Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente. einigen. Ohne Zweifel haben die Zusammentretungen der Men-schen zu größeren Gesellschaften und zu ganzen Staaten denselben Ursprung. Und wie in der Ehe, wie in der Liebe der Aeltern zu ihren Kindern und dieser zu jenen, sehen wir auch in diesen größe- ren Gesellschaften, daß der stärkere Geist dasselbe Vergnügen in der Leitung und Beschützung des schwächeren findet, welches die- ser in der Hingebung und in dem Gehorsam gegen jene genießt. Verwandte Gefühle und Empfindungen, in einem Kreise mehrerer Menschen erregt, verstärken sich durch gegenseitige Mittheilungen, wie wir täglich in unseren Schauspielen und noch mehr in den- jenigen Gegenden sehen können, wo diese Mittheilung durch keine äußere Hemmung beschränkt ist. So mächtig werden dadurch oft jene Empfindungen gesteigert, daß sie zur Begeisterung, selbst zum Fanatismus führen, daß sie das Gemüth eines ganzen Vol- kes bis zu einer Art von Wuth erhitzen, daß sie sich mit einer unwiderstehlichen Kraft verbreiten und unglaubliche, an das Wun- derbare gränzende Wirkungen hervorbringen, wie unsere Ge- schichtsbücher auf mehr als einer Seite bezeugen. Es ist mög- lich, daß die oft eben so schwer zu besiegende Sympathie, welche die Muskeln unsers Gesichtes verzieht, wenn wir einen anderen lachen oder gähnen sehen, aus derselben Quelle entspringt. Un- sere Augenlieder schließen sich schnell und unwillkührlich vor jeder plötzlich auffallenden Gefahr, noch ehe sie die Wirkung unseres Willens erreicht und wir machen die Bewegung des Ausweichens vor einem uns begegnenden Hindernisse, wenn wir gleich noch weit von ihm entfernt sind, ja oft schon bei der Erzählung oder bei dem bloßen Gedanken an eine solche Gefahr. Die Erzählung großer Thaten erregt nicht bloß Begeisterung, §. 66. (Aehnliche Operationen unseres Gedächtnisses.) Auch Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. einigen. Ohne Zweifel haben die Zuſammentretungen der Men-ſchen zu größeren Geſellſchaften und zu ganzen Staaten denſelben Urſprung. Und wie in der Ehe, wie in der Liebe der Aeltern zu ihren Kindern und dieſer zu jenen, ſehen wir auch in dieſen größe- ren Geſellſchaften, daß der ſtärkere Geiſt daſſelbe Vergnügen in der Leitung und Beſchützung des ſchwächeren findet, welches die- ſer in der Hingebung und in dem Gehorſam gegen jene genießt. Verwandte Gefühle und Empfindungen, in einem Kreiſe mehrerer Menſchen erregt, verſtärken ſich durch gegenſeitige Mittheilungen, wie wir täglich in unſeren Schauſpielen und noch mehr in den- jenigen Gegenden ſehen können, wo dieſe Mittheilung durch keine äußere Hemmung beſchränkt iſt. So mächtig werden dadurch oft jene Empfindungen geſteigert, daß ſie zur Begeiſterung, ſelbſt zum Fanatismus führen, daß ſie das Gemüth eines ganzen Vol- kes bis zu einer Art von Wuth erhitzen, daß ſie ſich mit einer unwiderſtehlichen Kraft verbreiten und unglaubliche, an das Wun- derbare gränzende Wirkungen hervorbringen, wie unſere Ge- ſchichtsbücher auf mehr als einer Seite bezeugen. Es iſt mög- lich, daß die oft eben ſo ſchwer zu beſiegende Sympathie, welche die Muskeln unſers Geſichtes verzieht, wenn wir einen anderen lachen oder gähnen ſehen, aus derſelben Quelle entſpringt. Un- ſere Augenlieder ſchließen ſich ſchnell und unwillkührlich vor jeder plötzlich auffallenden Gefahr, noch ehe ſie die Wirkung unſeres Willens erreicht und wir machen die Bewegung des Ausweichens vor einem uns begegnenden Hinderniſſe, wenn wir gleich noch weit von ihm entfernt ſind, ja oft ſchon bei der Erzählung oder bei dem bloßen Gedanken an eine ſolche Gefahr. Die Erzählung großer Thaten erregt nicht bloß Begeiſterung, §. 66. (Aehnliche Operationen unſeres Gedächtniſſes.) Auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0426" n="414"/><fw place="top" type="header">Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.</fw><lb/> einigen. Ohne Zweifel haben die Zuſammentretungen der Men-<lb/> ſchen zu größeren Geſellſchaften und zu ganzen Staaten denſelben<lb/> Urſprung. 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Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
einigen. Ohne Zweifel haben die Zuſammentretungen der Men-
ſchen zu größeren Geſellſchaften und zu ganzen Staaten denſelben
Urſprung. Und wie in der Ehe, wie in der Liebe der Aeltern zu
ihren Kindern und dieſer zu jenen, ſehen wir auch in dieſen größe-
ren Geſellſchaften, daß der ſtärkere Geiſt daſſelbe Vergnügen in
der Leitung und Beſchützung des ſchwächeren findet, welches die-
ſer in der Hingebung und in dem Gehorſam gegen jene genießt.
Verwandte Gefühle und Empfindungen, in einem Kreiſe mehrerer
Menſchen erregt, verſtärken ſich durch gegenſeitige Mittheilungen,
wie wir täglich in unſeren Schauſpielen und noch mehr in den-
jenigen Gegenden ſehen können, wo dieſe Mittheilung durch keine
äußere Hemmung beſchränkt iſt. So mächtig werden dadurch oft
jene Empfindungen geſteigert, daß ſie zur Begeiſterung, ſelbſt
zum Fanatismus führen, daß ſie das Gemüth eines ganzen Vol-
kes bis zu einer Art von Wuth erhitzen, daß ſie ſich mit einer
unwiderſtehlichen Kraft verbreiten und unglaubliche, an das Wun-
derbare gränzende Wirkungen hervorbringen, wie unſere Ge-
ſchichtsbücher auf mehr als einer Seite bezeugen. Es iſt mög-
lich, daß die oft eben ſo ſchwer zu beſiegende Sympathie, welche
die Muskeln unſers Geſichtes verzieht, wenn wir einen anderen
lachen oder gähnen ſehen, aus derſelben Quelle entſpringt. Un-
ſere Augenlieder ſchließen ſich ſchnell und unwillkührlich vor jeder
plötzlich auffallenden Gefahr, noch ehe ſie die Wirkung unſeres
Willens erreicht und wir machen die Bewegung des Ausweichens
vor einem uns begegnenden Hinderniſſe, wenn wir gleich noch
weit von ihm entfernt ſind, ja oft ſchon bei der Erzählung oder
bei dem bloßen Gedanken an eine ſolche Gefahr.
Die Erzählung großer Thaten erregt nicht bloß Begeiſterung,
ſondern auch den Trieb der Nachahmung, beſonders bei jungen
Gemüthern, und weniger glücklich organiſirte Menſchen ſind durch
Räubergeſchichten zu einer ähnlichen Nacheiferung angereizt worden.
§. 66. (Aehnliche Operationen unſeres Gedächtniſſes.) Auch
in unſeren Erinnerungen an längſt vorübergegangene Ereigniſſe
liegt noch viel Geheimnißvolles, das einer genaueren Unterſuchung
in hohem Grade würdig iſt. Wir fühlen eigene innere Bewe-
gungen, wenn wir uns an einen Namen oder an eine Sache er-
innern wollen. Es iſt, als ob wir das Verlorne, nicht in dem
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