Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Massen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.
die Erde schiefen Richtung von dem Monde ausgeworfen wer-
den, so werden sie auch ihren Weg nicht in gerader Richtung auf
die Erde hinnehmen, sondern vielmehr dieselbe, wenn sie einmal
die Attractionsgränze des Mondes überschritten haben, in krummen
Linien, gleich andern, kleineren Monden, umkreisen, wo sie dann,
besonders wenn ihre Anzahl, wie es scheint, sehr groß ist, oft in
den Fall kommen könnten, daß sie die Bahn der Erde durch-
schneiden, oder ahe zu derselben gelangen müßten, um von ihr
mit Heftigkeit angezogen und zum Herabstürzen auf die Erde
gebracht zu werden.

Man könnte fragen, wie viele Zeit ein solcher Stein brauchte,
um von jenem Punkte der gleichen Anziehung bis zur Erde zu
kommen, oder um seinen Weg von 53 Erdhalbmessern zurückzu-
legen. -- Wenn er bloß von der Erde angezogen, und durch die
Atmosphäre derselben in seinem Laufe nicht gehindert wäre, so
würde er diesen Weg in 2 Stunden 18 Minuten zurücklegen, und
am Ende dieser Zeit die Erde mit einer Geschwindigkeit erreichen,
vermöge welcher er in einer Sekunde 251028 Fuß zurücklegte.
Da diese die Geschwindigkeit unserer Kanonenkugeln gegen 360mal
übertrifft, so könnte man daraus das tiefe Einschlagen der Aero-
lithen in die Erde, und die Erscheinung erklären, daß man selbst
nach heftigen Steinregen, so wenige derselben auf der Oberfläche
des Bodens, wo sie gefallen sind, finden kann. Allein da ein
solcher Stein, in dem Punkte der gleichen Attraction, auch noch,
obgleich nur schwach, von dem Monde angezogen wird, so muß
dadurch seine Endgeschwindigkeit verkleinert, und dafür die Zeit,
während welcher er jene 53 Erdhalbmesser zurücklegt, beträchtlich
vergrößert werden. In der That findet man, daß er unter dieser
Voraussetzung jenen Weg erst in nahe 64 Stunden oder in
2 2/3 Tagen zurücklegen würde.

Uebrigens muß man gestehen, daß sich die Erde, ihrem Diener
und Fackelträger gegenüber, in einer etwas sonderbaren Lage be-
findet, wenn anders diese Hypothese von dem Ursprunge der Aero-
lithen gegründet seyn soll. Sie muß sich von ihm mit Steinen
werfen lassen, ohne es verhindern, selbst ohne es, nach dem Rechte
der Repressalien, auch nur erwiedern zu können, da uns unsere
fünfmal größere Schwere hindert, unsere Steine auch dem Monde

Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper.
die Erde ſchiefen Richtung von dem Monde ausgeworfen wer-
den, ſo werden ſie auch ihren Weg nicht in gerader Richtung auf
die Erde hinnehmen, ſondern vielmehr dieſelbe, wenn ſie einmal
die Attractionsgränze des Mondes überſchritten haben, in krummen
Linien, gleich andern, kleineren Monden, umkreiſen, wo ſie dann,
beſonders wenn ihre Anzahl, wie es ſcheint, ſehr groß iſt, oft in
den Fall kommen könnten, daß ſie die Bahn der Erde durch-
ſchneiden, oder ahe zu derſelben gelangen müßten, um von ihr
mit Heftigkeit angezogen und zum Herabſtürzen auf die Erde
gebracht zu werden.

Man könnte fragen, wie viele Zeit ein ſolcher Stein brauchte,
um von jenem Punkte der gleichen Anziehung bis zur Erde zu
kommen, oder um ſeinen Weg von 53 Erdhalbmeſſern zurückzu-
legen. — Wenn er bloß von der Erde angezogen, und durch die
Atmoſphäre derſelben in ſeinem Laufe nicht gehindert wäre, ſo
würde er dieſen Weg in 2 Stunden 18 Minuten zurücklegen, und
am Ende dieſer Zeit die Erde mit einer Geſchwindigkeit erreichen,
vermöge welcher er in einer Sekunde 251028 Fuß zurücklegte.
Da dieſe die Geſchwindigkeit unſerer Kanonenkugeln gegen 360mal
übertrifft, ſo könnte man daraus das tiefe Einſchlagen der Aero-
lithen in die Erde, und die Erſcheinung erklären, daß man ſelbſt
nach heftigen Steinregen, ſo wenige derſelben auf der Oberfläche
des Bodens, wo ſie gefallen ſind, finden kann. Allein da ein
ſolcher Stein, in dem Punkte der gleichen Attraction, auch noch,
obgleich nur ſchwach, von dem Monde angezogen wird, ſo muß
dadurch ſeine Endgeſchwindigkeit verkleinert, und dafür die Zeit,
während welcher er jene 53 Erdhalbmeſſer zurücklegt, beträchtlich
vergrößert werden. In der That findet man, daß er unter dieſer
Vorausſetzung jenen Weg erſt in nahe 64 Stunden oder in
2⅔ Tagen zurücklegen würde.

Uebrigens muß man geſtehen, daß ſich die Erde, ihrem Diener
und Fackelträger gegenüber, in einer etwas ſonderbaren Lage be-
findet, wenn anders dieſe Hypotheſe von dem Urſprunge der Aero-
lithen gegründet ſeyn ſoll. Sie muß ſich von ihm mit Steinen
werfen laſſen, ohne es verhindern, ſelbſt ohne es, nach dem Rechte
der Repreſſalien, auch nur erwiedern zu können, da uns unſere
fünfmal größere Schwere hindert, unſere Steine auch dem Monde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0087" n="75"/><fw place="top" type="header">Ma&#x017F;&#x017F;en und Dichtigkeiten der Himmelskörper.</fw><lb/>
die Erde <hi rendition="#g">&#x017F;chiefen</hi> Richtung von dem Monde ausgeworfen wer-<lb/>
den, &#x017F;o werden &#x017F;ie auch ihren Weg nicht in gerader Richtung auf<lb/>
die Erde hinnehmen, &#x017F;ondern vielmehr die&#x017F;elbe, wenn &#x017F;ie einmal<lb/>
die Attractionsgränze des Mondes über&#x017F;chritten haben, in krummen<lb/>
Linien, gleich andern, kleineren Monden, umkrei&#x017F;en, wo &#x017F;ie dann,<lb/>
be&#x017F;onders wenn ihre Anzahl, wie es &#x017F;cheint, &#x017F;ehr groß i&#x017F;t, oft in<lb/>
den Fall kommen könnten, daß &#x017F;ie die Bahn der Erde durch-<lb/>
&#x017F;chneiden, oder ahe zu der&#x017F;elben gelangen müßten, um von ihr<lb/>
mit Heftigkeit angezogen und zum Herab&#x017F;türzen auf die Erde<lb/>
gebracht zu werden.</p><lb/>
              <p>Man könnte fragen, wie viele Zeit ein &#x017F;olcher Stein brauchte,<lb/>
um von jenem Punkte der gleichen Anziehung bis zur Erde zu<lb/>
kommen, oder um &#x017F;einen Weg von 53 Erdhalbme&#x017F;&#x017F;ern zurückzu-<lb/>
legen. &#x2014; Wenn er bloß von der Erde angezogen, und durch die<lb/>
Atmo&#x017F;phäre der&#x017F;elben in &#x017F;einem Laufe nicht gehindert wäre, &#x017F;o<lb/>
würde er die&#x017F;en Weg in 2 Stunden 18 Minuten zurücklegen, und<lb/>
am Ende die&#x017F;er Zeit die Erde mit einer Ge&#x017F;chwindigkeit erreichen,<lb/>
vermöge welcher er in einer Sekunde 251028 Fuß zurücklegte.<lb/>
Da die&#x017F;e die Ge&#x017F;chwindigkeit un&#x017F;erer Kanonenkugeln gegen 360mal<lb/>
übertrifft, &#x017F;o könnte man daraus das tiefe Ein&#x017F;chlagen der Aero-<lb/>
lithen in die Erde, und die Er&#x017F;cheinung erklären, daß man &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nach heftigen Steinregen, &#x017F;o wenige der&#x017F;elben auf der Oberfläche<lb/>
des Bodens, wo &#x017F;ie gefallen &#x017F;ind, finden kann. Allein da ein<lb/>
&#x017F;olcher Stein, in dem Punkte der gleichen Attraction, auch noch,<lb/>
obgleich nur &#x017F;chwach, von dem Monde angezogen wird, &#x017F;o muß<lb/>
dadurch &#x017F;eine Endge&#x017F;chwindigkeit verkleinert, und dafür die Zeit,<lb/>
während welcher er jene 53 Erdhalbme&#x017F;&#x017F;er zurücklegt, beträchtlich<lb/>
vergrößert werden. In der That findet man, daß er unter die&#x017F;er<lb/>
Voraus&#x017F;etzung jenen Weg er&#x017F;t in nahe 64 Stunden oder in<lb/>
2&#x2154; Tagen zurücklegen würde.</p><lb/>
              <p>Uebrigens muß man ge&#x017F;tehen, daß &#x017F;ich die Erde, ihrem Diener<lb/>
und Fackelträger gegenüber, in einer etwas &#x017F;onderbaren Lage be-<lb/>
findet, wenn anders die&#x017F;e Hypothe&#x017F;e von dem Ur&#x017F;prunge der Aero-<lb/>
lithen gegründet &#x017F;eyn &#x017F;oll. Sie muß &#x017F;ich von ihm mit Steinen<lb/>
werfen la&#x017F;&#x017F;en, ohne es verhindern, &#x017F;elb&#x017F;t ohne es, nach dem Rechte<lb/>
der Repre&#x017F;&#x017F;alien, auch nur erwiedern zu können, da uns un&#x017F;ere<lb/>
fünfmal größere Schwere hindert, un&#x017F;ere Steine auch dem Monde<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0087] Maſſen und Dichtigkeiten der Himmelskörper. die Erde ſchiefen Richtung von dem Monde ausgeworfen wer- den, ſo werden ſie auch ihren Weg nicht in gerader Richtung auf die Erde hinnehmen, ſondern vielmehr dieſelbe, wenn ſie einmal die Attractionsgränze des Mondes überſchritten haben, in krummen Linien, gleich andern, kleineren Monden, umkreiſen, wo ſie dann, beſonders wenn ihre Anzahl, wie es ſcheint, ſehr groß iſt, oft in den Fall kommen könnten, daß ſie die Bahn der Erde durch- ſchneiden, oder ahe zu derſelben gelangen müßten, um von ihr mit Heftigkeit angezogen und zum Herabſtürzen auf die Erde gebracht zu werden. Man könnte fragen, wie viele Zeit ein ſolcher Stein brauchte, um von jenem Punkte der gleichen Anziehung bis zur Erde zu kommen, oder um ſeinen Weg von 53 Erdhalbmeſſern zurückzu- legen. — Wenn er bloß von der Erde angezogen, und durch die Atmoſphäre derſelben in ſeinem Laufe nicht gehindert wäre, ſo würde er dieſen Weg in 2 Stunden 18 Minuten zurücklegen, und am Ende dieſer Zeit die Erde mit einer Geſchwindigkeit erreichen, vermöge welcher er in einer Sekunde 251028 Fuß zurücklegte. Da dieſe die Geſchwindigkeit unſerer Kanonenkugeln gegen 360mal übertrifft, ſo könnte man daraus das tiefe Einſchlagen der Aero- lithen in die Erde, und die Erſcheinung erklären, daß man ſelbſt nach heftigen Steinregen, ſo wenige derſelben auf der Oberfläche des Bodens, wo ſie gefallen ſind, finden kann. Allein da ein ſolcher Stein, in dem Punkte der gleichen Attraction, auch noch, obgleich nur ſchwach, von dem Monde angezogen wird, ſo muß dadurch ſeine Endgeſchwindigkeit verkleinert, und dafür die Zeit, während welcher er jene 53 Erdhalbmeſſer zurücklegt, beträchtlich vergrößert werden. In der That findet man, daß er unter dieſer Vorausſetzung jenen Weg erſt in nahe 64 Stunden oder in 2⅔ Tagen zurücklegen würde. Uebrigens muß man geſtehen, daß ſich die Erde, ihrem Diener und Fackelträger gegenüber, in einer etwas ſonderbaren Lage be- findet, wenn anders dieſe Hypotheſe von dem Urſprunge der Aero- lithen gegründet ſeyn ſoll. Sie muß ſich von ihm mit Steinen werfen laſſen, ohne es verhindern, ſelbſt ohne es, nach dem Rechte der Repreſſalien, auch nur erwiedern zu können, da uns unſere fünfmal größere Schwere hindert, unſere Steine auch dem Monde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/87
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/87>, abgerufen am 24.11.2024.