlt, ist die Ausbildung der Gabe. Viele von diesen Frauenspersonen würden biblische Diaconissen sein, wenn man sich ihrer annehmen und ihnen die Ausbildung geben möchte. &#x2013; Ausbildung der zum Dienst der leidenden Menschheit begabten Frauen ist ein <hi rendition="#aq">pium desiderium</hi><note place="foot" n="*)">Ein frommes Verlangen, &#x2013; eine fromme Forderung, ein auf ein vorhandenes Bedürfnis gegründetes Ansinnen an die Kirche.</note> und je länger je mehr eine Forderung an die Kirche.</p>
        <p>2. Auf dem Lande giebt es viele Familien, die nicht Landleute und eben so wenig Leute von städtischer Bildung genannt werden können: sie stehen mitten inne. Man denke z. B. an Schullehrersfamilien. Die Söhne gehen den allgemeinen Gang der männlichen Berufsbildung; die Töchter aber können keine solche bereitete Bahn betreten. Da sich nun in diesem &#x201E;Mittelstande&#x201C; der Bevölkerung des platten Landes viele leiblich und geistig begabte Frauenspersonen finden, so werden sie aus Mangel an Bildung häufig misgebildet an Geist und Gemüth und benützen ihre Gaben oftmals auf eine üble Weise, zum Verderben des eigentlichen Landvolks. Würde man sich ihrer hingegen annehmen, so würden sie gerade sehr begabte und einflußreiche Trägerinnen und Vertreterinnen göttlicher Gedanken werden. Beßer könnte man sich ihrer aber nicht annehmen, als wenn man ihnen Gelegenheit eröffnete, ihre Gaben für den Dienst der leidenden Menschheit auszubilden. Sie würden dadurch auf eine heilsame Bahn gebracht, würden eine Stellung, und zwar eine heilige und segensreiche Stellung in der Kirche finden
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0022] wenn wir dann nach diesem Eingang einfach erzählen, wie alles und alles bei uns geworden ist. Hier also folgt zunächst unser Bedenken. Beilage II. Bedenken über weibliche Diaconie innerhalb der protestantischen Kirche Bayerns, insonderheit über zu errichtende Diaconissenanstalten. 1. Wenn wir Seelsorger auf unsere Dörfer hinauskommen, die Kranken zu besuchen, so finden wir allenthalben solche weibliche Personen, welche sich der Kranken und Elenden mehr als andere annehmen, weil sie durch eine in ihnen liegende Gabe dazu angereizt werden. Sie folgen dem natürlichen Drang. Was ihnen fehlt, ist die Ausbildung der Gabe. Viele von diesen Frauenspersonen würden biblische Diaconissen sein, wenn man sich ihrer annehmen und ihnen die Ausbildung geben möchte. – Ausbildung der zum Dienst der leidenden Menschheit begabten Frauen ist ein pium desiderium *) und je länger je mehr eine Forderung an die Kirche. 2. Auf dem Lande giebt es viele Familien, die nicht Landleute und eben so wenig Leute von städtischer Bildung genannt werden können: sie stehen mitten inne. Man denke z. B. an Schullehrersfamilien. Die Söhne gehen den allgemeinen Gang der männlichen Berufsbildung; die Töchter aber können keine solche bereitete Bahn betreten. Da sich nun in diesem „Mittelstande“ der Bevölkerung des platten Landes viele leiblich und geistig begabte Frauenspersonen finden, so werden sie aus Mangel an Bildung häufig misgebildet an Geist und Gemüth und benützen ihre Gaben oftmals auf eine üble Weise, zum Verderben des eigentlichen Landvolks. Würde man sich ihrer hingegen annehmen, so würden sie gerade sehr begabte und einflußreiche Trägerinnen und Vertreterinnen göttlicher Gedanken werden. Beßer könnte man sich ihrer aber nicht annehmen, als wenn man ihnen Gelegenheit eröffnete, ihre Gaben für den Dienst der leidenden Menschheit auszubilden. Sie würden dadurch auf eine heilsame Bahn gebracht, würden eine Stellung, und zwar eine heilige und segensreiche Stellung in der Kirche finden *) Ein frommes Verlangen, – eine fromme Forderung, ein auf ein vorhandenes Bedürfnis gegründetes Ansinnen an die Kirche.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-03T16:04:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-03T16:04:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-03T16:04:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_neuendettelsau_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_neuendettelsau_1870/22
Zitationshilfe: Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_neuendettelsau_1870/22>, abgerufen am 27.11.2024.